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OHLSDORF - Zeitschrift für Trauerkultur

"Von Rot-Meißen nach Schwarz-Schweden", Gesteinskundliche Führungen über den Johannisfriedhof in Dresden-Tolkewitz

Einleitung – Natursteinforschung in Dresden

Die wissenschaftliche Betrachtung von Natursteinen und deren Anwendungen in Architektur und Kunst beruht in Dresden auf einer langen Tradition. Die ersten in den Inventaren der kurfürstlichen Kunstkammer erwähnten Gesteinsproben lieferte der in Diensten des Dresdner Hofes stehende Italiener Giovanni Maria Nosseni (1544-1620) vor 1586 ein. Nach der Fertigstellung des barocken Dresdner Zwingers wurden 1728 die kurfürstlichen naturkundlichen Sammlungen aus dem Bestand der Kunstkammer ausgegliedert und dort aufgestellt. Dies war die Geburtsstunde eines der ältesten naturwissenschaftlichen Museen der Welt, welches heute noch als Museum für Mineralogie und Geologie der Senckenberg Naturhistorischen Sammlungen Dresden existiert. Aus Inventarverzeichnissen des 18. Jahrhunderts geht hervor, dass eine umfangreiche Kollektion von Marmor- und Kalksteinproben existierte. Die Sammlungen waren in der Folgezeit immer wieder gefragt, wenn es darum ging, gleiches oder ähnliches Material für Restaurierungen an Architektur- und Kunstdenkmälern zu ermitteln. Nach der Zerstörung Dresdens im Zweiten Weltkrieg setzte auf dem Feld der Baugesteinsforschung eine intensive Tätigkeit ein, ohne die beispielsweise der Wiederaufbau der katholischen Hofkirche, des Dresdner Zwingers und der Semperoper nicht möglich gewesen wäre. Dresden war auch immer Wirkungsstätte namhafter Bildhauer. Balthasar Permoser (1651-1732), Lorenzo Mattielli (1688-1748), Johannes Schilling (1828-1910) und Robert Diez (1844-1922) haben Werke von besonderer Bedeutung in Dresden geschaffen.

Führung
Gesteinskundliche Führungen über den Johannisfriedhof in Dresden-Tolkewitz.
Foto: Lange

Mit gesteinskundlichen Aspekten in der Architektur Dresdens haben sich in der Vergangenheit verschiedene Fachleute befasst (z. B. Beeger 1992, Siedel, Lange & Heinz 2009). Die petrographische Inventarisierung auf Friedhöfen wird dagegen erst seit dem Jahr 2009 praktiziert und kommuniziert. Neben Publikationen (Heinz, Kaden, Lange & Teichmann 2009, Börner, Heinz, Kaden & Lange 2011), verschiedenen Beiträgen in der Dresdner Tagespresse und einem Rundfunkbeitrag, hat sich dabei das Angebot einer gesteinskundlichen Führung über den Johannisfriedhof in Dresden-Tolkewitz als erfolgreich erwiesen.

Grabstätte Münster
Grabstätte Münster. Mikrogabbro Schwarz-Schwedisch.
Foto: Kaden

Bemerkenswerterweise kam der Anstoß zur "Grabsteinpetrographie" über die Beschäftigung mit dem Dresdner Werk des für Hamburg so bedeutsamen Fritz Schumacher (1869-1947). Er wirkte von 1899 bis 1909 als Professor an der Technischen Hochschule in Dresden und entwarf neben dem Krematorium auch ein Grabmal auf dem Johannisfriedhof. Bei einer gemeinsamen Begehung der Autoren und der Suche nach dem Grabmal von Otto Mohr (1869-1942) wurden wir erstmals auf die Gesteinsvielfalt aufmerksam, die auf dem Johannisfriedhof in Dresden-Tolkewitz vorhanden ist. Hinzu kommt, dass kurz vorher die Jahrestagung 2009 des Netzwerkes "Steine in der Stadt" in Dresden mit einem umfassenden Exkursionsprogramm durch den Innenstadtbereich stattfand. Die Idee, eine ähnliche Führung über einen repräsentativen Friedhof Dresdens zu konzipieren und der Öffentlichkeit anzubieten, war schnell geboren.

Grabmal Treu
Grabmal Treu, Marmor Pentéli.
Foto: Lange

Der Johannisfriedhof in Dresden-Tolkewitz

Der Johannisfriedhof wurde im Jahr 1881 geweiht und untersteht der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsen. Die innerstädtischen Friedhöfe kamen durch den raschen Bevölkerungsanstieg nach 1871 an die Grenzen ihrer Kapazitäten und die Stadt Dresden erwarb in der damals noch eigenständigen Gemeinde Tolkewitz Land, um hier den neuen, zentralen Begräbnisplatz der Stadt einzurichten. Als Vorbild zur Anlage des Wegesystems diente der Wiener Zentralfriedhof. Paul Wallot (1841-1912), der Architekt des Reichtagsgebäudes in Berlin, errichtete 1894 die imposante Kapelle. Auf dem Johannisfriedhof sind viele Dresdner Persönlichkeiten, darunter Wissenschaftler, Industrielle, Künstler, Politiker und Wohltäter beigesetzt worden. Deren Grabmalentwürfe stammen zum Teil von namhaften Künstlern und Architekten.

Grabmal Ahrenfeld
Grabmal Ahrenfeld, Marmor Laas.
Foto: Lange

Der Friedhof betreibt seit Jahren eine bemerkenswerte Öffentlichkeitsarbeit. Regelmäßig finden Führungen zu den Gräbern Dresdner Persönlichkeiten statt. Ein Faltplan zum schnellen Auffinden der Grabstätten wurde hierfür erstellt. Zusätzliche Aktivitäten, wie Vorträge über friedhofsrelevante Themen, Konzerte in der Friedhofskapelle, die Vorstellung der Friedhofsgärtnerei ziehen vor allem im September am Tag des Offenen Denkmals und am Tag des Friedhofs ein breites Publikum an. Ein wachsender Kreis engagierter Grabpaten trägt zur Erhaltung der Friedhofsanlage bei.

Grabmal Franze
Grabmal Franze, Rhyolittuff und Urne aus Zöblitzer Serpentinit. Foto: Lange

Gesteinskundliche Friedhofsführungen – eine neue Form der Öffentlichkeitsarbeit in Dresden

Unser Angebot, eine gesteinskundliche Führung über den Johannisfriedhof zu erarbeiten und erstmals am Tag des Friedhofs im September 2009 durchzuführen, stieß auf das Interesse der Friedhofsleitung, die unsere Arbeit in der Folgezeit uneingeschränkt unterstützte. So konnten die Autoren Einsicht in das Friedhofsarchiv nehmen. Die Friedhofsleitung holte die Einverständniserklärungen der Grabstelleninhaber für die Publizierung ihrer Grabmale ein.

Grabmal Hering
Grabmal Hering, Tonsbergit. Foto: Lange

Die Führung erhielt den Titel "Von Rot-Meißen nach Schwarz-Schweden". Rot-Meißen und Schwarz-Schweden sind im Steinhandel übliche Sortenbezeichnungen für zwei traditionelle Grabmalgesteine, ein karminrot gefärbter Granit aus Meißen in Sachsen und ein tiefschwarzer Mikrogabbro aus Südschweden (früher auch "schwarzer schwedischer Granit" genannt).

Grabmal Schulz
Grabmal Schulz, Marmor Groß Kunzendorf.
Foto: Lange

Die Aussagen der Führungen orientieren sich primär an der Gesteinsvielfalt. Zusätzlich wird auf die geologischen Verhältnisse hingewiesen, die das Gelände des Johannisfriedhofs von Natur aus prägen und seine Errichtung an dieser Stelle besonders begünstigten (Sandboden). Damit ist beabsichtigt, bei den Zuhörern die Wahrnehmung geologischer Fakten zu fördern.

Ergänzend dazu geht das Führungskonzept auf Fragen der Steinbearbeitung und dafür relevante gesteinsphysikalische Eigenheiten der Materialien ein. Es wird auf besondere Formen der Gesteinsverwitterung hingewiesen. Mit der Nennung von Herkunftsgebieten der Grabmalgesteine erschließen sich dem Betrachter die einheimischen und europäischen Dimensionen der vorhandenen Materialvielfalt.

Grundsätzlich werden die Führungen von drei Vortragenden veranstaltet, um den Zuhörern eine möglichst breite fachliche Information zu geben und die etwa 2,5 Stunden andauernde Exkursion akustisch abwechslungsreich zu gestalten. Zur Veranschaulichung spezieller Fragen werden kartographische Materialien und Gesteinsbelegstücke an ausgewählten Grabstätten gezeigt.
Weiterhin entstand ein aufwändig gestaltetes Begleitheft in der Reihe GeoKommunen der Senckenberg-Naturhistorischen-Sammlungen Dresden. Es soll zur individuellen Erkundung anregen.

Wissenschaftliche Ergebnisse

Zur Vorbereitung der Führung musste eine umfassende Bestimmung möglichst aller auf dem Friedhof verwendeter Grabmalgesteine erfolgen. Dabei beschränkte man sich auf die Zeit von der Friedhofsgründung 1881 bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges 1945. Innerhalb dieser Periode konnten über 70 Werksteinsorten, in schwierigen Fällen unter Zuhilfenahme der Bau- und Dekorationsgesteinssammlung der Senckenberg Naturhistorischen Sammlungen Dresden, sicher bestimmt werden. Eine geringe Anzahl bleibt einer weiteren Untersuchung vorbehalten. Publiziert in den GeoKommunen wurden davon 42 Werksteinsorten aus zehn europäischen Staaten. Die Nachforschungen sind nicht nur von explizit geowissenschaftlichen Themenfeldern gekennzeichnet, sondern beinhalten sowohl kunsthistorische als auch wirtschaftsgeographische Fragestellungen.

Für das Führungskonzept war eine beträchtliche Recherchearbeit mit in- und ausländischer Literatur erforderlich, die teilweise sehr aufwändig war. Dabei erwiesen sich manche Herkunftsregionen, wie beispielsweise die skandinavischen Länder, als schwierig erschließbare Themenfelder. Sowohl die spärlich vorhandene Literatur als auch die vor mehr als 100 Jahren gebräuchlichen Natursteinsorten stellten bei der Bestimmung eine besondere Herausforderung dar. Neben den im Deutschen Reich oft verwendeten attraktiven Sorten wie beispielsweise Vånevik-Granit, Lysekil-Granit oder dem Mikrogabbro "Schwarz-Schwedisch" erbrachten unsere Recherchen auch den Nachweis für in Dresden selten verwendete Dekorationsgesteine. Einmalig dürfte die Verwendung von Tønsbergit, einem roten Syenitgestein aus dem Oslo-Fjord, sein, der an nur einer Grabstätte gefunden wurde. Etwas häufiger ist dagegen die Verwendung von grünlichem Charnockit von Varberg oder von hochroten Graniten aus der Region um Oskarshamn.

Ausblick – Neue Aktivitäten

Der Johannisfriedhof ist eine Anlage mit vielen gründerzeitlichen Grabmalen. Unmittelbar in südöstlicher Richtung schließt sich der Städtische Urnenhain mit dem Krematorium nach Entwürfen von Fritz Schumacher an. Sein Areal ist von Grabmalen aus der Zeit der Friedhofsreformbewegung geprägt.

Anlässlich des 100jährigen Jubiläums des Städtischen Urnenhains und Krematoriums im Jahr 2011 entstand bei der Friedhofsleitung der Wunsch nach vergleichbaren Untersuchungen. Diesem Anliegen sind die Autoren gern gefolgt und haben ihre Ergebnisse als Heft 3 in der Reihe GeoKommunen veröffentlicht.

Ein besonderes Ergebnis stellt in diesem Zusammenhang die Tatsache dar, dass sich am Beispiel beider Friedhöfe die Grabmalentwicklung über einen längeren Zeitraum darstellen lässt. Dies soll mit einer dritten Führung, die beide Anlagen umfasst, ab September 2011 kommuniziert werden.

Literatur

Beeger, Dieter (1992): Naturstein in Dresden. – Schriften des Staatlichen Museums für Mineralogie und Geologie, 4: 1–119, Dresden.

Börner, Jens / Heinz, Ferdinand / Kaden, Martin und Jan-Michael Lange, (2011): Grabmalgesteine Städtischer Urnenhain Dresden-Tolkewitz. – Miniaturen zur Geologie Sachsens, GeoKommunen, 3: 1–64, Dresden.

Heinz, Ferdinand / Kaden, Martin / Lange, Jan-Michael und Beatrice Teichmann (2009): Grabmalgesteine Johannisfriedhof Dresden-Tolkewitz. – Miniaturen zur Geologie Sachsens, GeoKommunen, 2: 1–64, Dresden.

Siedel, Heiner / Lange, Jan-Michael und Ferdinand Heinz (2009): Bau- und Dekorationsgesteine in Dresden. – Miniaturen zur Geologie Sachsens, GeoKommunen, 1: 1–32, Dresden.

Die Autoren sind erreichbar unter der Adresse: Senckenberg Naturhistorische Sammlungen Dresden, Museum für Mineralogie und Geologie, Sektion Petrographie, Königsbrücker Landstraße 159, 01109 Dresden.

Auflistung alle Artikel aus dem Themenheft Grabmale und ihre Gesteine (Mai 2011).
Erkunden Sie auch die Inhalte der bisherigen Themenhefte (1999-2024).