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OHLSDORF - Zeitschrift für Trauerkultur

Der Förderkreis Ohlsdorfer Friedhof e.V. besucht "Die Eiche" in Lübeck

Am 24.5. nahmen acht Mitglieder und Freunde des Förderkreises an einer Besichtigung des neuen Kolumbariums DIE EICHE in Lübeck teil, die vom Eigentümer und Initiator Michael Angern geführt wurde. Schon vor zwei Jahren wurde in dieser Zeitschrift (Nr. 150/2020) über den Umbau des historischen Kornspeichers der Familie Mann an der Untertrave zu einem neuartigen Bestattungsort für Urnen berichtet.

Damals war die Eröffnung für den Winter 2020/2021 geplant, ein Termin, der auch wegen der Pandemie nicht gehalten werden konnte. Inzwischen ist der Umbau fast vollendet, so dass der Eröffnung nichts mehr entgegensteht.

Michael Angern, der zusammen mit seiner Partnerin Peggy Morenz Idee und Umsetzung verantwortet, berichtete als erstes davon, wie er auf das einzigartige Gebäude aufmerksam wurde, als er für die Erweiterung seiner damaligen Firma - sie ist auf Software für Bestattungsunternehmen spezialisiert - Büroräume suchte. Dann führte er uns durch einen kleinen, durch wollene Vorhänge abgetrennten Vorraum in die Feierhalle, die das Erdgeschoß weitgehend einnimmt. Sie ist in der Mitte nach oben offen und soll - es fehlten noch die Bänke - bis zu einhundert Menschen aufnehmen können. Die Mitte ist durch ein steinernes Postament zum Aufstellen der Urne betont. Darüber hängt weit von oben herab ein Beleuchtungskörper, der durch seine an zahllosen unsichtbaren Fäden aufgehängten kleinen, weißen Porzellanplättchen ein schwebendes Kunstwerk bildet. Ein Gong soll die Abschiedsfeier einleiten und beenden. Musikbeispiele, die über die eindrucksvolle Musikanlage ertönten, ließen eine fast weihevolle Atmosphäre entstehen.


Urnenpodest mit Urne und Blütenschmuck im Feierraum der EICHE (1)

Betont wurde, dass Menschen, die in diesem Raum eine Abschiedsfeier ausrichten, diese nach ihren Wünschen gestalten können. Zum Ritual gehört, dass die Gäste sich auf einem der oberen Böden in der Nähe des Grabes von der Urne verabschieden können. Danach kehren die Angehörigen in den Feierraum zurück, wo inzwischen anstelle des Urnenpostaments Tische mit Wein und Brot stehen. Ergänzend zur Trauerfeier soll dieses Ritual Raum für Gespräche über den Verstorbenen und der Wahrnehmung einer neuen Familienhierarchie geben. Für einen Abschied in sehr kleinem Rahmen ist in einer Ecke der Feierhalle eine Kapelle abgeteilt, die mit einer Bank, einem Tisch für die Urne und einem Kunstwerk ausgestaltet ist. Geplant ist, dass der große Raum, die eigentliche Feierhalle, auch für andere Lebensfeiern, wie zum Beispiel Hochzeiten angemietet werden kann.


Gebälk mit moderner "Lampen-Skulptur", die über dem Feierraum herabhängt (2)

Die Seitenwände der oberen Böden sind für die Aufbewahrung der Urnen eingerichtet. In den zur Trave gelegenen Räumen, die durch ihre Fenster gut beleuchtet sind, sind die Urnenfächer mit einer Wand von künstlich gealtertem Spiegelglas bedeckt, das das Wellenspiel der Trave widerspiegeln soll. Speziell für die kleinen Urnenfächer wurden dabei eigene kastenförmige Aschengefäße entworfen. Ein großer Schreibtisch lädt dazu ein, Gedanken, Wünsche, Gefühle niederzuschreiben, die in Briefform in einen verschlossenen Kasten gesteckt werden können. Opulente Ruhesessel laden zu einem längeren Aufenthalt ein.


Verspiegelung vor den Nischen des Kolumbariums im ersten Stock der EICHE (3)

Die Urnenkammern in den dunkleren Galerien, die sich anschließen, sind mit Holz verschlossen. Manche der Kammern sind verschieden große, beleuchtete Vitrinen. Diese können Erinnerungsstücke aufnehmen. Ihre Gestaltung wird dem Gesamtkonzept entsprechend betreut. Erste Objekte sind schon aufgestellt und beeindrucken durch die Geschichten, die sie erzählen. So hat eine sehr alte Dame, die zu den ersten Ärztinnen in Deutschland gehörte, den Wunsch ihre Asche im Kolumbarium aufbewahrt zu wissen, mit der Aufstellung einer kleinen Skulptur des Denkers von Rodin aus ihrem Besitz verbunden.


Mit Holzpanelen verschlossene Nischen zum Einstellen der Urnen - zurzeit mit Fotos von Türen (4)

Es folgen Bibliotheksräume, in denen die Bücher in Themenfeldern aufgestellt sind, welche durch eingestreute Kunstwerke versinnbildlicht werden; zum Beispiel umrahmen Publikationen zum Thema Engel einen kleinen Clair-obscur-Holzschnitt von 1722 mit der Abbildung eines Engels.

Im nächsten Urnenraum sind die Wände regelmäßig in gleichgroße Kompartimente aufgeteilt, die zurzeit mit den von einem Künstler in ihrer Farbigkeit subtil vereinheitlichten Fotografien von alten Türen versehen sind. Die Türen, Sinnbilder der Trennungen zwischen dem Diesseits und dem Jenseits, werden beim Einstellen einer Urne durch eine Fotografie des Verstorbenen ersetzt. Das neue Bild wird farblich ebenfalls bearbeitet, so dass ein einheitlicher Raumeindruck erhalten bleiben bleibt.

Das "Paradies" - der Raum mit den kostengünstigsten Urnenplätzen - ist hinter einer eindrucksvollen 1000 Jahre alten, sehr schweren Baumscheibe verborgen, die zur Seite geschoben werden kann. Dahinter öffnet sich eine Nische, in die die Urne bei der Abschiedsfeier eingestellt wird. Der Raum dahinter ist der Öffentlichkeit nicht zugänglich. Nach der Feier schließt sich die Pforte des Paradieses wieder, indem die Baumscheibe wieder vor die Nische fährt.

Diskutiert wurde allerdings, dass Trauernde wegen der Gefährdung der denkmalgeschützten Holzdielen von 1873 keine Möglichkeit haben, Blumen in Vasen für ihre Verstorbenen aufzustellen. Auch die Möglichkeit, eigene Gestaltungsideen am Grab umzusetzen, ist kaum gegeben, da sich dort alles dem ästhetischen Prinzip eines Gesamtkunstwerkes zu unterwerfen hat. Anzumerken ist allerdings auch, dass die Initiatoren mannigfaltige Ersatzrituale anbieten.

Gesetzliche Friedhofsträgerin ist seit Februar dieses Jahres die Heilsarmee in Deutschland, die als eigenständige Religionsgesellschaft (Kirche) anerkannt ist. Damit gilt das Kolumbarium rechtlich als kirchlicher Friedhof, der ausschließlich der Urnenbestattung dient. Schon die Wahl der Heilsarmee als Trägerin signalisiert, dass hier kein Friedhof für Reiche entstanden ist, sondern dass sich das Angebot an jedermann richtet. Laut Friedhofsordnung werden einstellige und mehrstellige Urnenwahlgräber (maximale Urnenhöhe 29 cm) sowie Plätze in einem Gemeinschaftsgrab (maximale Urnenhöhe 40 cm) für handelsübliche Aschekapseln und Schmuckurnen angeboten. Die Mindestruhezeit beträgt 15 Jahre, wobei eine längere Ruhezeit vereinbart werden kann. Im Nutzungsvertrag wird entweder eine Endbestattung auf der Ostsee oder in einem Eichenhain im Ostholsteinischen vereinbart. Jede andere gesetzlich zulässige Bestattungsart ist ebenfalls möglich.

Insgesamt waren die Förderkreismitglieder und ihre Freundinnen von der Durchgestaltung des historischen Speichers zu einem ästhetisch anspruchsvollen Gesamtkunstwerk stark beeindruckt und dankten Michael Angern herzlich für die interessante, detailreiche und informative Führung.

Fotos: Barbara Leisner

Auflistung alle Artikel aus dem Themenheft Landschaftliche Gräberfelder (September 2022).
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