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OHLSDORF - Zeitschrift für Trauerkultur

Geburtstagsspaziergang über den Ohlsdorfer Friedhof

Autor/in: Olga Reher
Ausgabe Nr. 154,III,2021 - August 2021

"Der Friedhof soll nicht eine Stätte der Todten und der Verwesung sein. Freundlich und lieblich soll Alles dem Besucher entgegentreten und dadurch der Ort aus der umgebenden Landschaft herausgehoben und geweiht werden [...]." Das sind Worte des ersten Friedhofsverwalters und späteren Friedhofsdirektors Wilhelm Cordes über den am 1. Juli vor 144 Jahren eröffneten Ohlsdorfer Friedhof.


Der Friedhof sollte aber nicht nur als romantischer englischer Landschaftsgarten fungieren, sondern sich auch als wahre Schatztruhe für die Hamburger Geschichte erweisen. Denn auch die Friedhofs-und Bestattungskultur unterliegt den allgemeinen gesellschaftlichen und kulturellen Wandlungsprozessen. Damit ist zugleich das Thema des Geburtstagsspaziergangs über den Ohlsdorfer Friedhof umrissen, den der Förderkreis seit seiner Gründung im Jahr 1989 jedes Jahr am 1. Juli anbietet und an dem die Autorin teilgenommen hat.

Petra Schmolinske, die zur Gruppe der bewährten und mit dem Friedhof bestens bekannten Friedhofsführerinnen des Förderkreises gehört, zeigte alte Grabsteine und Skulpturen, die nicht nur eine persönliche Geschichte, sondern auch ein Stück Hamburger Geschichte erzählen. Beeindruckend waren insbesondere die alten familienbezogenen Grabstätten, die gesellschaftliche Identität auch nach dem Tod bedeuteten, und interessante Lebensgeschichten aufzeigen, wie z. B. der Familie Kutsch von Richard Kuöhl, des Schiffsmaklers John Fontenay oder von Friedrich Sieveking, eines Juristen und Ersten Bürgermeisters in Hamburg.


Petra Schmolinske, seit 20 Jahren aktiv, bei einer Führung vor dem Cordes-Denkmal

Dem heute größten Parkfriedhof der Welt lag schon bei seiner Einrichtung die Idee zugrunde, dass es in Hamburg niemals wieder einen Mangel an Bestattungsfläche geben sollte. Bei der Führung ging es zunächst um die Frage, wie groß der Ohlsdorfer Friedhof genau ist. Eine Antwort war: 566 Fußballfelder. Doch diese Angabe war Petra Schmolinske zu ungenau: Heute erstreckt sich der Friedhof - mit einer Fläche von 389 Hektar - in West-Ost-Richtung über eine Länge von 3,8 Kilometer und von Nord nach Süd von bis zu 2,2 Kilometern. Sein Umfang beträgt demnach ganze 11,5 Kilometer.

Es stand ebenso die wichtige Frage im Raum, wie eine so große Fläche mit ihrer Vielzahl von erhaltenswerten Grabmalen erhalten und geschützt werden könnte. Tatsächlich geht man im Denkmalschutzamt davon aus, dass nur sehr wenige der vorhandenen Grabsteine langfristig erhalten bleiben werden. Sehr viele Gräber und Steine werden entweder gleich nach Ablauf der Grabnutzungszeit abgeräumt oder aber nicht mehr gepflegt, bis sie vollkommen verfallen. Damit wird auch der Friedhof seinen Charakter in Zukunft sehr stark verändern. Um dem entgegenzuwirken, müsste eigentlich die gängige Praxis des Abräumens der Grabsteine nach dem Ende der Liegezeit aufhören.


Grabmal Sieveking (Z13, 33-44)

Grabmal Jonassohn (V12, 52-69)

Für den Förderkreis Ohlsdorfer Friedhof e. V., dessen Mitglieder sich ehrenamtlich für den Friedhof engagieren, ist es Ehre und Verpflichtung, sich für den Erhalt des Friedhofs als herausragendem Ort der regionalen, kulturellen und historischen Überlieferung einzusetzen. Und so hofft der Verein speziell durch seine Friedhofsführungen, aber auch durch Archivarbeit, Restaurierungsarbeiten und die Suche nach Patenschaften für Grabstätten den Menschen in Hamburg und von außerhalb bewusst zu machen, dass dieser berühmte Friedhof viel mehr ist als eine Bestattungsfläche.


Grabmal Cousin (ehem. Westendarp) (Z12, 1-19)

Schön wäre es, wenn sich noch mehr Menschen diesem Ziel anschließen und aktiv im Verein mitarbeiten würden. Denn es gibt viel zu tun, um den Friedhof in seiner Besonderheit auch für die Nachwelt zu erhalten.

Fotos: Olga Reher

Auflistung alle Artikel aus dem Themenheft Bildhauer Richard Kuöhl (August 2021).
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