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OHLSDORF - Zeitschrift für Trauerkultur

Wasser – Gestaltungselement und Versorgung am Beispiel des Ohlsdorfer Friedhofs

Was wäre der Friedhof Ohlsdorf ohne seine Gewässer?

Angelegt nach gartenkünstlerischen Gesichtspunkten sind sie zu wesentlichen Elementen seiner Struktur geworden. So decken sie etwa fünf Hektar der Gesamtfläche ab, und zwar da, wo von Natur aus bereits wasserführende Senken vorhanden waren. Neben der technischen Aufgabe als Vorfluter für Dränageleitungen und Oberflächenwasser von Wegen und Straßen, beleben sie das Friedhofsbild und bilden zugleich eine Hilfe zur Orientierung in der weiträumigen Friedhofslandschaft. Hinzu kommt ihre Bedeutung als Lebensraum für Fauna und Flora, sowohl im und unter Wasser als auch an den Uferrändern. Die Teiche sind unterschiedlich und zeittypisch geformt: Im Cordesteil haben sie der Natur nachempfundene Uferverläufe und sind eingebettet in ein topografisch bewegtes Gelände. Im Linneteil dagegen herrscht die Geometrie vor mit ihren eckigen Formen und gradlinigen Böschungen. Durch Schmutzeintrag und Laubfall sind die Teiche sehr nährstoffreich geworden und z. T. erheblich verschlammt. Dies wirkt sich in Verbindung mit der Beschattung durch Uferrandgehölze leider negativ auf ihren hydrobiologischen Zustand aus. 1998 wurde erstmals in den Perlenteichen eine biotechnische Entschlammung mit Erfolg angewendet. Durch Sauerstoffanreicherung ließ sich der vorhandene Schlamm um etwa 50% verringern. Eine allmähliche Verlandung, insbesondere bei fehlendem oder zu geringem Zu- und Abfluss, ist naturgemäß bei allen Teichen zu erwarten und unabänderlich. Sie bedürfen daher einer kontinuierlichen Pflege.

Teiche im Cordesteil des Friedhofes

Der Nordteich ist idyllisch gelegen und hat noch einen erkennbaren Zu- und Ablauf. Vor 1884 wurde hier eine aufgestaute Senke des "F(a)ulen Moores" als Viehtränke genutzt. Das Moor zog sich in östlicher Richtung hin. Seine beiden Quellbäche speisten bis 1959 noch den Nordteich. Im Zuge gewaltiger Umgestaltungsarbeiten am Stillen Weg wurden dann diese teilweise verrohrt oder zugeschüttet. Drei stille Gewässer deuten heute noch darauf hin. Der Abfluss des Nordteiches nach Westen bildet eine Art Bach mit entsprechenden feuchten Zonen und einer vielfältigen Krautflora. Dieser nur zeitweise wasserführende Bachlauf erstreckt sich bis zur Senke in der sog. Dichterecke. Der sandige Untergrund bis dorthin erfüllt die Aufgabe der Versickerung auch heute noch.

Der Südteich, ebenfalls ein "Kuhteich", wurde 1889 ausgebaut und zusammen mit dem dahinterliegenden Rosengarten in eine malerische Friedhofslandschaft eingebettet. Seine Insel konnte früher über Brücken erreicht werden, eine von ihnen ist die schmiedeeiserne auf dem Weg zum Rosengarten. Sie stand einst in einer Wegeachse, die vom Cordesbrunnen über die Straße nach Süden auf die Insel führte und stammt aus der im gleichen Jahr ausgerichteten Hamburger Gewerbe- und Industrieausstellung in den Wallanlagen. Das von hier abfließende Teichwasser gelangte über ein wohldurchdachtes Rohrsystem in die Alster. Es war so angelegt, dass auch Straßenbäume auf dem Friedhof bewässert werden konnten. In einer Friedhofsbeschreibung aus jener Zeit ist zu lesen: "Bei größerem Andrange wird das Wasser von einem Rohrwerke aufgenommen und in die Thalstraße geführt. Hier vertheilt es sich im Boden, und zwar ist zwischen den Alleebäumen das Rohr unten offen, so daß das Wasser von einem Rost von Drainageröhren den Wurzeln zur Bewässerung zugeführt wird. Angebrachte Ventile gestatten jederzeit eine Regulierung der ablaufenden Wässer". Heutzutage wird das abfließende Wasser dem öffentlichen Regenwassersiel in der Fuhlsbüttler Straße zugeführt.

Nymphenteich
Partie am Nymphenteich mit Blick auf das Mausoleum Putkamer
Foto: P. Schulze

Die sechs kleinen, fast kreisrunden Teiche, aufgereiht wie an einer Perlenschnur, in der Nähe der Südallee hinter Kapelle 10 werden als Perlenteiche oder Cordesteiche bezeichnet. Ihre idyllische Lage am Friedhofszaun ist nicht sehr bekannt. Mit dem nahegelegenen Bramfelder See bilden sie und ihr Umfeld einen beachtlichen Biotopverbund. Hier sind zahlreiche Wasservögel zu beobachten, auch der Fuchs soll hier schon auf Fischfang gesehen worden sein. Die vor Jahren abgeflachten Uferränder haben sich positiv auf den Bestand an Amphibien ausgewirkt. Leider wurden in den 1960er Jahren zwecks Schaffung von Belegungsflächen die Verbindungen der Teiche untereinander verrohrt.

Zwei weitere, aber wenig beachtete kleine Teiche, sind der Ostteich vor der Kapelle 3 und der Nymphenteich inmitten des Mausoleum-Ensembles bei Kapelle 7. Cordes komponierte sie stimmungsvoll in die Friedhofslandschaft hinein. So wie er es auch mit zahlreichen Bodensenken machte, in die Oberflächenwasser hineingeführt wurde, um dort zu versickern. Heute sind sie bewachsen, überwuchert und kaum mehr zu erkennen, bis auf die "Bischofskuhle" an der Norderstraße.

Teiche im Linneteil des Friedhofes

Der Prökelmoorteich im Norden an der Grenze zum Stadtteil Wellingsbüttel war ehemals ein Moortümpel, der 1928 zu einem kreisrunden Teich von etwa 120 m Durchmesser mit terrassenförmig ansteigendem Gelände geformt wurde. Dieser und die folgenden Teiche dienen auch als Vorfluter für das im angrenzenden Wohngebiet Wellingsbüttel anfallende Oberflächenwasser. Sie gelten wasserrechtlich als öffentliche Gewässer II. Ordnung und folgen dem natürlichen Abfluss des ehemaligen Prökelmoores nach Süden in den Bramfelder See.

Inselteich
Friedhofsgestaltung mit Zirkel und Lineal: Historische Aufnahme von Prökelmoorteich und Inselteich im Linne-Teil des Ohlsdorfer Friedhofs. Blick nach Süden.
Foto: Archiv Förderkreis Ohlsdorfer Friedhof e.V.

Zunächst schließt ein kanalartiger Wasserlauf an, der Inselkanal, und dann der Inselteich, dessen Insel zahlreichen Enten und Gänsen Unterschlupf und Nistgelegenheit bietet. Das massenhafte Auftreten von Graugänsen ist u.a. auf die Unsitte von Besuchern zurückzuführen, die aus falsch verstandener Tierliebe die Vögel füttern und damit ihrer Massenvermehrung Vorschub leisten.
Der südlich der Mittelallee folgende kanalartige Teich verbindet den Inselteich mit dem T-Teich im Süden. Wegen seines z-förmigen Verlaufs wird er Z-Teich genannt. Der abschließende T-Teich ist ein etwa 1 ha großer und streng geometrisch angelegter Teich, der im Grundriss dem Buchstaben T ähnelt. Die strenge Form wird durch die auf der Uferböschung gepflanzten Trauerbuchen unterstrichen. Von hier aus fließt das Wasser durch einen unterirdischen Kanal in den Bramfelder See.

Eine Wasserversorgung für den Friedhof

Nach seiner Gründung 1877 verfügte der Friedhof mehr als 40 Jahre lang über eine eigene Wasserversorgung. Wind-, gas-, petroleum- und zuletzt benzingetriebene Motoren pumpten das Wasser aus mehreren Brunnen, anfangs auch aus dem Nordteich, in unterschiedliche und hoch liegende Wasserspeicher. Sie drückten es dann in ein flach verlegtes Leitungsnetz, in die sog. Sommerleitung. Diese besteht im Prinzip noch heute. Wegen Frostgefährdung muss sie jedoch für die Winterzeit im Herbst entleert werden. Die Speicher wurden geschickt architektonisch ummantelt und in die Friedhofslandschaft eingefügt. Zwei von ihnen bestehen noch heute, obwohl sie seit 1919 außer Betrieb sind. Damals nämlich erfolgte der Anschluss an das städtische Leitungsnetz, um u. a. auch mit Trinkwasser versorgt zu sein. In ihrer aufwendigen Architektur und nach einer Restaurierung sind die Wassertürme nunmehr zu Denkmälern der technischen Hygieneeinrichtung geworden – und damit wieder zu wichtigen Bestandteilen des Gesamtkunstwerkes Friedhof Ohlsdorf.

Wasserturm
Wasserturm von 1898 an der Cordesallee.
Foto: J. Meinert

Der Wasserturm von 1898 an der Cordesallee ist ein von Bäumen nunmehr leider teilweise verdeckter Orientierungspunkt auf einem der höchsten Punkte des Friedhofs. Er ist als "abschließender Augenpunkt" am Ende der Straße und an der damaligen östlichen Friedhofsgrenze nach Plänen von Wilhelm Cordes errichtet worden. In seinem Äußeren entspricht er mit seinen historisierenden Stilelementen jenen Kapellenbauten, die ebenfalls von Cordes stammen. Der Turm enthält keine Speicherbehälter mehr. Über eine Treppe erreicht man das Innere der neugotischen Turmhaube und hat von hier aus einen eindrucksvollen Blick in die Baumwelt des Friedhofs. Als damals der Friedhof an die unbebaute Bramfelder Feldmark grenzte, konnte der Blick nicht nur bis zur Bramfelder Kirche, sondern weiter bis zum Kirchturm am Wandsbeker Markt schweifen. So belegen es alte Fotos.

Wasserbassin
Mainsandsteinsäulen und schmiedeeisernes Gebälk der Überdachung am Wasserbassin Klein Borstel. Foto: P. Schulze

Der oben offene Wasserbehälter von 1912 an der nördlichen Friedhofsgrenze steht auf dem höchsten Punkt der ehemaligen Klein Borsteler Feldmark, der Friedhofserweiterung nach der Jahrhundertwende. Er dient heute noch als wetterfester Unterstand für Friedhofsbesucher. Auch seine Gestaltung fügt sich in das kunstvolle Gesamtbild der Friedhofsbauten ein. So greifen die Sandsteinsäulen der Überdachung ornamentale Motive des Verwaltungsgebäudes auf, das ein Jahr zuvor in Benutzung genommen worden war. Das als tragendes Gebälk umlaufende schmiedeeiserne Gitter findet sich in ähnlicher Form an Wegweisern und Geländern wieder.

Beide historische Wasserspeicher sind im Rahmen einer Arbeitsbeschaffungsmaßnahme durch die Beschäftigungsgesellschaft "Arbeit und Lernen Hamburg GmbH" von 1989 bis 1991 bzw. von 1988 bis 1992 grundlegend restauriert worden. Dabei wurden die Speicherbehälter entfernt. Die feierliche Übergabe der beiden Türme an die Verwaltung erfolgte im Januar 1992. Sie war mit einer Ausstellung über Wassertürme auf dem Friedhof verbunden. Seit 2007 dient das Innere des Turmes dem "Verein Garten der Frauen e. V." im Sommer als gediegener Ausstellungsraum auf mehreren Etagen.

Auflistung alle Artikel aus dem Themenheft Friedhof und Wasser (August 2010).
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