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OHLSDORF - Zeitschrift für Trauerkultur

"Das Amt der Klempner seinen Entschlafenen": Die Gräber der Hamburger Klempner und Leuchtenmacher

Autor/in: Klaus Gille
Ausgabe Nr. 69, II, 2000 - Mai 2000

(Anm. d. Red.: Der vorliegende Aufsatz ist die leicht veränderte Fassung eines Kapitels aus der Geschichte der Hamburger Klempner, die der Autor unter dem Titel: "Vom Amt der Leuchtenmacher zur Innung Sanitär-Heizung-Klempner. Zur Geschichte der Klempner und des Klubs Laterne in Hamburg" 1999 publizierte.)

Die Aufgaben der Zünfte – oder wie sie in Hamburg genannt wurden: der Ämter - erschöpften sich nicht in der Wahrung wirtschaftlicher Interessen, auch soziale Belange spielten eine gewichtige Rolle. Die Fürsorge galt nicht nur den Lebenden; auch die verstorbenen Amtsmitglieder und ihre Angehörigen blieben Teil der Gemeinschaft. Der Regelung des Begräbniswesens und der Leichenfolge kam dementsprechend erhebliche Bedeutung im Alltag der Handwerker zu.

Wie andere Hamburger Ämter besaß auch das Klempneramt, das 1541 als Amt der Leuchtenmacher gegründet worden war, eine Gemeinschaftsgrabstätte. Der erste Nachweis dafür stammt allerdings erst aus dem 17. Jahrhundert. Ob das Amt bereits zuvor im Besitz einer Grabstätte war, ist nicht bekannt. 1657 hatte man in der Klosterkirche St. Johannis ein Begräbnisgewölbe, zunächst für die Dauer von 100 Jahren, erworben. Die Kirche gehörte zum St. Johannis Kloster, das bis 1841 an der Stelle des heutigen Rathausmarktes stand.

Im Zusammenhang mit dieser Grabanlage war es mehrfach zu Auseinandersetzungen innerhalb des Amtes gekommen. So gab es Streit über die Frage, in welcher Höhe sich die neu in das Amt eintretende Meister an den anfallenden Kosten zu beteiligen hätten. Eine erste Ordnung von 1667 wurde deshalb 1690, wie es hieß, "umb vieler Confusion und Unordnung" abzuhelfen, durch ein weiteres Reglement ergänzt. In sechs Paragraphen wurden unter anderem die Totengelder für Erwachsene und Kinder festgelegt und Vorschriften betr. der Meisterwitwen erlassen - je nachdem, ob sie das Handwerk weiter ausübten oder nicht.

Seit dem ausgehenden 18. Jahrhundert geriet die Bestattung in den Kirchen bzw. auf den engen städtischen Friedhöfen unter hygienischen und medizinischen Gesichtspunkten zunehmend in die öffentliche Kritik. Der Hamburger Senat schloß deshalb die innerstädtischen Friedhöfe und ließ vor dem Dammtor ab 1794 neue Begräbnisplätze anlegen. Als Ersatz für das alte Gewölbe in der St. Johannis Kirche erhielt das Amt im Dezember 1812 einen Platz auf den neuen St. Johannis Friedhof.

Während der Besetzung Hamburgs durch französische Truppen mußte die St. Johannis Kirche 1813 geräumt werden und diente in der Folgezeit unter anderem als Magazin. Nach dem Abzug der Franzosen kam es dann nicht wieder zu einer sakralen Nutzung, der Abbruch des Gebäudes erfolgte 1829. Bevor die Kirche jedoch endgültig niedergerissen wurde, mußten zuvor die alten Grabgewölbe geleert werden. Die noch in der ehemaligen Gruft des Klempneramtes befindlichen Gebeine, "welche aus 22 großen und aus 18 Kinderleichen bestanden", wie das Amtsprotokoll akribisch anführte, wurden auf den neuen Begräbnisplatz überführt, der zu diesem Zweck durch Zukauf vergrößert wurde. Gleichzeitig gestaltete man die Anlage um, wie ebenfalls dem Protokoll zu entnehmen ist: "Es wurden auf diesen neu angekauften Platz hinter dem Monument im linken Winkel, auf der dort versenkten Knochenkiste, 19 Kinderleichen, welche nur sehr flach auf dem Begräbnisplatz vertheilet beigesetzt waren, versetzt. Dieser Hintergrund ist für die Folge, so viel thunlich und zweckmäßig, zum Kinderbegräbnisplatz bestimmt."

Die alten Grabutensilien aus der St. Johannis Kirche, d.h. die Deckplatten des Gewölbes und das Zinn und Eisen der alten Sargbeschläge, verkaufte man zur Wiederverwertung an einen Klempnermeister und an einen Steinmetz: "Die Decksteine der gereinigten Begräbnisgewölbe, auf welchem eingehauen waren, auf dem einen derselben die Inschrift 'Der Klempner und Leuchtenmacher ihr Begräbnis Anno 1748 d. 8 August' und auf dem andern Stein 'eine Leucht und Nr. 107' sind als Eigenthum des Amts zurückgenommen und nebst dem Zinnen und dem alten Eisen von den Ruhekissen, für die Summe von Acht und Dreysig M[ark] [u]nd Sieben Schilling verkauft."

Die neue Grabanlage der Klempner auf dem St. Johannis Friedhof blieb während der ersten Jahre ohne Monument. Der Platz war lediglich 1813 durch Hecken eingegrenzt und mit Bäumen besetzt worden. Die Amtsrechnungen wiesen in diesem Zusammenhang immer wieder Zahlungen an den Totengräber aus, der die "Dornenhecke" ausbesserte, oder an Gärtnereien, wie 1815, als die Lieferung und der Transport von vier großen Silberpappeln mit der Baumschule und Gärtnerei Böckmann abzurechnen waren.

1817 tauschte das Klempneramt den bisherigen Begräbnisplatz gegen ein neues Areal ein, das für die Dauer "von primo May 1817 bis 1917 desselben Monaths" erworben wurde. Warum dieser Wechsel auf dem Gelände des St. Johannis Friedhofs erfolgte, bleibt unklar. Möglicherweise aber hatte sich die alte Fläche bereits als zu klein erwiesen. Auch das neue Areal wurde zunächst lediglich bepflanzt. Erst zehn Jahre später diskutierte die Amtsversammlung dann 1826 erstmals den Bau eines eigenen Grabmonuments. Das Ungewöhnliche an diesem Denkmal war sein Material: Es war aus Blech gefertigt. Der Entwurf stammte von dem Hamburger Klempner Jürgen Heinrich Viedt. Verfolgt man die Einträge in das Amtsprotokoll, so wird deutlich, wie wichtig es den Mitgliedern war, daß auf ihrem Begräbnisplatz auch ein sichtbares Zeichen ihrer handwerklichen Fähigkeiten Aufstellung fand. Betont wurde ausdrücklich, es sei "dieses Denkmal durch unsrer eigenen Hände Arbeit von Blech zu verfertigen". Die Herstellung des wesentlichen Denkmalteils – einer auf einem runden Weißblech-Sockel thronenden Urne – übertrug man als Aufgabe für ein Meisterstück an den Sohn des amtierenden Ältermannes des Klempneramtes Diedrich Meyer, Heinrich Nicolaus Meyer. Der Geselle bewältigte die ihm gestellte Aufgabe zur vollen Zufriedenheit der prüfenden Meister, so daß am 31. Juli 1827 das fertige Monument errichtet werden konnte. Es trug die Inschrift "Das Amt der Klempner seinen Entschlafenen" und war mit zwei Allegorien geschmückt. Über deren Gestaltung informiert ein kleiner Artikel, der im März 1908 im "Innungs-Boten" der Hamburger Klempner unter dem Titel "Die Renovierung der Grabdenkmäler unserer Vorfahren" erschien. Bei den fraglichen Ausschmückungen handelte es sich um geläufige Motive: "Am Sockel befinden sich zwei getriebene Medaillons, die Vergänglichkeit des Irdischen, das Verlöschen der Lebensfackel, dargestellt durch einen eine Fackel senkenden Jüngling und die Unsterblichkeit des Geistigen, dargestellt durch einen einen Schmetterling haltenden emporschwebenden Engel."

Im Denkmalsockel war eine Urkunde hinterlegt, die neben der Baugeschichte die Namen aller derzeitigen Amtsmeister und vor allem die Namen der Spender verzeichnete, die das Ganze erst ermöglicht hatten. Insgesamt beliefen sich die Kosten "für Zutaten, Arbeitslohn, Maurer, Felsen, eiserne Stange, die Tafel mit Inschrift, Mahler, den Todtengräber für Bemühungen und für Materialien" auf stattliche 1295 Mark.

Mit ihrem Sinn für das Praktische und in dem Bemühen, auch den Nachkommen hilfreich zur Seite zu stehen, hinterließen die Erbauer des Grabmonuments 1827 im Amtsbuch eine kurze Notiz für den Fall späterer Reparaturen. Die Nachfahren konnten sich so über die notwendigen technischen Details für die fachgerechte Demontage informieren: "In dem unteren Felsen, auf welchem das Monument steht, ist eine viereckige starke eiserne Stange, an deren untern Ende ein viereckiger eiserner Rahmen mit 4 Streben in Verbindung gesetzt ist, in 5 Löcher mit Bley vergoßen, daß obere Ende dieser Stange reicht bis in die obere Urne. Wenn in Verfolg der Zeiten, durch eine nothwendige Reparatur die Herunternahme des ganzen erforderlich wird, so ist der auf der obern Urne befindliche kleine Boden abzulöthen, und die unter diesem Boden befindliche Schraube, mit dem in der Lade aufbewahrten Schlüssel loß zu schrauben und das Ganze über die eiserne Stange abzuwinden; weil die untere Säule wegen ihrer Schwere, nicht anders über die Stange weggehoben werden kann." Eine erste kleinere Ausbesserung, "da alles der Vergänglichkeit unterworfen", wie es im Protokoll hieß, wurde 1832 notwendig. Eine gründliche Instandsetzung war jedoch erst 1845 fällig. Ausführlich dokumentierte man auch jetzt alle Einzelheiten: "D[en] 10. Juny wurde von uns, nach 18 jährigem Stand das Monument auf unsern Begräbnisplatz zu St. Johannis, zum ersten Mahle bis auf den Felsen abgenommen, um das Innere desselben nachzusehen; es ergab sich, daß noch alles in gutem Stande vorgefunden wurde, jedoch eine frische Farben-Anstreichung für nothwendig erachtet; wir fanden in dem Monumente eine verzinnte jedoch nicht verlöthete Messinge Büchse, enthaltend eine ziemlich erhaltene Pergament Rolle, mit den Namen der damals Lebenden 45 Mitglieder des Amts, wovon jetzt auch schon viele dort schlafen; am 21. Juny wurde, nachdem alles wohl nachgesehen u. in Ordnung gebracht, u. vorgedachte Pergament Rolle, nebst einer neuen Pergament Rolle, worauf die Namen aller jetzt lebenden Mitglieder des Amts verzeichnet, so wie die Rede, welche 1827, bei der Setzung des Monuments gehalten worden, nachdem selbige abermahls verlesen, in eine bleierne und dann in eine kupferne Kiste, wohl verlöthet, zum Andenken für unsere Nachkommen mit beigesetzt, das Monument in Gottes Namen wieder aufgestellt." 1853 ersetzte man die schadhaft gewordenen hölzernen Türen der Grabanlage durch gußeiserne, "es wurde ein gefälliges Modell gewählt, und zugleich mit der Maurer Arbeit dem Eisengießer Herrn Lühmann in St. Pauli übertragen."

Vor dem Hintergrund der erheblich gestiegenen Zahl der Amtsmeister – sie wuchs in Hamburg zwischen 1817 und 1861 von 43 auf 167 - erwarb das Amt 1860 einen weiteren Begräbnisplatz, da der vorhandene in absehbarer Zeit keinen ausreichenden Raum mehr bieten würde. Der Kauf der unweit der bisherigen Anlage liegenden Grabstelle bereitete zunächst Probleme, da nicht genügend flüssige Geldmittel vorhanden waren und man deshalb auf das angelegte Vermögen des Amtes zurückgreifen mußte. "So weit es in unserer Macht stand", hieß es im Protokoll abschließend, nachdem die Finanzierung geklärt war "haben wir für uns im Tode gesorgt, im Leben wird die Vorsehung ferner das Klempneramt sorgen. Möge den dort [...] Ruhenden die Ruhe sanft und die Erde leicht sein."

Auf dem neuen Platz, der zum St. Petri Friedhof vor dem Dammtor gehörte, wurde 1865 das zweite Grabdenkmal der Klempner errichtet – just zu einem Zeitpunkt, als für die Handwerksämter in Hamburg eine über Jahrhunderte währende Entwicklung ihr Ende fand. Am 1. Februar 1865 war in der Hansestadt die Gewerbefreiheit in Kraft getreten und damit alle bisherigen Ämter aufgehoben worden. An deren Stelle traten in vielen Gewerken - so auch bei den Klempnern – sogenannte Korporationen, die jedoch im Gegensatz zu den bisherigen Ämtern über keine Zwangsrechte mehr verfügten.

Das neue, drei Meter hohe, im "gothischen Stil" gehaltene Monument war wiederum aus Zinkblech gefertigt und trug die Inschrift "Die Klempner ihren Entschlafenen". Das Denkmal stammte aus der Werkstatt des Hamburger Klempners Franz Zwingenberger. Ein kleines Modell soll der Überlieferung nach noch jahrelang Blickfang im Schaufenster des Klempnermeisters in der Michaelisstraße gewesen sein. Am 29. September 1865 trafen sich die Baukommission am Grabmal und deponierten dort eine Bleidose mit einer Urkunde, "deren Inhalt in trefflichen Worten die Verhältnisse der Jetztzeit, so wie die Anregung zur Anfertigung des neuen Monuments, die Betheiligung der Mitglieder unseres Amtes, die Vollendung, so wie die proponirte Feier zur Enthüllung desselben schilderte." Zum eigentlichen Festakt versammelte man sich am folgenden Tag: "Am 30. Sept. Morgens 9 Uhr fand bei dem schönsten Wetter und unter zahlreicher Betheiligung der Mitglieder als auch des Hr. Patrons Hr. S[e]n[a]t[or] Chapeaurouge die Feier der Enthüllung unsers neuen Monumentes statt, nachdem die Commission als augenblickl. Vertreter der Corporation vom alten Begräbnisplatz Abschied genommen, leitete ein Hornmusik unterstützt von den Sängern des Klempner Chor "Dies ist der Tag des Herrn", die schöne Feier ein. Nachdem der Referent dieses in einem Festprolog die Versammlung auf die Bedeutung des heutigen Tages aufmerksam gemacht, wurde die Feier durch einen nochmaligen Festgesang des Quartetts unter Begleitung der Musik erhöht, der Choral "Jesu meine Zuversicht" und ein allgemeines Gebet beschloß die Feier auf einem kleinen Raum, dessen Erde uns Alle einst decken wird."

Eine vierte und - vermutlich wohl letzte - Grabanlage für die Hamburger Klempner ließ die Korporation 1885 auf dem Ohlsdorfer Friedhof errichten. Es handelt sich dabei um jene Anlage, die bis heute besteht. Dieser Schritt war notwendig geworden, nachdem die Hamburger Behörden Beerdigungen auf den Dammtor-Friedhöfen seit dem Ende der 1870er Jahre nach und nach eingeschränkt hatten. Nach 1930 wurden diese Begräbnisplätze dann gänzlich aufgehoben; auf einem Teil des Areals entstand 1934 der Park Planten un Blomen. Die Umsetzung der alten Grabdenkmäler auf den Ohlsdorfer Friedhof – entsprechend anderer Amtssteine - erwies sich wegen des schlechten Zustandes als nicht möglich, wie eine Besichtigung im März 1930 ergab.

1898 übernahm die Innung von der Sterbekasse der Klempner-Korporation die Gräber auf dem Friedhof St. Petri vor dem Dammtor und auf dem Ohlsdorfer Friedhof. Für die Instandhaltung überschrieb die Korporation der Innung ein Kapital von 1200 Mark, von dessen Zinsen die Grabpflege zu bestreiten war. Die Innung erwarb damit auch das Recht, auf den beiden Grabstätten, sofern Platz vorhanden war, "bedürftigen Kollegen eine letzte Ruhestätte bereiten zu können."

Die Bedeutung, die die Amtsmitglieder einer standesgemäßen Beerdigung und einem angemessenen Begräbnisplatz zumaßen, war groß. Die Leuchtenmacher und Klempner unterschieden sich mit dieser Einstellung keineswegs von anderen Handwerkern, deren Ämter ebenfalls vielfach über eigene Begräbnisplätze verfügten. Angefangen von den oben erwähnten Streitigkeiten um die Begräbnisordnung im 17. Jahrhundert bis hin zu den immer wiederkehrenden Diskussionen um die Höhe des bei einem Sterbefall auszuzahlenden Totengeldes im 18. und 19. Jahrhundert, zog sich das Thema durch viele Verhandlungen des Amtes. Als man 1862 wegen finanzieller Schwierigkeiten vor der Alternative stand, entweder die Höhe des Totengeldes herabzusetzen oder aber die Beiträge der Mitglieder der Totenkasse heraufzusetzen, beschloß die Versammlung am 22. August 1862, doch zu diesem Zweck lieber das in Wertpapieren angelegte Amtsvermögen anzugreifen. Man verkaufte einen sog. Kammerbrief und beließ den Mitgliedern das ungekürzte Totengeld.

Neben der finanziellen Unterstützung im Todesfall spielte die persönliche Anteilnahme aller Amtsgenossen an Beerdigungen eine wesentliche Rolle. Die Art und Weise der Trauerfolge und nicht zuletzt die Trauerkleidung waren durch Herkommen und Regeln bestimmt, deren Verletzung Konflikten heraufbeschwören konnte – gerade in Zeiten, als eben die Selbstverständlichkeit dieses Herkommen in zunehmenden Maße bedroht schien. So sahen sich die Amtsmeister 1823 nach "unerfreulichen und unschicklichen" Vorkommnissen veranlaßt, auf einer außerordentlichen Versammlung festzulegen, "daß bey einer Beerdigung die Mitglieder, welchen das Geleite und das Tragen zum Grabe obliegt, nach folgender Art im Sterbehause zu erscheinen haben. Im Sommer in schwarzer Kleidung mit kurzen Hosen, schwarz seidenen Strümpfen und Schuhen mit Bandschleife, schwarzen Handschuhen und Chapeau-bas. Die vier Wintermonathe bey schlechtem Wetter statt der Chapeau-bas, kurzen Hosen und Schuhen mit einem platten Hut à la francaise, langen Beinkleidern und Stiefeln." Beim Chapeau-bas handelte es sich um einen Dreispitz, der nicht auf den Kopf gesetzt, sondern – mehr als formelles Accessoire - unter den Arm geklemmt wurde. 1835 kam die angemessene Trauerkleidung ein weiteres Mal in einer Versammlung zur Sprache – wieder ging es um Hüte. Den Anlaß dafür gab das Verhalten dreier Meister, die es in "ungebührlicher Weise" gewagt hatten, bei einem Begräbnis ihre Hüte aufzusetzen. Die deshalb vor den Amtspatron – einem Senator, der das Amt beaufsichtigte - zitierten Übeltäter suchten sich damit zu entschuldigen, "daß sie wegen körperlicher Schwäche ohnmöglich ohne Kopfbedeckung [hatten] aushalten können" und fügten, zur Bekräftigung ihrer Position, noch hinzu, "wie es überhaupt schlimm sey, im Winter in Schuhe[n] zu erscheinen." Das fragliche Begräbnis hatte Mitte Februar - also in einer in Hamburg meist unerfreulichen Jahreszeit - stattgefunden, so daß auch der Amtspatron sich der Begründung der Angeschuldigten nicht zu entziehen vermochte.

1850 verständigte sich das Amt auf eine Modernisierung der Begräbnisordnung. Grundsätzlich war es jetzt den Mitgliedern freigestellt, wie und auf welche Weise die Bestattung durchgeführt wurde. Nur wenn die Beisetzung im Amtsbegräbnis erfolgen sollte, mußten Amtsmitglieder die Beerdigung durchführen. Gleichzeitig erfüllte man einen Wunsch der jüngeren Amtsmeister, die als Sargträger herangezogen wurden: die Abschaffung "der bei Beerdigungen üblichen kurzen Beinkleider, Staltmäntel und Kragen". Statt der altmodischen Tracht reichten künftig die einfache schwarze Kleidung und ein schwarzes Halstuch. Im Falle, daß die Hinterbliebenen einen Leichenwagen nicht bezahlen konnten, trugen die jüngsten Meister auch w eiterhin den Sarg. Beim Klempner-Amt in Altona, das seit 1823 über eine Totenkasse verfügte, hatte man bereits 1832 die alte Tracht abgeschafft und beschlossen, "daß in Zukunft bei Beerdigung der Leichen die Träger mit schwarzem Kleidrock und runden Hut bekleidet seyn sollen." Auf die bis dahin getragenen Trauermäntel wurde seitdem verzichtet.

Die allmähliche Veränderung der Einstellung zu Tod und Begräbnis, die sich hier bereits andeutete, verstärkte sich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Die Bedeutung von Beerdigungen für die Öffentlichkeit und für den Einzelnen wandelte sich. Das Private und Individuelle trat in den Vordergrund, gleichzeitig schwand die Verbindlichkeit bestimmter Sitten und Gebräuche, ohne daß diese jedoch sofort verschwanden. Das, was früher selbstverständlich gewesen war, mußte jetzt formell beschlossen werden. So etwa, wenn das Amt am 9. Januar 1854 bestimmte, "daß jeder große Todesfall im Amte, Mann oder Frau, bey allen Mitgliedern angesagt werde, und wann die Beerdigung stattfindet."

Von dieser allgemeinen Tendenz blieben, zumal in einer Großstadt, auch die Klempner nicht ausgenommen. Allein die immer größer werdende Anzahl von Innungsmitgliedern und die damit verbundene, wachsende Anonymität stellte den traditionellen Zusammenhalt in Frage. Das, was früher das Amt vermittels strikter Regeln und dem Herkommen entsprechend noch zu leisten vermocht hatte, konnte die Korporation und später die Innung nicht fortführen. So beklagte ein Vorstandsmitglied der Innung 1893 angesichts der geringen Beteiligung an einer Beerdigung, "daß unter den Collegen so wenig Zusammenhang herrsche. Dies habe sich so recht deutlich durch die schwache Teilnahme bei der Beerdigung dieses so lieben Mitglieds gezeigt."

Die angesprochenen Probleme betrafen übrigens nicht nur die Meister, sondern ebenso die Gesellen. Ein Jahr zuvor, im Januar 1892, war es in der Hamburger Sektion der Klempner im Metallarbeiterverband zu einer ganz ähnlichen Debatte gekommen. Anlaß war der Antrag eines Mitgliedes, "daß mit dem Leichencultus gebrochen wird." Derart radikalen Vorschlägen mochte die Versammlung allerdings nicht folgen. Auch ein abgemilderter Vorschlag, der vorsah, die Kranzspenden bei der Beerdigung von Mitgliedern beizubehalten, den üblicherweise von der Sektion gestellten Kutschwagen (Break) aber zu streichen, fand keine Mehrheit – obwohl die Verhältnisse gerade das eigentlich nahe legten: "Die Betheiligung an Beerdigungen", so einer der anwesenden Klempnergesellen, "ist so schwach, daß eine Break vollständig überflüssig ist; z. B. haben sich an der Beerdigung des Collegen vom 1. d. Mts. 11 Mann von 500 Mitgliedern betheiligt, ist das nicht ein Jammer?" Trotzdem – man brach nicht so ohne weiteres mit der Tradition, es blieb bis auf weiteres beim "Leichencultus" mit obligatorischen Kränzen und Wagen.

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