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OHLSDORF - Zeitschrift für Trauerkultur

Die ehemalige St.-Petri-Begräbniskapelle – ein oft unterschätztes Denkmal

Wer in Hamburg lebt, wird sie mit Sicherheit schon einmal passiert haben – und doch ist die ehemalige St.-Petri-Begräbniskapelle nur wenigen Menschen ein Begriff.

Die Friedhofskapelle aus der Zeit um 1800 befindet sich auf dem Gelände der Messehallen hinter einem hohen Zaun, steht leer und ist der Öffentlichkeit nicht zugänglich. Hier fristet sie ihr Dasein und wirft Fragen danach auf, was es mit dem außergewöhnlichen Bauwerk an diesem Ort wohl auf sich haben mag. Spürt man dem nach, so eröffnen sich Einblicke in ein komplexes Geflecht aus kulturellen Entwicklungen, einflussreichen Personen und Institutionen der Hamburger Stadtentwicklung und architektonischen Strömungen.


Die ehemalige St.-Petri-Begräbniskapelle, Friedhofsseite (Ausschnitt)

Ende des 18. Jahrhunderts machten Platzmangel und katastrophale hygienische Verhältnisse auf den innerstädtischen Kirchhöfen die Verlegung der Begräbnisse aus der Stadt hinaus unumgänglich.1 So wurden vor dem Steintor sowie vor dem Dammtor Begräbnisplätze angelegt. Für die 1794 vor dem Dammtor eingerichteten Begräbnisplätze des Kirchspiels St. Petri und der Kirche des Klosters St. Johannis entwarf der Baumeister Johann August Arens eine gemeinsame Kapelle für Trauerfeiern.2 Arens wurde durch die wohltätige Hamburgische Gesellschaft zur Beförderung der Künste und nützlichen Gewerbe, der späteren Patriotischen Gesellschaft von 1765, gefördert, die die Verlegung der Begräbnisplätze maßgeblich mit vorangetrieben hatte.3


Die ehemalige St.-Petri-Begräbniskapelle (historische Postkarte)

Der Typus der Begräbniskapelle stellte eine neue Bauaufgabe dar, der Arens mit dem Entwurf einer Torhauskapelle begegnete.4 Stilistisch zeigt sich deutlich der Einfluss der sogenannten Revolutionsarchitektur, die geprägt ist von der Verwendung geometrischer Grundformen und der "Architecture parlante". Durch die aus einem Quader und einem Zylinder gebildete Torkapelle hindurch wurden die Toten sinnbildlich von der Welt der Lebenden in das Totenreich überführt.

Mit der Eröffnung des Friedhofs Ohlsdorf im Jahr 1877 wurden die Begräbnisplätze vor dem Dammtor nicht mehr benötigt und in den 1930er Jahren schließlich aufgelassen.5 Etwa zur gleichen Zeit, im Jahr 1924, wurde die St.-Petri-Begräbniskapelle in die Hamburger Denkmalliste eingetragen.6 Dass ihr mit der Schließung der Begräbnisplätze die ursprüngliche Nutzung entzogen war, machte dem kleinen Bauwerk fortan das Überleben schwer. Immer wieder wurden bis in die jüngste Vergangenheit der vollständige Abbruch oder der Abbruch mit anschließendem Wiederaufbau an anderer Stelle diskutiert.7 Obgleich ein Wiederaufbau an anderer Stelle als eine verlockend einfache Möglichkeit erscheinen mag, das Gebäude wieder einer Nutzung zuzuführen, ist es ganz so einfach nicht. Diese sogenannte Translozierung würde das Denkmal in seiner Substanz verändern und seine städtebaulichen Bezüge aufheben.

Wie sich dies auf den Denkmalwert der ehemaligen Kapelle auswirken würde, wird nun im Rahmen einer Masterarbeit untersucht. Grundlegende Voraussetzung hierfür ist die Kenntnis über die vielen verschiedenen Bauphasen, da das Gebäude im Laufe seiner Geschichte mehrfach verändert wurde. Als besonders hervorzuhebende Bauphase sei die sogenannte „Wiederherstellung“ mit tiefgreifenden Veränderungen im Vorfeld der Internationalen Gartenbauausstellung im Jahr 1953 erwähnt. Um die bauliche Entwicklung im Detail nachzuvollziehen, wird das Gebäude nun verformungsgetreu vermessen, Auffälligkeiten an der Substanz untersucht und die Ergebnisse mit den Informationen aus schriftlichen und bildlichen Quellen abgeglichen.

Hinweise auf mündliche oder schriftliche Überlieferungen sowie Fotografien aus privaten Beständen können hierbei eine wichtige Rolle spielen und sind unter der folgenden E-Mail-Adresse aufs herzlichste willkommen: [email protected]

Anmerkungen:
1 Kändler, S. 18–19; 36.
2 Suhr 1842, S. 142.
3 Patriotische Gesellschaft 1790, 57; 79.
4 An dieser Stelle sei auf den in Ausgabe Nr. 96 dieser Zeitschrift erschienenen Artikel "Torhaus und Friedhofskapelle: Anmerkungen zu einer neuen Bauaufgabe in Hamburg um 1800" von B. Leisner verwiesen.
5 Kändler, S. 44.
6 Grundmann 1960, S. 212.
7 Grundmann 1960, S. 123.

Literatur:
- Grundmann, Günther (1960): Grossstadt und Denkmalpflege. Hamburg 1945 bis 1959.
- Kändler, Eberhard: Begräbnishain und Gruft. Die Grabmale der Oberschicht auf den alten Hamburger Friedhöfen. Hamburg (Arbeitshefte zur Denkmalpflege in Hamburg, Bd. 17).
- Patriotische Gesellschaft (Hg.) (1790): Verhandlungen und Schriften der Hamburgischen Gesellschaft zur Beförderung der Künste und Nützlichen Gewerbe (1).
- Suhr, Jürgen (1842): Beschreibung der Sanct Petri-Kirche zu Hamburg und ihres Thurmes. Nebst einem chronologischen Verzeichnisse des hochlöblichen Kirchen-Collegiums und der Herren Prediger sowie vier erläuternden Abbildungen. Hamburg: Perthes, Besser & Mauke.

Fotos: Staatsarchiv Hamburg

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