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OHLSDORF - Zeitschrift für Trauerkultur

Tod und Natur: Das Begräbnis des Dichters Klopstock in Ottensen im Jahr 1803

Eine berühmte Grabstätte

Friedrich Gottlieb Klopstock, der bedeutende Vertreter der literarischen Empfindsamkeit im 18. Jahrhundert, wurde am 2. Juli 1724 in Quedlinburg geboren und wuchs in einer pietistischen Familie auf. Nach verschiedenen Stationen lernte Klopstock im Frühjahr 1751 in Hamburg die Kaufmannstochter Meta Moller kennen. Mit ihr verlobte er sich im Folgejahr und heiratete sie 1754. Meta verfasste eigene Werke und wurde als empfindsame Briefschreiberin bekannt, die in ihren Texten die Mentalität ihrer Epoche beispielhaft spiegelte. Nach der Hochzeit verbrachte das Paar einige Zeit in Dänemark. Die als "Cidli" in Klopstocks Werk bekannte Meta Klopstock starb im Kindbett bei der Totgeburt des gemeinsamen Sohnes am 28. November 1758. Im Folgejahr erwarb Friedrich Gottlieb Klopstock – statt der ihm als gesellschaftliches Privileg zustehenden Hamburger Kirchengruft – auf dem inmitten ländlicher Natur gelegenen Christians-Kirchhof des damals dänischen Dorfes Ottensen vor den Toren Altonas eine Grabstätte. Mit seiner Lage und nicht zuletzt mit Metas Grabmal, dessen Gestaltung das Zeitalter der Empfindsamkeit repräsentierte, wurde diese in den folgenden Jahrzehnten zu einem Pilgerort für das gebildete Bürgertum.


Klopstocks Grabstätte auf dem Christians-Friedhof in Ottensen

Klopstocks Tod - Nach wechselnden Aufenthalten lebte Klopstock in den 1760er-Jahren zunächst in Dänemark. In den 1770er-Jahren kehrte der Dichter nach Hamburg zurück und zählte zu den gefeierten Persönlichkeiten in der Gesellschaft der Hansestadt. 1791 heiratete er die Kaufmanns- und Verlegertochter Johanna Elisabeth von Winthem, eine Nichte von Meta. Friedrich Gottlieb Klopstock starb am 14. März 1803 in Hamburg. Er wurde neben Meta auf der Grabstätte in Ottensen beigesetzt. An seinem Begräbnis beteiligten sich Zehntausende von Menschen, es wurde zu einem gesellschaftlichen Ereignis wie nur wenige Trauerzüge zuvor. Der Hamburger Domherr Friedrich Johann Lorenz Meyer erinnerte sich: "Ein langes Gefolge von Wagen fremder Gesandten und hamburgischer Bürger, Senatoren, Gelehrte, Kaufleute, Kirchen- und Schullehrer schloß sich vor der Wohnung des Verstorbenen an den Leichenkondukt. Auf dem vierspännigen, offenen, von vier Führern geleiteten Trauerwagen stand der ganz einfache Sarg, schwarz bezogen, in seinen Seitenfüllungen mit Samtstreifen eingefaßt, auf weiß metallenen Fußgestellen ruhend. Auf seiner Deckelfläche lag ein von ähnlichem Metall geformtes Buch, an einen Kranz von verflochtenen Palmen- und Eichenzweigen gelehnt."

Durch zuströmende Menschen ständig vergrößert, setzte sich der Trauerzug dann unter dem Geläut der Kirchenglocken von Klopstocks Wohnhaus in der Hamburger Königstraße (heute Poststraße) aus Richtung Ottensen in Bewegung. Im Anschluss an die Trauerfeier in der Christianskirche fand die Beisetzung auf dem Kirchhof statt. Der ins Grab hinabgesenkente Sarg war übersät mit den "blühenden Erstlingen des Frühlings und mit Lorbeerzweigen", wie Domherr Meyer vermerkte. Auch Klopstocks zweite Frau wurde nach ihrem Tod 1821 in Ottensen beigesetzt. Bis heute zählt die Klopstock-Grabstätte zu den berühmtesten sepulkralen Plätzen in Deutschland. In Ottensen erinnern außerdem Klopstockstraße, -platz und -terrasse an den Dichter.

Tod und Natur im bürgerlichen Zeitalter - Die Klopstock-Grabstätte in Ottensen ist ein Beispiel für neue Muster der Sepulkralkultur, wie sie sich im bürgerlichen Zeitalter entwickelten. Dabei wurden Natur und Landschaft zu einem zentralen Leitbild. Einzelne Vorbilder stammten aus dem 18. Jahrhundert. Zwar frühe Ausnahme, jedoch ein vielbeachtete Pionieranlage ist der Friedhof der pietistischen Herrnhuter Brüdergemeine (Herrnhut, 1730) mit seinen gepflegten Rasenflächen und den für alle gleich gestalteten Grabstätten. Neben Klopstocks Grab bildet das Inselgrab des französischen Philosophen Jean-Jacques Rousseau im Park zu Ermenonville (1776/78) nordwestlich von Paris ein weiteres prominentes Beispiel für die Synthese von Tod und arkadischer Natur. Es wurde ebenfalls zu einer vielbesuchten Pilgerstätte des gebildeten Bürgertums.

Auch die Theorie wandte sich der Synthese von Tod, Friedhof und Natur zu. In seiner mehrbändigen, 1779-85 erschienenen "Theorie der Gartenkunst" widmete der Kieler Philosophieprofessor Christian Cay Lorenz Hirschfeld dem Friedhof eigene Abschnitte. Hirschfeld konzipierte in dem Werk den Friedhof als Parklandschaft nach englischem Muster. Dieses Ideal wurde dann mit den Parkfriedhöfen des 19. Jahrhunderts international in die Praxis umgesetzt. Ein berühmtes frühes Beispiel ist der Pariser Friedhof Père Lachaise (1804). In Deutschland entstanden Parkfriedhöfe vergleichsweise spät, wichtige Stationen sind Hauptfriedhof Schwerin (1863), Südfriedhof Kiel (1869), Friedhof Riensberg in Bremen (1875), Ohlsdorfer Friedhof in Hamburg (1877).

Foto: Norbert Fischer

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