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OHLSDORF - Zeitschrift für Trauerkultur

Exkursion nach Schleswig, Flensburg, Christiansfeld und Hadersleben, 26.-28.8.2011

Abweichend von dem Programm unserer früheren Exkursionen mit ausschließlich sepulkralen Themen besuchten wir diesmal Landstriche, die entweder glazial geformt wurden, oder Gebiete, die durch die beiden deutsch-dänischen Kriege 1848/1850 und 1864 in Mitleidenschaft gezogen wurden.

Dennoch besteht bei diesen scheinbar fremden Themen ein Zusammenhang zur Sepul-kralkultur. Vor allem die Weichsel-Eiszeit der letzten 100.000 Jahre mit ihrem Ende vor 10.000 Jahren (siehe Abb.) genau in unserem Exkursionsgebiet von Schleswig über Flensburg nach Hadersleben brachte riesige Findlinge aus Skandinavien mit, die von unseren Vorfahren zum Bau gewaltiger Megalith-Gräber benutzt wurden. Diese frühe Sepulkralkultur zwingt uns auch heute wegen ihrer technischen wie ästhetischen Gestaltung Achtung und Bewunderung ab.

Eiszeit
Die letzte Eiszeit. Zeichnung: Mauss

Die Kriegsgräber, Sepulkralkultur in Kriegsfolgen, zeigen den Beginn einer neuen Auffassung der Bestattung von Gefallenen. Verscharrte man bis zur napoleonischen Zeit die Toten, wurden nun hier Reihengräber geschaffen mit meist gusseisernen Grabkreuzen, die mit Namen und Lebensdaten versehen noch heute an die gefallenen Soldaten erinnern. Diese neue Ästhetik sollte uns natürlich nicht über den Krieg als größtes Verbrechen der Menschheit hinwegtäuschen.

Holm
Friedhof der Holmer Beliebung in Schleswig. Foto: Mauss

Abfahrt war am 26. August pünktlich um 7.00 Uhr vom Haupteingang des Ohlsdorfer Friedhofs. Heiß-schwüles Wetter schon am Morgen. Bei Owschlag abbiegen zum 100 Meter hohen Aschberg, einer riesigen Stauch-Endmoräne des alten Schleigletschers, der erst vor 10.000 Jahren schnell abschmolz. Blick weit nach Osten über Grundmoränen-Landschaft, die heute wie Almwiesen anmutet. Dazwischen eiszeitliche Seen (Referat Mauss). Bei Missunde Zusammentreffen zweier sepulkraler Sonderpunkte: Das vor etwa 4.500 Jahren entstandene Megalith-Grab und die ersten Kriegsgräber aus den Kämpfen um die Schleienge von Missunde 1848-1850. Die 28 Exkursionsteilnehmer konnten es sich in einem Großbus bequem machen, aber wir waren froh, dass dieses Riesenfahrzeug sicher auf der kleinen Fähre über den Schlei-Fjord kam. Pastorin Boysen führte uns über den Friedhof von Brodersby (Grab Lebrecht Lange, der trotz seines Namens "Leb recht lange" mit 27 Jahren fiel) und zur Dorfkirche Kahleby.

Lebrecht Lange
Grab des Soldaten Lebrecht Lange in Brodersby. Foto: P. Schulze

Weiter nach Schleswig. Am Grab des Komponisten Bellmann am Johanniskloster sangen wir "Schleswig-Holstein meerumschlungen". Pastor Schröder führte zur Beliebung, einem Friedhof auf der Basis einer jahrhundertealten Begräbniskosten-Versicherung. Ergreifend der Brüggemann-Altar (1521), den Pastor Schröder erläuterte. Nächstes Ziel war die Idstedt-Halle, in der Historiker Heinz Schulze den Verlauf der Schlacht von 1850 exakt schilderte. Die Schleswig-Holstein-Truppen wurden geschlagen – die siegreichen Dänen errichteten ein "Sepulkral-Denkmal", den Idstedter Löwen. Dieser wurde 1864 nach Berlin transportiert, 1945 von nationalen Dänen nach Kopenhagen entführt und am Tag des offenen Friedhofs am 18. September 2011 mit einer großen Volksversammlung nach Flensburg zurückgebracht. Bei drückender Schwüle um 18.00 Uhr Ankunft im Arcadia-Hotel Flensburg. Freier Abend. Ab 22.00 Uhr starkes Gewitter, Abkühlung, Regen.

27. August: Flensburg-Tag mit Friedhof Friedenshügel und Mühlenfriedhof. Regen, trotzdem alle an Deck! Herr Koll führte uns von 9.00 – 12.00 Uhr als ehemaliger Leitender Friedhofsreferent von Flensburg mit vollem Gesamtwissen über den "Friedenshügel", ein Meisterwerk von Wilhelm Cordes um 1911. Typische Handschrift dieses Gartenbaukünstlers: Rosarium, Parkanlage. Dann zum "Mühlenfriedhof", eine historische Anlage für bedeutende Bürger dieser Fördestadt, 20. Jahrhundert. Mittagessen beim Eiszeithaus mit Kurzbesichtigung. Der Kunsthistoriker Thomas Messerschmidt führte uns mit elastischer Emotionalität durch den Christiansenpark zur Mumiengrotte mit antikem phönizischen Sarkophag. Der "Alte Friedhof" ist ein tief beeindruckendes, seltenes Beispiel hoher Sepulkralkunst des 19. Jahrhunderts in Deutschland: Bundsen-Kapelle, klassizistische Grabdenkmale, Idstedt-Löwe und Gefallenengräber von 1850. Abends gemeinsames Abendessen im Brauhaus Hansen.

28. August: 8.00 Uhr Abfahrt nach Dänemark. Sahen wir im Vorjahr Herrnhut, so diesmal die "Brüdergemeine in Christiansfeld". Sie ist nach den gleichen Prinzipien geordnet, auch die Sepulkralkultur ist gleich: Beisetzung in Todesreihenfolge, Männer und Frauen getrennt. Ewige Totenruhe, gleiche Grabplatten. Weiterfahrt zum Dom von Hadersleben. Pastorin Christa Meier (deutsch, dänisch, plattdeutsch, plattdänisch) belebte die herrliche Backsteingotik durch eine fundierte Führung. Anschließend mit ihr zum Domfriedhof mit Kriegsgrabmalen von 1864 "den österreichischen und preußischen Kriegern, welche für Schleswig-Holsteins Befreiung ihr Leben gaben". In zügiger Fahrt Rückkehr über die A7 mit Ankunft um 17.00 Uhr in Hamburg.

Auflistung alle Artikel aus dem Themenheft Vom Krematorium zum Bestattungsforum (November 2011).
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