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OHLSDORF - Zeitschrift für Trauerkultur

Brief aus Weimar: Über die Exkursion 21. - 23. September 2001

Ich möchte Euch, meine drei Töchter, von unserer diesjährigen Förderkreis-Exkursion direkt aus unserem vorbildlichen InterCity-Hotel in Weimar berichten. So sind die Eindrücke noch frisch und lebendig.

Weimar, 23.9.2001

Ich denke, die Mühen der Vorbereitung einer solchen Exkursion haben sich gelohnt. Ursprünglich wollten wir einen kleineren Bus mieten, aber einige hatten sich im letzten Moment angemeldet, so dass wir auf einen Luxus-58-Personen Jumbobus umbuchten. Das hatte Vorteile im Komfort mit exzellenter Lautsprecheranlage für die Vorträge unterwegs, mit guten Sitzen und ruhigem Fahrverhalten. Nachteile brachte diese Überlänge in den engen Gassen von Jena und bei niedriger Brücke in Buttstädt, da Frau Dr. Happe eine fundierte kulturhistorische Exkursionsführerin auf ihrem Gebiet der Sepulkralkultur ist, als Busfahranleiterin aber nicht ihre Stärken hat, so dass wir uns gelegentlich festfuhren. Gottlob blieb unser Fahrer Manfred Kowalke Herr der Lage.

Ihr habt mich gefragt, ob sich solch ein Einsatz lohnt? Ja! Aus einer lockeren Gruppe "Sepulkrarier" wird für die Exkursionszeit eine Art Schicksalsgemeinschaft. Man findet zu Gesprächen zusammen, erkennt das Gemeinsame, nimmt dafür gewisse Opfer auf sich, bringt aber auch Gewinn in Form von Anregungen und Kontakten mit nach Hause.

Aber nun der Reihe nach: Pünktlich um 6.45 Uhr starteten wir bei nieseligem Wetter vor dem Hauptgebäude Ohlsdorfer Friedhof. Sechs Stunden waren für die Hinreise eingeplant (ohne 40 Minuten Stau kurz vor dem Ziel Weimar). Man merkte diese Zeit kaum, denn unser früherer Kultursenator Prof. Tarnowski hatte sich als unser Förderkreis-Mitglied bereit gefunden, über die "Leitfiguren der Weimarer Klassik" zu sprechen: Herzogin Anna Amalia, Herder (Gräber in der Herderkirche) Herzog Carl August, Goethe und Schiller (Gräber in der Fürstengruft). Dies war kein übliches "Sprechen", dies war ein didaktisch wie stilistisch geschliffener, frei nur nach Notizen gehaltener Vortrag der Spitzenklasse, in klarem Wortklang, der nie ermüdete und den man mit Freuden auf Tonkassette gezogen hätte, um ihn später wieder zu hören. Dies war ein Meisterwerk, lieber Prof. Tarnowski! Weimar wurde uns dadurch erst richtig Weimar.

happe weimar
Kulturhistorikerin Dr. Barbara Happe auf dem Camposanto in Buttstädt
(Foto: Schulze)

Pünktlichkeit blieb wichtiges Exkursionsgebot. Deshalb 16.01 Uhr Abfahrt zur Fürstengruft mit den schlichten, klassizistischen Holzsärgen von Goethe und Schiller, dann zum Historischen Friedhof des klassischen Weimar und zum Abschluss zum Jacobsfriedhof mit dem Grab von Christiane Vulpius-Goethe.

Am Sonnabend, 22.9.2001 Sonnenschein! Freizeit für einen Stadtbummel durch das jetzt farbenfrohe, blühende Weimar. Welch ein Unterschied zu unseren Besuchen 1962 und 1987.

Um 13.00 Uhr Fahrt in einen milden Frühherbsttag hinein nach Buttstädt zum dortigen, inzwischen teilrenovierten Camposanto von 1592, einem extern von der Kirche gelegenen Friedhofsareal mit Arkadenumgängen als abgeschlossene Umfriedung, zeittypisch für Thüringen und verwandt mit italienischen Anlagen.

Weiter nach Oßmannstedt zum Wieland Dreier-Grab direkt malerisch am Ilm-Ufer. Frau Dr. Happe kannte uns nun und unser großes Interesse. Sie führte frei mit viel Geist und Kenntnisreichtum. Danke! Da wir durch Zeitzugaben aus der Hast des Vortages herauskamen, konnten wir in Ruhe und entspannt diese beiden Grabanlagen des Barock und der Klassik erleben.

wielandgrab oßmannstedt
Wielandgrab in Oßmannstedt
(Foto: Schulze)

Abends fast alle in Goethes Lieblingsgasthaus "Zum weißen Schwan" direkt neben seinem Haus am Frauenplan: Thüringer Spezialitäten, vor allem die Zwiebelsuppe im Brötchenteig.

Am 23.9.01 Sonntags-Sonnenwetter. 8.30 Uhr Exkursion nach Jena zum Nordfriedhof. Trotz des versöhnlichen Altweibersommmers erschreckte mich hier die DDR-Urnenhain-Monotonie. Auf Kleinarealen sind namenlos Urne neben Urne gesetzt. Der einzige Orientierungspunkt ist ein Steinblock mit der Jahreszahl der Beisetzung: Kolonne auch noch im Tode! Nur einzelne Asternsträuße in der vermuteten Nähe der Urne des Verwandten oder Freundes, mitten auf das Urnenfeld gestellt, lassen die Suche nach individueller Trauer erkennen - sonst sind die Blumen in vorgefertigte Betonlochsteine am Rande zu stecken. Die Kremation ist fast ausschließlich üblich. Diese Entwicklung begann schon Ende des 19. Jahrhunderts. Nicht zufällig ist das erste Krematorium Deutschlands in Gotha so nahe.

Abschließend zum malerischen Alten Johannes-Friedhof mit dem Grab von Dr. Carl Zeiss. Herzlicher Abschied von Frau Dr. Happe. Mittagsrast jetzt um 13.00 Uhr im InterCity-Hotel in Weimar, danach wird die Rückfahrt nach Hamburg beginnen. Auf den 2. Vortragszyklus von Prof. Tarnowski freuen wir uns schon: Frau von Stein, Christiane Vulpius-Goethe und das Schicksal der Goethe-Familie.

Zum Dank schenken wir unserem Vortragenden eine Meißen-Ginkgo-Schale. Dank aber auch an alle die stillen ehrenamtlichen Mitarbeiter, ohne die solch eine erlebnisreiche Exkursion nicht möglich wäre.

Für 2002 ist ein zweitägige Fahrt nach Hannover geplant.

Auflistung alle Artikel aus dem Themenheft Kinder erleben den Friedhof (November 2001).
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