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OHLSDORF - Zeitschrift für Trauerkultur

Grüfte auf dem Alten Niendorfer Friedhof

Autor/in: Manfred Meyer
Ausgabe Nr. 159, IV, 2022 - Januar 2023

Auf dem Alten Niendorfer Friedhof befinden sich im Verhältnis zur Größe des Friedhofs erstaunlich viele Grüfte. Die wohlhabenden Hamburger, die im Kirchspiel Niendorf ihre Sommervillen hatten oder die dörfliche Idylle bzw. den Friedhof durch Besuche kennen lernten, ließen sich hier ihre Familien- oder Erbbegräbnisse bauen. Die älteste, noch im Nutzungsrecht der Familie bestehende Gruft stammt aus dem Jahr 1864 - Johann Heinrich (III) Gossler in Abteilung II, Reihe 3 (Abb. 1).


Familiengruft Johann (III) Gossler. Sie ist die älteste, die sich noch in Familienbesitz befindet (1)

Um 1900 bestanden auf dem Friedhof noch 25 große Grüfte (heute noch 19) mit imposanten Grabmalen. Bei der Erweiterung der Kollaustraße 1956 mussten einige dem Umbau des Friedhofs weichen. Die Bestatteten wurden in die neue Abteilung VI umgebettet. Allerdings erhielten sie keine neuen Grüfte, sondern wurden erdbestattet. Nur die Grabmale der ehemaligen Grüfte oder deren Fragmente wurden an den neuen Plätzen wieder aufgestellt. Die Ruhestätte der Familie Godeffroy in Abteilung VI, Reihe 17 (Abb. 2) und der Familie Hugo in Abteilung VI, Reihe 42 (Abb. 3) sind sichtbare Beispiele dieser Umbettung.


Ruhestätte der Familie Godeffroy (2)

Ruhestätte der Familie Hugo (3)

Die Familie Amsinck ist mit vier Grüften auf dem Alten Niendorfer Friedhof vertreten. Es sind die Brüder Wilhelm (1821-1909) und Heinrich (1824-1883) - diese Gruft ist inzwischen in in den Besitz der Niendorfer Familie Tomfort übergegangen (Abb. 4) - Ludwig Erdwin (1826-1897) und Martin Garlieb (1831-1905), die hier mit ihren Familien beigesetzt wurden. Ihr Vater, Johannes (1792-1879), war Inhaber des Hamburger Handels- und Bankhauses Johannes Schuhback & Söhne. Die vor genannten Brüder machten alle eine Kaufmannslehre im väterlichen Betrieb. Wilhelm Amsinck führte gemeinsam mit seinem Bruder Heinrich nach dem Tod des Vaters die Firma und ließ 1868 ein Sommerhaus durch den Architekten Martin Haller in Lokstedt bauen, das noch heute im Amsinckpark besteht und eine Kindertagesstätte der Rudolf-Ballin-Stiftung e.V. beherbergt.


Gruft von Heinrich Amsinck und den Eltern der Brüder, Johannes und Emilie. Die Gruft ist heute im Besitz der Niendorfer Familie Tomfort (4)

Ludwig Erdwin Amsinck war Mitbegründer der 1869 eröffneten Hamburger Kunsthalle und vermachte nach dem Tod seiner Frau Antonie, geb. Lattmann (1848-1921) deren umfangreiche Gemäldesammlung der Kunsthalle.

Martin Garlieb Amsinck lernte nach seiner kaufmännischen Ausbildung im väterlichen Betrieb das Handwerk des Schiffsbauers in Nürnberg und England und gründete 1857 eine Segelschiffswerft. Bereits zwei Jahre später gab er den Werftbetrieb auf und gründete die Reederei M.G. Amsinck, die im Laufe ihres Bestehens zur drittgrößten Reederei Hamburgs wurde (Abb. 5, 6 und 7).


Familiengruft von Wilhelm Amsinck (5)

Entwurf der Grabplatte für Martin Garlieb Amsinck und seine Frau Susanne Catharine, geb. Gossler (6)

Die Ruhestätte der Familie Amsinck. Die Galvanoplastik wurde nach der Skulptur „Auferstehung“ von Heinz Hoffmeister (1815–1894) von der Firma Aktien-Gesell-schaft vormals H. Gladenbeck & Sohn, Berlin angefertigt (7)

Weitere bekannte Namen sind auf den Schrifttafeln der Grüfte zu finden. Der Hamburger Senator, Kaufmann und Bankier Johannes August Lattmann (1858-1936); der Bankier, Präses der Handelskammer und Mitglied der Hamburger Bürgerschaft Max von Schinckel (1849-1938); die Familie Theodor de la Camp, der Reeder Johann August Gottfried Bolten (1812-1887); der Bankier und Kaufmann Jo-hann Heinrich (III) Gossler (1805-1879), der den Familiensitz 1847 nach Niendorf verlegte und der Kaufmann F.H.J. Reimers (Abb. 8).


Familiengruft F.H.J. Reimers. Die 140 Jahre alten Blutbuchen nehmen die Gruft kräftig in die Zange (8)

Einige Grüfte wurden ohne Grabmal gebaut. Die Namen der Beigesetzten befinden sich auf der Gruftabdeckung - eine schwere Steinplatte mit einer Bronze- oder Kupfertafel, in die die Daten der Verstorbenen eingelassen sind (Abb. 9 und 10).


Ruhestätte von Ernest Merck, Teilhaber des Bankhauses H.J. Merck & Co. (9)

Familiengruft Hermann Keitel, Teilhaber der nie-derländischen Handelsfirma für Rohtabak M. Golden-berg & Co in Medan auf Sumatra, Indonesien (10)

Auf der Ruhestätte Johann (John B.) Freiherr von Berenberg-Gossler (1839-1913) befinden sich zwei Grüfte ohne Grabmal. Die des Vaters (John B.) (Abb. 11) und seines Sohnes Johann von Berenberg-Gossler (1866-1943) (Abb. 12). John B. wurde 1910 in den preußischen, vererblichen Freiherrenstand gehoben, der an das Familiengut in Niendorf gekoppelt ist (Fidei-kommiss). Sein hier beigesetzter Sohn Johann trat das Erbe nicht an und durfte daher auch nicht den Titel tragen, welcher an seinen Bruder Cornelius überging. Die Namen und Daten der in den beiden Grüften Beigesetzten befinden sich auf der jeweiligen Gruftplatte.


Johann (John B.) Freiherr v. Berenberg-Gossler (11)

Johann v. Berenberg-Gossler (12)

Die Grüfte, die sich nicht mehr im Familienbesitz befinden, werden von der Friedhofsverwaltung weiterhin als Denkmal betrieben. Einige dieser Grüfte konnten an Familien vermittelt werden, die sie aufwendig restauriert haben und als Ruhestätte für ihre Familie nutzen; so z.B. die bereits oben genannte Gruft "Heinrich Amsinck", die in den Besitz der Niendorfer Familie Tomfort gegangen ist. Die Gruft des Hamburger Kaufmanns Anthon Schröder (1813-1896) wurde von der Hamburger Familie Dr. Siemensen erworben und die Gruft des früheren 1. Direktors der Norddeutschen Bank Peter Rauers (1834-1891) hat die Norderstedter Unternehmerfamilie Behnk übernommen, die das Grabmal in eine moderne Form umgestalten ließ (Abb. 13).


Familienruhestätte Behnk (13)

Am südlichen Ende des Alten Friedhofes befindet sich das Heymann Mausoleum (Abb. 14). Es ist das einzige Gebäude dieser Art, das man auf diesem Friedhof findet. Es wurde 1892 gebaut und sollte die Ruhestätte von Manuela Auguste Heymann (1862-1892), der Tochter des Kaufmanns Victor Emanuel Heymann und Emilie Heymann, geb. Wiegeland, sein. Sie hat ihren Vater nie kennengelernt, da er während der Schwangerschaft seiner Frau starb. Da die Bauzeit des Mausoleums ein Jahr betrug, wurde Manuela vorerst in der Gruft der befreundeten Familie C.H.W. Hugo (siehe Abb. 3) beigesetzt. An ihrem 31. Geburtstag, dem 19. Mai 1893, wurden ihre sterblichen Überreste in das Mausoleum überführt. Sie war die einzige, in diesem Mausoleum jemals beigesetzte Person. Wann ihre Mutter starb und wo diese beigesetzt wurde, ist nicht bekannt.


Das Heymann Mausoleum (14)

Nach 35 Jahren wurde das Mausoleum an die Kirchengemeinde zurückgegeben, mit der Auflage für Manuela eine einfache Ruhestätte auf dem Alten Niendorfer Friedhof einzurichten (Abb. 15).


Die Ruhestätte von Manuela Auguste Heymann (15)
Auflistung alle Artikel aus dem Themenheft Der Alte Friedhof in Niendorf (Januar 2023).
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