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OHLSDORF - Zeitschrift für Trauerkultur

Arthur Bocks Denkmal auf dem Mennonitenfriedhof Hamburg-Altona im Kontext der NS-Diktatur

Arthur Bocks 1937 errichtetes Denkmal auf dem Mennonitenfriedhof Hamburg-Altona ist point de vue einer beeindruckenden Anlage historischer Grabplatten, die vom ersten, damals längst geschlossenen Gottesacker der Altonaer und Hamburger Mennoniten überführt worden waren.

Das Monument besteht aus einer geklinkerten Wand mit einem vorspringenden Mittelteil und dem Bronzerelief einer aufschwebenden "Psyche". Eingeweiht wurde das Denkmal zusammen mit der genannten Anlage historischer Grabsteine am 28. November 1937. Es handelt sich um einen für die Mennonitengemeinde – dieser relativ kleinen Gemeinde in der Täufertradition stehender Protestanten, einstiger Glaubensflüchtlinge – historisch bedeutsamen Platz. Über ihn schrieb der damalige "Gemeindeälteste" Otto Schowalter in einem zeitgenössischen Presseartikel: "Mit dieser Anlage ist eine einzigartige historische Stätte neu entstanden … Hier sind die Inschriften auf den Platten nun erst lesbar, die Zeugnis geben von den alten Familien der Gemeinde, die mit der Geschichte der beiden Städte Altona und Hamburg unauflöslich verbunden sind …"

Allerdings geben der von der Mennonitengemeinde beauftragte Bildhauer und sein Werk einigen Anlass zur Nachdenklichkeit. Mit Arthur Bock errichtete ein Hamburger Künstler das Denkmal, der zur selben Zeit, also nach mehr als vier Jahren NS-Diktatur, auch eine Bronzebüste für Wilhelm Gustloff schuf – jenem Leiter der NSDAP-Auslandsgruppe Schweiz, der am 4. Februar 1936 in Davos einem Attentat zum Opfer gefallen und anschließend zum nationalsozialistischen Märtyrer stilistisiert worden war. Arthur Bocks Gustloff-Büste hatte im damals neueröffneten, nach Plänen des NS-Architekten Paul Ludwig Troost errichteten Haus der Deutschen Kunst in München einen "Ehrenplatz" gefunden. Diese Einrichtung wurde am 18. Juli 1937 durch Hitler persönlich eröffnet – ein von der gleichgeschalteten Tagespresse ausführlich gefeiertes Ereignis. Das "Hamburger Fremdenblatt" berichtete mehrfach auf den Titel- und nachfolgenden Seiten und wies dabei immer wieder auf den nationalsozialistischen Charakter der Ausstellung hin: "Denn in diesem Hause werden nur Werke Platz finden, die der Weltanschauung des deutschen Volkes entsprechen, … selbstverständlich nur von Künstlern deutschen Blutes."

Arthur Bocks monumental-blockhafter Stil und seine heroisch, ja "germanisch" wirkenden Figuren drückten so sehr konservativ-gegenläufige Tendenzen zur Moderne aus, dass sie nationalsozialistischen Kunstvorstellungen kaum zuwider liefen. Auch im Denkmal für den Mennonitenfriedhof glaubte Otto Schowalter "deutsche Ausdruckskraft" zu erkennen. Diese "deutsche Ausdruckskraft" war auch schon zuvor in den teils pathetisch gefärbten Grab- und Denkmälern von Arthur Bock sichtbar geworden.

Was brachte nun die Hamburger und Altonaer Mennonitengemeinde dazu, in der Zeit der NS-Diktatur das Werk eines Bildhauers aufzustellen, der in so starkem Maße anti-moderne Zeitströmungen repräsentierte und sich in die Phalanx der NS-Kunst einreihen ließ? Die Verschmelzung der vom Gemeindeältesten Otto Schowalter postulierten Traditionsverbundenheit und der Anpassung an die NS-Diktatur erweist sich bei näherem Hinsehen als nicht untypisch für das Verhalten der Mennonitengemeinde. Die in Jahrhunderten gewachsene Sorge um den Fortbestand der kleinen Gemeinde war in eine Form der "Überanpassung" gemündet. Zwar wurden nicht erst jetzt zentrale Säulen der eigenen Überzeugung in Frage gestellt, wie die ablehnende Haltung gegenüber der Wehrpflicht, aber in der Zeit der Diktatur hätte das ausdrückliche Festhalten an diesen Traditionen ein Zeichen des Protestes und des Widerstandes setzen können. Dies geschah jedoch nicht. Im Gegenteil: Die Mennoniten waren bereit, um der Harmonie mit den politischen Machthabern willen ihre religiösen Ansprüche zu opfern.

Arthur Bock verkörperte hier mit seinen bildhauerischen Werken Tendenzen einer angepassten Kunst, die im pathetischen Rückgriff auf eine vermeintlich heroische Vergangenheit ihren Anker fand. Sie bildete den konservativen Gegenentwurf zu jener Welt der bürgerlichen Moderne, die den Nationalsozialisten so verhasst war. So repräsentierte die Wahl des Bildhauers Arthur Bock, der ja künstlerisch keineswegs zur ersten Garnitur zählte, für die mennonitische Gemeinde eine Art Arrangement mit der NS-Ideologie – schließlich handelte es sich bei der Anlage, wie eingangs dokumentiert, um einen zentralen Schauplatz mennonitischer Geschichte.

Anm. d. Verf.: Bei diesem Beitrag handelt es sich um leicht überarbeitete Auszüge aus dem in den Mennonitischen Geschichtsblättern 52, 1995, S. 122-134, veröffentlichten Aufsatz von Norbert Fischer und Susanne Woelk: "'Gewidmet den Toten …': Der Mennonitenfriedhof in Hamburg-Altona"; hier abgedruckt sind nur die vom Autor selbst verfassten Passagen. Für die Einzelnachweise der Zitate und Quellen sei auf den genannten Aufsatz verwiesen.

Auflistung alle Artikel aus dem Themenheft Der Bildhauer Arthur Bock (November 2007).
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