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OHLSDORF - Zeitschrift für Trauerkultur

Glaube, Liebe, Hoffnung: Christliche Botschaften auf dem Ohlsdorfer Friedhof

Bestimmt nach einer Begräbnisordnung von 1882 "zur allgemeinen Begräbnisstätte" und von Anfang an als kommunale Anlage gedacht, ist der Friedhof Ohlsdorf in Hamburg Zeugnis der säkularisierten Großstadtwelt des Industriezeitalters.

Durch seine Offenheit für alle Religionen und Bekenntnisse, seine Gestaltung als Parkfriedhof und seine Ausdehnung macht der Ohlsdorfer Friedhof es deshalb nicht immer leicht, die Fülle der Spuren einer christlich geprägten Gesellschaft gezielt zu finden. Wer durch den Haupteingang ankommt, wird bald linker Hand im Althamburgischen Gedächtnisfriedhof von einer großen Christus-Figur aus weißem Marmor begrüßt und gesegnet; gleich dahinter stößt der Besucher häufig auf Engel und Kreuze, besonders dort im älteren Teil des Friedhofs.

I. Grabkreuze

Die Verwendung des Kreuzes in Verbindung mit einem Grabmal geht auf altchristlichen Brauch zurück und wird nach 1800 außerordentlich beliebt. Material, Größe und Verarbeitung verändern sich je nach Anlass und Herstellungszeit. Typisch für das 19. Jahrhundert sind seriell gefertigte gusseiserne Kreuze – davon blieben wenige übrig (siehe „Eisenkunst in der Ohlsdorfer Grabmalkultur“ in: "Ohlsdorf" Nr. 90). Dagegen haben sich vor allem die ab 1850 und bis zum Ersten Weltkrieg häufigen steinernen Kreuze mit eigenem Sockel auf einem Fundament erhalten. Schlicht oder reich geschmückt, gibt es davon viele Varianten – wie etwa das Grabkreuz Lanezarri von 1868 aus Marmor auf einem achteckigen Postament mit Säulchen und Spitzbogen, Grablage W 11, das irische Grabkreuz "Susie" von 1880 im Heckengarten-Museum oder die vielen "Astkreuze" aus Sandstein, die Holz ähneln und wie beim Beispiel Steffen von 1904 auf der Freilichtanlage rechts vom Museum oft mit einem Grottenmotiv verbunden sind.

Susie
Irisches Kreuz "Susie" (Foto: Behrens)

Grabkreuze gibt es bis 1918 in unterschiedlichen Größen – kleine, einem Hauptgrabmal zugestellte Nebenkreuze, häufig aus weißem Marmor, für Kriegstote meistens aus Holz; hohe Holzkreuze für private oder gemeinschaftliche Zwecke (siehe „Holzkreuze auf Hamburgs Friedhöfen“ in: "Ohlsdorf" Nr. 89); und große steinerne Kreuzgrabmale für Familiengräber, die vor allem im südlichen Areal des Waldgürtels zu finden sind. Bei diesen letzteren Grabkreuzen, die bis zum Ende des Ersten Weltkrieges nicht selten eine Höhe von fünf Metern erreichen und meist aus drei Teilen zusammengesetzt sind, wird vorzugsweise schwarzer Granit verwendet. Beeindruckend und außergewöhnlich ist das Grabmal Schüler von 1919/1921 aus einem findlingsartigen behauenen Felsen mit einem Kreuz in einer riesigen Hand und der Inschrift "Golgatha" (Grablage M 25).

Ab 1920 und nach der Grabmalreform werden Kreuzgrabmale meistens aus Stein gefertigt; deren Form und Ausmaß orientieren sich an den schlichten Stelen der Neuanlagen, und der häufig nur kurze Querbalken setzt in unterschiedlicher Höhe des Hauptpfahles an, wie bei dem Grabkreuz Willich von 1928 (AA 26). Auf den Kreuzarmen ist oft ein Bibelspruch eingehauen. Höhere Kreuze mit Ornamenten und auch figürlichen Reliefs werden gerne an repräsentativen Wegen des neuen Friedhofsteils errichtet, zu Beginn der 1930er-Jahre auch wieder im alten Teil. In der Dekoration herrschen christliche Motive vor, wie zusätzliche Kreuzsymbole, Bibelsprüche, Christusköpfe und -körper, das Lamm und Engelsfiguren, XP- und Alpha/Omega-Zeichen wie im Kreuzpunkt des Grabkreuz Blinde von 1950 (AF 19).

II. Engel

Die himmlischen Wesen, Diener und Boten Gottes und biblisch vielfach bezeugt, haben ihre Vorläufer in der antiken Zeit. Auch in Ohlsdorf hat der populäre Engelskult des 19. Jahrhunderts das Bild des Friedhofes geprägt – nach der weiblichen Trauernden bilden Engel die zweithäufigste Motivgruppe. Die Verwandtschaft zwischen allegorischer Trauerfigur und Engel ist sehr eng. Da über das Thema sehr viel geschrieben worden ist, werden hier nur stellvertretend einige schöne Beispiele genannt.

Tröstend, schwebend, sitzend, segnend, betend, manchmal mit Rose oder Palmwedel, sind Engel meistens in weiblicher Gestalt dargestellt und lassen sich nicht immer leicht von Putten und Todesgenien unterscheiden. Sehr gut vermittelt wird das zum Himmel Hinaufschweben bei dem großen Bronzeengel von 1886 auf der Grabstätte Laeisz oder beim kleinen Engel Wuttge von 1899 aus weißem Marmor, auch sehr plastisch der herabschwebende Engel Cohrs als Bronzerelief von 1906/07 mit Fackel und Sanduhr. In der christlichen Ikonographie ist der sitzende Engel besonders als Engel am Grabe des Auferstandenen vertreten: So sitzt einer beim Grabmal Eberbach/Neckelmann von 1895 auf Stufen vor dem Grab Christi und weist zum Himmel hin (V 22).

Grabmal Wuttge
Grabmal Wuttge (Foto: Behrens)

Auch wenn die Zahl der Engel, vor allem der Galvanoplastiken, nach 1920 merklich abnimmt, bleiben sie bis heute noch beliebt. Ein eindrucksvoller betender Engel aus Kalkstein vom Bildhauer Richard Kuöhl kniet auf der Klinker-Grabstätte Brückner von 1920 (AD 36), ein anderer, zur Seite schwebend, ist auf dem Grabmal Plüschau von 1921 zu sehen (S 21) – ähnlich wie links und rechts die beiden seitlich schwebenden Engel von Kuöhl auf dem Krematorium, das 1933 fertig wurde. Auch moderne Künstler nehmen das Thema weiter auf, wie 1941 beim Grabmal für den Bildhauermeister Franz Herzog mit einem auf Wolken schwebenden Engel aus weißem Marmor oder 1961 beim schützenden Engel "Prophet und Genius" von Gerhard Marcks am Haupteingang rechts von der Cordes-Allee.

III. Christus-Darstellungen

Im Vergleich zu Kreuzen und Engeln sind diese Darstellungen seltener. Am häufigsten begegnet man dem stehenden Christus – zum Beispiel aus Marmor mit weitem Gewand und ausgestreckten, geöffneten Armen beim Denkmal für die Opfer der Primus-Katastrophe von 1902; oder aus Bronze wie bei den Grabstätten Beckmann und Hoefle, beide von 1903, auch als Galvanorelief beim Grabmal Albers von 1916 und durch den Spruch "Kommet her zu mir" ergänzt (P 19) – alle drei letzteren mit ausgebreiteten Armen im Segengestus nach Thorvaldsen.

Beckmann
Grabmal Beckmann (Foto: Behrens)

Vielfach können Gestaltung, Ausdruck, Faltenwurf und Haltung der Hände je nach Darstellung variieren, je nachdem ob Christus als Erlöser, Mittler und Lehrer oder Leidender am Kreuz verstanden wird. Auch er weist zum Beispiel mit einer Hand auf den Himmel hin wie bei der oben erwähnten überlebensgroßen Christusfigur auf dem Althamburgischen Gedächtnisfriedhof – mit erhobener rechter Hand und der linken am Herzen. Diese Figur, nach einem Entwurf von Wilhelm Cordes von dem Bildhauer Xaver Arnold zwischen 1903 und 1905 geschaffen, wurde dem Friedhof von dem Hamburger Kaufmann und Reeder Friedrich Wencke (1842-1905) gestiftet und am 22. Juli 1905 unter großer Anteilnahme der Bevölkerung feierlich enthüllt.

Ausnahmsweise wird bei der Grabanlage Heye/Nonne ein segnender Christus sitzend dargestellt (1919, V 20), an anderen Stellen, wie auf dem linken Relief von Bruno Kruse im Mausoleum von Ohlendorff (1899/1900, AA 21/22) und beim Grabmal Cornehls von 1903 (Z 22), wird er nicht allein, sondern mindestens zweimal mit Kindern abgebildet. An der Grabstätte Kayser von 1908 finden wir eine rührende Darstellung aus weißem Marmor: Christus zieht eine kniende Frau an ihrem linken Arm zu sich hoch, während er die freie Hand tröstend auf ihren Kopf legt (Q 24). Auf dem rechten Relief am Mausoleum von Ohlendorff steht er als Mittelpunkt bei der Auferweckung des Lazarus.

Christus als "der gute Hirte" kommt selten, aber doch gelegentlich vor. Er ist 1906 schon über dem Eingangsportal des Mausoleums von Schröder im Schlussstein der Archivolte mit dem Relief eines lammtragenden Jünglings aus rotem Mainsandstein abgebildet. Beim Grabmal Mitgaard von 1927, westlich vom Prökelmoorteich, hält eine mannshohe expressionistische bronzene Christusfigur auf einem Sockel mit beiden Armen das Lamm auf den Schultern.

IV. Weihnachten und Mariendarstellungen

Eine Schilderung von Christi Geburt ist in Ohlsdorf kaum vorhanden. Die bekannten und schönen Weihnachtsreliefs von Xaver Arnold bei der Grabstätte Wencke von 1904 (V 26) bilden die Ausnahme: Dargestellt wird die Anbetung durch musizierende Engel mit dem Kind, sitzend und segnend auf Marias Schoß. Darüber ist auf einem Schriftband "Ehre sei Gott in der Höhe" zu lesen, rechts von einem Tannenbaum ebenfalls "Frieden auf Erden" bei einer weihnachtlichen Szene aus der Zeit der Entstehung des Grabmals. Bis auf eine expressionistische Heilige Familie, gleich zweimal vertreten auf den Stelen Malzacher, ehemals Ulmer (R 9) und Antolkovic (AB 32), bleibt Jesus als Kind selten dargestellt – es sei denn im Zusammenhang mit Mariendarstellungen.

Von den katholischen Christen in Hamburg zeugen auf dem Ohlsdorfer Friedhof schöne Spuren der Marienverehrung. Eine der älteren Darstellungen, eine bekrönte Marienfigur mit dem Christuskind auf dem rechten Arm und in langem, herabfallendem Gewand, steht auf einem Podest beim Grabmal Eggers von 1904 und wurde vom Bildhauer Ludwig Kunstmann geschaffen (Z 22). Sehr lebendig beim Grabmal Behn von 1917 ist eine sitzende Madonna von Ludwig Dasio, die auf ihrem linken Oberschenkel ein stehendes nacktes Christuskind hält (Z 19).

Behn
Grabmal Behn (Foto: Behrens)

Ganz anders dagegen wirken expressionistische Werke wie beim Grabmal Kuöhl von 1931 die Mariensäule mit verschränkten Armen ohne Kind, geschaffen von Richard Kuöhl, oder die Mantelmadonna Piel mit nacktem Jesuskind auf dem Schoß, das, wie auch seine Mutter, die Arme offen hält (Y 10 und W 11). Mariendarstellungen gibt es häufiger in jüngerer Zeit. Eine Säule mit einer betenden, in sich gekehrten Maria mit geschlossenen Augen trifft man zweimal links vom Haupteingang bei den Grabmalen Tautzt, undatiert (R 3), und Nitsch von 1957 (Q 7). Ein anderes schönes modernes Beispiel ist die stehende bronzene Madonna von 1986 beim Grabmal Rose (M 12) rechts an der Cordes-Allee; sie trägt ein nacktes, auch stehendes Christuskind, das als fröhlicher Weltherrscher mit offenen Armen und Weltkugel dargestellt wird.

V. Passion...

Hauptsächlich bei den katholischen Grabfeldern (Bl/Bk 69) in der Nähe der Kapelle 13 trifft man auf Darstellungen der Passion Christi, vor allem auf Kruzifixe. Kreuztragung und Kreuzigung werden selbstverständlich unter verschiedenen Stationen beim Kreuzweg des Egino Weinert von 1984 auch dort dargestellt, viel seltener aber auf Grabmälern: Zwei Beispiele sind dennoch in Ohlsdorf zu sehen, eine Kreuztragung von Arthur Bock auf der Galvanoplastik Abbus, ehemals Sievers (1905/1933, Z 24), und beim Grabmal Wield eine pathetische Kreuzigung mit Johannes und zwei Frauen von dem Bildhauer Friedrich Wield (1940, G 19).

Sievers
Grabmal Sievers (Foto: Behrens)

Häufiger dagegen und auf dem ganzen Friedhof verteilt findet man Darstellungen des gekreuzigten Christus. Die älteste aus dem späten 17. Jahrhundert mit barocken Engeln und flatterndem Lendentuch, antiquarisch erworben und 1922 in der Nähe der Kapelle 10 neu aufgestellt, ist das Grabmal Waltfried (Q 30). Ein schönes "klassisches" Kruzifix, wo der Christus sichtbar leidend hängt, gehört der Sterbekasse der Katholischen Brüderschaft und befindet sich auf dem katholischen Grabfeld; nicht weit entfernt steht ein gewaltiges Hochkreuz aus Muschelkalk mit stilisiertem Kruzifix aus dem Jahr 1930, wo der Gekreuzigte eine Königskrone trägt und als Sieger wirkt (beide Bm 70). Der triumphierende Christus wird noch einige Male dargestellt; so beim Grabmal Gottschalk von Georg Wrba mit der Inschrift "Tod, wo ist dein Stachel?" (1908, Z 23), desgleichen beim Grabmal Witt von Oskar Witt, begleitet vom Bibelspruch „Mein Reich ist nicht von dieser Welt“ (1940, AF 43), ebenfalls beim Grabmal Deppisch von 1942 mit dem Spruch "Wer an mich glaubt, wird leben"(W 12). Ganz anders wirkt wiederum das expressionistische Terrakotta-Kruzifix von Kuöhl beim Grabmal Weissleder von 1921, das mit dem Bibelzitat "Leben wir, so leben wir dem Herren, sterben wir, so sterben wir dem Herrn" eine aus Klinkern gemauerte Grabwand beherrscht.

Nach der Kreuzabnahme sind dann zwei kunstvolle und herzbewegende Pietà-Darstellungen in Ohlsdorf zu bewundern, beide aus weißem Marmor. Sie befinden sich in der Nähe der Kapelle 7 (AH 17 und AE 19). Die erste ist eine sitzende Maria beim Grabmal des Kunstsammlers Simms; es handelt sich um eine sehr gelungene Kopie von Michelangelos Pietà in St. Peter/Vatikan, 1910 in Rom mit päpstlicher Erlaubnis angefertigt. Beim Grabmal Joesting von 1914 hält eine halb kniende Maria den toten Christus und umfasst ihn an der Schulter; abseits liegt die Dornenkrone.

VI. ...und Auferstehung

Selten wird in Ohlsdorf das für Christen überaus wichtige Geschehnis von Ostern dargestellt. Eine sehr schöne Figurengruppe aus Marmor von 1905/1906 befindet sich auf einem Altarblock, leider innerhalb des Riedemann-Mausoleums und nicht jedem zugänglich. Sie zeigt die drei Frauen am Grabe Christi mit einer knienden Maria-Magdalena und einem sitzenden Engel, dessen rechte Hand auf den Himmel weist. Auf dem bogenartigen Baldachin darüber steht die Inschrift "Den Ihr suchet, der ist auferstanden, er ist nicht hier". Leichter zugänglich ist eine ähnliche Darstellung auf einem Galvanorelief von 1909/1914 beim Grabmal Hofmann, mit den drei Frauen am offenen Grab und einem stehenden Engel (X 29). Ein kleiner Querbalken über dem modernen Grab Rieck von Wolfgang Herzog ist insofern interessant, als er Karfreitag und Ostermorgen durch figürliche Darstellungen verbindet: links die Kreuztragung, in der Mitte die trauernden Frauen, rechts das leere Grab (1975, Bs 70).

Manchmal kann man den Auferstandenen selber auf der Grabmalkunst erblicken. Einmal schwebt er auf Wolken bei den expressionischen Grabmälern Maack aus rotem Sandstein von 1928 und Wippermann von 1929, ein anderes Mal steht er einfach mit der Siegesfahne in der linken Hand bei der Grabstätte Leenen von 1947 (jeweils W 29, Bo 61 und Bn 65). Hinter einem eingeritzten Auferstandenen liest man beim Grabstein Knolle, selbst in angedeuteter Kreuzform, den hoffnungsvollen Spruch "Ich warte auf die Auferstehung der Toten und das Leben der zukünftigen Welt" (1955, AA 8). Beim jüngeren Grabmal Otta weist Christus im Halbrelief auf seine Hände mit den Wunden hin (1987, Q 17).

Christus-Köpfe wie auch Passionsblumen kommen symbolisch als Hinweis auf Passion und Auferstehung oft vor. Ein schöner Fries von Passionsblumen rahmt zum Beispiel die Grabplatte von Bürgermeister Dr. Carl-Friedrich Petersen (1809-1892) ein, auch die – gemischt mit Mohnmotiven – des Chemie-Professors Dr. phil. Otto Krönke (1871-1940) und den oberen Mittelteil über der Skulpturengruppe der Grabstätte Heye/Nonne von 1893 (Grablagen jeweils AA 13, U 22, V 20). Oder sie verzieren die Ecken der bronzenen Tafel von 1902 bei dem Denkmal für die Zuerstbeerdigten von 1877. Beim Grabmal Hoyer von 1900 (AC 11) wird der vollplastische Christus-Kopf mit der Dornenkrone von rankenden Passionsblumen umgeben. So werden zwei Symbole wie zwei unterschiedliche Aussagen miteinander verbunden. Im Giebelrelief über dem Eingang vom Mausoleum Höpfner von 1909/10 sind es dagegen rankende Dornen, die den Kopf umkreisen (AH 16). In den 1930er- und Anfang der 1940er-Jahren werden viele Stelen und Kreuze von einem Christus-Kopf geschmückt, der üblicherweise von vorne (selten seitlich) mit Dornenkrone und geschlossenen Augen dargestellt wird. Ein schönes Beispiel wird bei der Stele Harms zusätzlich von dem Spruch "Herr, Herr, vergib uns bitte unsere Schuld" umgeben (1939, Bq 73). Mit offenen Augen, ohne Krone, aber mit sichtbaren Spuren auf der Stirn bildet der Kopf des Auferstandenen auf der hohen, pfeilerartigen Stele Arand eine Ausnahme, 1942 vom Bildhauer Ludwig Kunstmann geschaffen (R 7-8/S 7-8).

Das meist stehende Lamm, das die Siegesfahne des Auferstandenen trägt, ist ebenfalls ein Symbol, das nach 1920 und besonders in den 1930er-Jahren mehrfach verwendet wird: So zum Beispiel auf der expressionistischen Breitstele der Grabstätte Haubold (1926 ?, AA 26) auf dem sogenannten "Professorenfeld" oder auf den Grabmalen Wilsarth und Greineisen, beide von 1935 (Bq 65 und U 21); ebenfalls auf dem Grabmal Uhrlau von 1939, das jetzt vor dem Museum auf der linken Musealanlage steht, und auch auf vielen Steinen der britischen Soldatengräber. Selten liegt es, wie beim Grabmal Wüstefeld von 1942 im Zentrum des Kreuzes (V 25). Der Spruch "Ich bin der gute Hirte und erkenne die Meinen" mit Lamm und einem kleinen Kreuz auf dem modernen Grab Weniger von 1996 (R 7) beweist, dass das Motiv heute noch beliebt ist.

VII. Andere christliche Symbole

Es gibt außerdem eine ganze Reihe anderer Symbole als Hoffnungsträger des christlichen Glaubens in Ohlsdorf. Zu den wichtigen gehört die Taube mit Ölzweig im Schnabel nach der Sintflut als Sinnbild der Versöhnung der Menschen mit Gott und des Friedens. Drei besonders schöne Tauben sind hier erwähnenswert: Eine sehr plastische auf dem hohen roten Sandsteinblock der Grabanlage Meincke von 1893, eine weiße mit goldenem Nimbus und grünem Zweig aus Mosaik bei der Grabstätte Eckler von 1905 und eine vom Himmel herabfliegende beim expressionistischen Grabmal Rolf von 1927 – gleichzeitig Symbole für den Heiligen Geist (Grablagen V 21, P 8 und Z 29).

Besonders in den 1930er-Jahren kommen als Symbole des Abendmahls Ähren und Wein sehr oft vor. Häufig, auch in allen Varianten, die aufgehende Sonne als Glaubenszeichen der Auferstehung, vor allem, wenn ein Kreuz davor steht wie bei der Stele Seifert von 1938 (U 14) und äußerst selten dazu der Vermerk "Hier ruht in Gott…" Selten werden die Evangelistensymbole abgebildet, die jedoch mindestens zweimal hervorragend dokumentiert sind: Einmal als Bodenmosaik bei der oben erwähnten Grabanlage Eckler (nur noch Stier und Löwe sind erhalten) und am Kreuz der Grabstätte Riekmann von 1935 (P 8 und U 12). Das Gleichnis des Sämanns wird gelegentlich dargestellt, so beim Grabmal Fuchs von 1939 (R 7); ebenfalls die griechischen Buchstaben Chi und Rho, X und P – Christusmonogramm und Anfang seines Namens – sowie Alpha und Omega, A und Ω, die als Herrschaftssymbole zu verstehen sind wie bei den Grabmalen Lefknecht von 1930 und Kaschak von 1974 (R 7 und Bp 74).

Ferner soll auf eine Dreierverbindung hingewiesen werden, die hin und wieder auftaucht. Das Kreuz wird auf einzelnen Grabmälern auch mit dem Herz und dem Anker kombiniert – die christliche Dreiheit von Glaube, Liebe, Hoffnung allegorisch verdeutlichend. Bei dem torartigen Grabmal Lehmkuhl von 1916 auf dem "Millionenhügel" (AE 14), wo ein Soldat mit Pickelhaube von einem schwebenden, zum Himmel weisenden Engel an die Hand genommen wird, erscheinen sie als Rankenfries auf dem Rundbogen mit A und ? an beiden Enden. Desgleichen als Krönung eines Frieses bei der expressionistischen Breitstele Frahm aus den 1920er-Jahren (AH 23) und nebeneinander oder übereinander bei mehreren Grabmalen der 1930er-Jahre, wie bei den Grabstelen Knaack und Kien (1937, P 14 und 1938, Bh 59) sowie zusammen mit Ähren unter den Füßen einer krugtragenden Frau auf dem Grabmal Tomfort von 1939 (R 7).

Tomfort
Kreuz, Herz und Anker auf dem Grabmal Tomfort (Foto: Behrens)

Es mag sein, dass die Häufung christlicher Darstellungen auf einem Monument, wie z. B. das ikonographische Programm der oben erwähnten Grabstätten Wencke und Eckler, vor hundert Jahren auch als Überkompensation auf das Fehlen wirklicher Religiosität deutet. Die vielfältigen Symbole können dennoch sicher viele Menschen immer noch erbauen und trösten. Schöne moderne Grabsteine von heute tun es auch – eine Dornenkrone, betende Hände à la Dürer mit dem Spruch des Psalms 23 "Der Herr ist mein Hirte" wie beim Grab Brusdeilins (S 10), ein Blasinstrument mit der Überschrift "Lobe den Herrn meine Seele" beim Grab Arlt von 1960 (P 29), oder der Spruch "Ich weiß, dass mein Erlöser lebt" über einem großen Schlüsselloch mit einem kleinen bronzenen Lesenden (nach Barlach?) in der Mitte beim Grab Martin von 1983.

Die Grabmalkunst der letzten 130 Jahre bietet auf dem Ohlsdorfer Friedhof eine große Auswahl an bemerkenswerten christlichen Botschaften. Der Besucher freut sich auf jeden Fall, und umso mehr angesichts der zunehmenden Tendenz der anonymen Bestattungen, wenn er auf ein kunstvolles Grab trifft, dessen Botschaft in dieser Weise Hoffnung und Zuversicht vermitteln kann.

Literatur:
Der Hamburger Hauptfriedhof Ohlsdorf, Geschichte und Grabmäler, 2 Bände, Hamburg 1990
Gerd Heinz-Mohr: Lexikon der Symbole, Bilder und Zeichen der christlichen Kunst, München 1998
Helmut Schoenfeld: Der Friedhof Ohlsdorf, Hamburg 2000
Großes Lexikon der Bestattungs- und Friedhofskultur 1, Volkskunde, Kulturgeschichte, Braunschweig 2002
Jutta Seibert: Lexikon christlicher Kunst, Themen/Gestalten/Symbole, Freiburg 2002

Auflistung alle Artikel aus dem Themenheft Religiöse Symbolik auf Grabmalen (Februar 2006).
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