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OHLSDORF - Zeitschrift für Trauerkultur

Erlaubt ist was gefällt? Warum die Mensch-Haustier-Bestattung so umstritten ist

Autor/in: Holger Wende
Ausgabe Nr. 149, II, 2020 - Mai 2020

Der Ohlsdorfer Friedhof hat nach der Änderung des Hamburger Bestattungsgesetzes, welches eine gemeinsame Beisetzung von Mensch und Haustier auf einem Grabfeld ermöglicht, eine Beisetzungsfläche genau für diesen Zweck gewidmet.

Im April 2020 wurden die ersten Beisetzungen vorgenommen. Die Anlage befindet sich an der Sorbusallee, Kreuzung Kirschenallee.

Wolfgang von Goethe wird das Zitat zugeschrieben: "Erlaubt ist was gefällt". Auf der ethischen Ebene spielen diverse Interessenträger eine gewichtige Rolle, wenn es um die Zulassung von gemeinsamen Begräbnissen von Mensch und Haustier geht. Sehr schön legt Ulrike Neurath in ihrem Buch über "Tier und Tod. Mensch und Tier am Beispiel von Tierbestattungen" dar, dass Tiere bis ins 20. Jahrhundert Sachen waren, die es durch den Abdecker oder Scharfrichter zu beseitigen galt (S. 62-63). Das Erkennen, dass Tiere mehr sind als eine Sache, ist ein gesellschaftlicher Prozess. 1990 wurde § 90a BGB eingeführt, der Tiere eine sui generis Eigenschaft zuerkennt, ohne sie als beseelte Entität darzustellen. Aber innerhalb der christlichen Kirchen überwiegen weitestgehend Ablehnung gegenüber Trauerfeiern für Tiere, wenngleich es in Einzelfällen differenzierte Standpunkte gibt.


Was wir für das 21. Jahrhundert gelernt haben ist, dass es nicht die eine Religion oder Weltauffassung gibt, die einen absoluten Wahrheitswert für sich in Anspruch nehmen kann. Warum versuchen wir nicht uns auf Lessings Spuren der Toleranz zu begeben? "Tolerare" wird übersetzt mit "erdulden", "ertragen". In unserer multikulturellen Gesellschaft leben wir schon sehr lange gut mit einer weitgehenden Freiraumgestaltung für das andere Denken. Daher ist die Ermöglichung von Mensch-Haustier-Bestattungen in Ohlsdorf nur eine noble Art, denjenigen eine Verbundenheit über den Tod mit ihren Lieblingsbegleitern zu ermöglichen, die sich das wünschen. Wir sollten auch in der Friedhofskultur den verschiedenen Strömungen und Wünschen der Gesellschaft Rechnung tragen.

Fotos: Britta Heitmann / Holger Wende

Auflistung alle Artikel aus dem Themenheft Friedhof als "Immaterielles Kulturerbe" (Mai 2020).
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