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OHLSDORF - Zeitschrift für Trauerkultur

Violine und Bratsche auf Beerdigungen

... Donnerstag, 13 Uhr: "Ich komme gerade von einer Feier", sagt Friederun Poppe-Kögler.

Die Freude der schwarzhaarigen Frau ist fast greifbar - was mag das für eine Feier gewesen sein? Sie trägt einen schwarzen Hosenanzug, dazu eine aufblasbare Gießkanne in der einen Hand und einen Geigenkoffer in der anderen. "Heute haben wir den ‚Sommer' von Vivaldi gespielt." Friederun Poppe-Kögler spielt Violine und Bratsche auf Beerdigungen - besser gesagt auf "Feiern", wie sie es nennt. Sie spielt, was sich die Angehörigen wünschen, meist klassische Stücke von Mozart bis Bruckner. "Das ist toll, da kann ich beinahe jeden Tag solo spielen", sagt Poppe-Kögler. Die 59-Jährige hat offensichtlich ihren Traumjob gefunden. Die ehemalige Geigenlehrerin interpretiert aber auch Popsongs oder Schlager wie Heidi Kabels "In Hamburg sagt man Tschüs". Früher ist sie bei solchen Spezialwünschen immer ins Musikgeschäft gegangen und hat sich die Noten gekauft. "Heute gucken meine drei Söhne kurz ins Internet - schon habe ich, was ich brauche", erzählt Poppe-Kögler.

Jetzt, nach ihrem Auftritt, ist sie auf dem Weg zum Grab ihres Mannes. "Er ist vor vier Jahren gestorben." Als sie dies sagt, verschwindet das Lächeln aus ihrem Gesicht. Doch es ist fast augenblicklich wieder da, als der Blick der Musikerin auf ihre aufblasbare Gummigießkanne fällt. Zusammengefaltet passt sie locker in ihre Tasche, zwischen die Abschiedsgrüße von Maffay und Mozart...

(Auszug aus dem Beitrag Ein lebendiger Ort, Begegnungen auf dem Ohlsdorfer Friedhof in der Zeitschrift "Hinz & Kunzt", Ausgabe Juni 2003, veröffentlicht mit freundlicher Genehmigung des gleichnamigen Verlages)

Auflistung alle Artikel aus dem Themenheft Trauer und Musik (August 2003).
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