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OHLSDORF - Zeitschrift für Trauerkultur

Soldat - Kind - Zwangsarbeiterin - Deserteur. Wer ist in den "Soldatengräbern" auf dem Friedhof bestattet?

Als der Runde Tisch zum um Gräberfeld "Deutsche Soldatengräber" auf dem Ohlsdorfer Friedhof im Jahr 2013 von verschiedenen Initiativen gegründet wurde, schrieb Helmut Schoenfeld, der für den Förderkreis daran teilnahm, unter dem Titel "Der "Kriegertempel" - ein Stein des Anstoßes?" in dieser Zeitschrift: "Für den Runden Tisch wird es keine leichte Aufgabe sein, das damals empfundene und gestalterisch umgesetzte Erinnern an gefallene Soldaten nach heutiger Kenntnislage mit kritischem Geschichtsbewusstsein der Öffentlichkeit darzustellen".

Tatsächlich hat es über ein Jahrzehnt gebraucht, bis jetzt eine Publikation vorliegt, die verschiedene Aspekte der über 100jährigen Geschichte der Weltkriegsgräber auf dem Ohlsdorfer Friedhof beleuchtet. Eingerichtet unmittelbar nach Beginn des ersten Weltkrieges als "besonderer Platz" für in Hamburger Lazaretten verstorbene Soldaten, gab es in den verschiedenen Phasen der Bau- und Nutzungsgeschichte der Anlage immer wieder Kontroversen über die Ausgestaltung vor dem Hintergrund der jeweiligen zeitgenössischen Erinnerungskulturen. So enthielt die Anlage einst einen "Heldengedächtnishain". Sie war als Ort einer monumentalen "Heldengedächtnishalle" in der Planung und erhielt die umstrittene kreisrunde Gedenkhalle, die inzwischen durch die Errichtung einer Stele zum Gedenken an Deserteure und andere Opfer der NS-Militärjustiz sozusagen konterkariert wird.

Denn in den Gräberfeldern ruhen nicht nur verstorbene deutsche Soldaten. Dorthin wurden auch hunderte Gräber von NS-Opfern, darunter ermordete Kriegsgefangene, im Untersuchungsgefängnis Hamburg oder auf dem Schießstand Höltigbaum Hingerichtete, KZ-Häftlinge und verstorbene Kinder von Zwangsarbeiterinnen umgebettet. Noch lange nicht die ganze Geschichte dieser Anlage ist inzwischen aufgearbeitet, aber immerhin liegt jetzt eine Publikation vor, für die ein Autor*innen-team nicht nur die Geschichte nachzeichnen, sondern auch zu den verschiedenen Gruppen recherchieren und so Einzelschicksale nachzeichnen konnte.

Das Buch wird am 8. August beim Ohlsdorfer Friedensfest (siehe dazu den Beitrag in diesem Heft) der Öffentlichkeit vorgestellt und ist danach bei den beteiligten Initiativen, das heißt auch beim Förderkreis Ohlsdorfer Friedhof und bei der Friedhofsverwaltung zu erhalten. Da Forschung und Druck aus Mitteln der Landeszentrale und des Bezirksamtes Nord finanziert wurden, wird es kostenlos abgegeben. Aber natürlich sind Spenden für den Erhalt des Friedhofs willkommen.

Soldat - Kind - Zwangsarbeiterin - Deserteur. Wer ist in den "Soldatengräbern" auf dem Friedhof Ohlsdorf bestattet? Herausgegeben vom Runden Tisch zum Gräber-feld "Deutsche Soldatengräber" auf dem Ohlsdorfer Friedhof, Hamburg 2021, 284 S., zahlreiche Farbabbildungen.

Auflistung alle Artikel aus dem Themenheft Bildhauer Richard Kuöhl (August 2021).
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