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OHLSDORF - Zeitschrift für Trauerkultur

Christliche Themengärten und andere Besonderheiten: Der Südfriedhof Neumünster

Autor/in: Olga Reher
Ausgabe Nr. 151, IV, 2020 - November 2020

Eingang

Betritt der Besucher den kirchlichen Südfriedhof Neumünster durch das Haupttor, fällt sein Blick – über einen Vorplatz hinweg - auf die Auferstehungskapelle von 1958 (Umbau und Erneuerung 1997 von dem Sohn des Architekten, Willem Hain), die in sparsamer Bauweise von dem Architekten Friedrich Wilhelm Hain und Bauingenieur Heinrich Bülk entworfen und errichtet wurde.


Engelsfigur im Eingangsbereich.

Vorweg entdeckt der Besucher eine Engelsfigur am Eingangsbereich des Südfriedhofs. Sie wurde anlässlich einer Veranstaltung unter dem Motto "Ruhe bewahren - Zukunftsperspektiven für Friedhof- und Bestattungskultur" vom 12. bis 16. September 2007 von Karsten Lassen aus Schwarzenbek hergestellt. Die Engelsfigur trägt keinen Namen.

Das schwarz-glasierte große Kreuz in der Friedhofskapelle

Besonders beeindruckend ist das auffällig große schwarz-glasierte Kreuz von dem Hamburger Bildhauer und Künstler Jan Koblasa in der Friedhofskapelle. Es steht schwerfällig vor den Augen, so als würde der eigene Tod vor uns stehen und uns gefangen nehmen. Um die imposante Wirkung des Kreuzes in Szene zu bringen, wurde auf die Notwendigkeit eines schlichten Altars zurückgegriffen. Das Kreuz mit vielen Bilddetails erzählt vier wichtige Geschichten aus dem Leben Christi, die "Verkündigung" und das "Abendmahl" von Leonardo da Vinci, die "Sixtinische Madonna" von Raffael und die "Pieta" von Michelangelo.

Seelenfrieden

Umkreist man die Auferstehungskapelle, geht es auf einem festen, geschlängelten Weg in einen kleinen naturbelassenen Waldbereich mit einem kleinen Bachlauf und großen alten Bäumen, hinter denen sich ein Grabfeld und eine belaubte Rasenfläche öffnet. Das Grabfeld, das Platz für bis zu 400 Urnengräber bietet, trägt den Namen Seelenfrieden und wurde 2017 eröffnet. Um jeden Baum können fünf Urnen beigesetzt werden. Neben jedem Baum ist ein Seelenbrett mit einem Namensschild aufgestellt.


Wäldchen Seelenfrieden.

Das etwa 5000 Quadratmeter große Wäldchen wird mit Zäunen aus arrangierten toten Baumstämmen umschlossen, die Vögeln und Insekten Schutz bieten.

Gezeiten-Café

Geht man weiter geradeaus, entdeckt man das 200 Quadratmeter große eingeschossige Gezeiten-Café, eine kunstvoll gestaltete Begegnungsstätte für Friedhofsbesucher, Trauernde und Ratsuchende, geprägt durch seine prägnante Glasfront und das gewölbte Pultdach. Der Kirchenkreisbaupfleger und Architekt Karsten Wittorf hat das Gebäude allein entworfen und zusammen mit Architekt Markus Fehrs weiter ins Leben gerufen.


Kopf- und Blattskulpturen vor dem Gezeiten-Café. Foto: O. Reher

Vor dem Gebäude ist eine große Rasenfläche angelegt, die mit verschiedenen Kopf- und Blattskulpturen aus Holz, Metall und alten Grabsteinen von dem Gärtnermeister Sönke Schroeder entworfen wurden und die alle in Richtung Eingang schauen. Der Gastraum bietet Platz für 20 Personen und soll in erster Linie Friedhofsbesuchern, Kitas und Schulen die Themen Friedhof, Tod und Trauer näherbringen.

Die Ära der Themengärten

Mit dem 2005 eingeweihten Urnenfeld der "Lutherrose" begann auf dem Südfriedhof die Ära zumeist christlich geprägter Themengärten. Sie sind so beliebt, dass sie schon nach kurzer Zeit komplett belegt oder reserviert sind. Es handelt sich bei allen Themengrabstätten durchweg um Urnenbestattungen mit einheitlich gestalteten Namensplatten glecher Größe. Der Anteil der Urnenbeisetzungen in Neumünster beträgt derzeit 78 Prozent der Bestattungen, 1960 waren es nur 4 Prozent. Das ist Ausdruck unserer säkularisierten, mobilen Gesellschaft. Angehörige leben nicht mehr vor Ort und Menschen wollen niemandem zur Last fallen.

Der Apostelgarten

Ein paar Schritte weiter kann man den jüngsten Themengarten auf dem Südfriedhof entdecken. Es ist der "Apostelgarten" mit dem großen Pavillon in der Mitte, der im Jahr 2016 von dem Gärtnermeister Sönke Schröder entworfen wurde.


Apostelgarten mit großem Pavillon in der Mitte.

Die zwölf Apostel sind in diesem Grabfeld das Thema. Dabei stehen die zwölf Schiffchen für die zwölf Apostel (Petrus, Andreas, Jakobus der Ältere, Johannes, Philippus, Bartholomäus, Matthäus, Thomas, Jakobus der Jüngere, Simon, Thaddäus und Matthias). In der Mitte befindet sich eine Pyramide, die die Dreifaltigkeit darstellt.

Der Rosendom

Folgt man seinen Blick nach rechts, steht das im Jahre 2010 entworfene Urnen-Themengrabfeld namens "Rosendom".


Der Rosendom mit sieben Stahlstäben.

Auffällig sind die sieben glänzenden Stahlstäbe, an denen Kletterrosen emporranken. Die Zahl Sieben als Symbol der Vollkommenheit und die Rose als Symbol der Liebe sind die Gestaltungselemente. In der Bepflanzung von rosa, roten und weißen Rosen spiegelt sich die Dreifaltigkeit des Christentums wider. Die Zahl Sieben ist ein Symbol für die sieben Werke der Barmherzigkeit, die sieben Bitten des Vaterunser und die sieben Tage, in denen Gott die Welt erschaffen hat. Die Bank in der Mitte weist uns auf die sieben Tugenden Fides (Glaube), Caritas (Liebe), Spes (Hoffnung), Sapientia (Weisheit), Justitia (Gerechtigkeit), Fortitudo (Tapferkeit) und Temperantia (Mäßigung) hin. Im unteren Bereich der Stelen sind die Zeichen Alpha und Omega als Symbole für Anfang und Ende des Lebens eingearbeitet.

"Glaube-Hoffnung-Liebe"

Das nächste Themengrabfeld ist die Grabanlage "Glaube-Hoffnung-Liebe", auf der Platz für 273 Urnen ist. In den Grabtafeln ist das ineinander liegende Symbol "Kreuz-Anker-Herz" eingearbeitet, das die Grundform der gesamten Anlage ist. Das Herz, gestaltet mit roten Podestplatten, befindet sich in der Mitte. Der Wegverlauf beschreibt Anker und Kreuz.

Der Himmelsgarten

Schräg gegenüber befindet sich die Themengrabstätte "Himmelsgarten", die im Jahre 2013 eröffnet wurde und für Urnenbestattungen angelegt worden ist.


Der Himmelsgarten mit den schräg gen Himmel aufgestellten Spiegeln.

Der Himmelsgarten soll die Verbindung zwischen dem Himmel und der Erde symbolisieren, in dem der Betrachter die Möglichkeit hat, von einer zentral stehenden Bank auf die großen, schräg aufgestellten Spiegel gen Himmel zu schauen, und auf diesem Wege seine Gebete und Gedanken in den Himmel an die Verstorbenen zu schicken.

Der Ichthys-Garten

Besonders liebevoll gestaltet ist das Themengrabfeld "Ichthys-Garten" nebenan. Ichthys ist das griechische Wort für "Fisch" und enthält das Emblem der Dreifaltigkeit: I= "Jesus", Ch="Christus" (der Gesalbte), Th= "Gottes", Y= "Sohn" und S = "Retter/Erlöser". Der Fisch zählt zu den ältesten Symbolen des Christentums und steht für Verbundenheit und Zugehörigkeit. Das Hochkreuz auf dem Grabfeld soll die Vergänglichkeit zeigen, denn auch ein großes Kreuz aus massivem Stahl wird irgendwann zur Asche und Staub. Die Fische schwimmen auf das Hochkreuz zu und fungieren als Sinnbild der Wiederauferstehung. Die blaue Schrift der Grabplatten steht für den Himmel, als auch für das Wasser, die Seen und die Meere. Das Element Wasser wird durch die Spiegelungen des kleines runden Wasserteiches im Zentrum mit dem Himmel verbunden. Ohne Wasser gäbe es keine Pflanzen, Tiere und Menschen und der Himmel ist das Sinnbild vollendeter Glückseligkeit in Gott. Die beiden großen Metallrahmen sollen Bilderrahmen darstellen, die uns ermöglichen, mit unterschiedlichen Perspektiven zu spielen, und so unsere Sinneswahrnehmung zu schärfen.

Die "Lutherrose"

Eine weitere besondere Themenanlage ist die "Lutherrose", die im wahrsten Sinne des Wortes bei Sonnenschein am meisten funkelt. Sie wurde 2005 eingeweiht und nach dem Wappen des Reformators Martin Luther gestaltet. Sie sollte eine gute Option zu der anonymen Urnengrabstätte gleich daneben sein. Die Mitte dieser runden Anlage bildet ein gefülltes Kreuz aus alten Grabsteinen. Um das Kreuz herum ist ein Herz in graubrauner Farbe bepflanzt worden. Es steht mitten in einer weißen Rose, die Glaube, Freude, Trost und Friede vermittelt. Grabplatten aus Granit in goldener Farbschrift zeigen die Namen und Daten der Verstorbenen. Rundum glänzt blauer Glassplitt.

Der "Dorotheengarten"

Neben dem Apostelgarten befindet sich das Themengrabfeld "Dorotheengarten", das 2011 begründet wurde. Die Geschichte der heiligen Dorothea, Tochter christlicher Eltern im römischen Reich, ist ein Martyrium in der katholischen Kirche. Der heidnische Statthalter Apricius hielt um ihre Hand an. Sie wies ihn aber zurück, da Jesus Christus ihr Bräutigam sei. Der enttäuschte Statthalter folterte und verurteilte sie zum Tode. Auf dem Weg zum Hinrichtungsplatz betete Dorothea zu ihrem Bräutigam Jesus Christus. Der heidnische Jurist Theophilus sah das und verhöhnte Dorothea, in dem er sagte, dass er an Jesus Christus glauben würde, wenn er Blumen und Früchte aus dem Garten von Jesus Christus bekäme. Im selben Augenblick tauchte ein Engel auf und brachte Theophilus einen Korb voller Rosen und Früchte. Theophilus bekannte sich öffentlich zu Jesus Christus. Apricius ließ Theophilus und Dorothea hinrichten.

Der Schmetterlingsgarten

Der "Schmetterlingsgarten" befindet sich neben der Lutherrose. Bepflanzt wurde er mit 31 verschiedenen Sorten Sommerflieder und 90 unterschiedlichen Stauden. In der Mitte des Staudenbeetes steht eine große Tulpenblüte aus Stahl, über der drei aus Edelstahl angefertigte Schmetterlinge "schweben". Die Schmetterlinge drehen sich bei Wind, und sollen den Wiederauferstehungsglauben der Christen symbolisieren. Drei Schmetterlinge stehen für Vater, Sohn und den heiligen Geist.

Die zwölf Steinkörbe aus alten, gebrochenen Grabsteinen sollen einen schützenden Raum bilden. Die heilige Zwölf im Christentum symbolisiert die zwölf Jünger und die zwölf Apostel. Die vier zusammenstehenden Steinkörbe erinnern an das irdische Leben und seine Vergänglichkeit: Die vier Jahreszeiten, die vier Himmelsrichtungen, die vier Elemente Feuer, Wasser, Erde und Luft und die vier biblischen Evangelien.


Der Schmetterlingsgarten mit seinen schwebenden Schmetterlingen aus Edelstahl.

Zur Entstehung des Friedhofs und seine Geschichte

Der circa 30 Hektar große, waldartige Südfriedhof wurde als geplante Gesamtanlage nach den Plänen des Hamburger Gartenarchitekten Schackendorf angelegt und am 8. September 1929 von dem ehemaligen Propst Johannes Jürgensen Meifort eröffnet. Die erste Beisetzung fand am 16. Juni 1930 statt. Als Nachfolger des Friedhofsverwalters Hermann Rieke gestaltete Carl von Schierstedt 1948 die Friedhofsanlage im Hinblick auf die Gestaltung einer Gedenkanlage an die Kriegstoten. Schierstedt entwarf weitere Gefallenen-Ehrenmale und Friedhofsanlagen in ganz Schleswig-Holstein. Sein Grabmal steht im Osten des Nordfriedhofs.

In den Jahren 1942 und 1943 wurde ein neues Grabfeld eingerichtet, das aus drei Teilen bestand: den Ehrenhof, das Soldatengräberfeld und das Feld für zivile Todesopfer (164 Soldaten und 726 zivile Opfer von Bombenangriffen auf Neumünster aus den Jahren 1942-1945). Eine 20 cm dicke Gedenkplatte im Eingangsbereich sollte bei Trauerfeiern im Freien als Sockel für den Sarg dienen.

Der Standort für eine neue Friedhofskapelle, der ursprünglich im Zentrum auf der vorderen Freifläche liegen sollte, wurde nach hinten verlegt. So entstand eine große Blickachse bis zum überdimensionalen schwarzen Hochkreuz, das den Fokus für die Kriegsgräber bildet. Die neuen Flächen wurden mit Heide bepflanzt. Diese Neuanlage wurde zur damaligen Zeit wegen ihrer schlichten Gestaltung bewundert und war Vorbild für viele Friedhöfe in Schleswig-Holstein.

Fotos: Olga Reher

Auflistung alle Artikel aus dem Themenheft Begräbnisplätze in Schleswig-Holstein (November 2020).
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