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OHLSDORF - Zeitschrift für Trauerkultur

Neuer Trend aus den USA: Kompostbestattung

Autor/in: Holger Wende
Ausgabe Nr. 147, IV, 2019 - November 2019

Im Mai 2019 ist durch alle Deutschen Nachrichtenkanäle folgende Meldung geflogen: Zulassung erteilt von Kompost-Bestattungen für Menschen in den USA, genauer in Washington.

Der Firma Recompose, einem Start-UP Unternehmen, war aufgefallen, dass es energetisch-bilanziell nicht gut ist, wenn der Mensch verbrannt wird, weil viel Energie aufgewendet werden muss und ein Großteil der wertvollen Biomoleküle eines Körpers durch die Kremation zerstört werden. Außerdem entstehen bei der Verbrennung diverse Giftstoffe, die mit teuren Anlagen aus der Abluft herausgefiltert und dann ordnungsgemäß als Sondermüll entsorgt werden müssen. In Hamburg liegt der Anteil der Kremationen inzwischen bei 80 % aller Bestattungen. Die amerikanische Firma möchte nun ein althergebrachtes Verfahren aus der Landwirtschaft, das seit Jahrzehnten für Tiere gebräuchlich ist, auf Menschen anwenden. 5000 Dollar soll das Verfahren pro Verstorbenen kosten. Damit wäre es nach US-amerikanischen Verhältnissen teurer als eine Kremation und günstiger als eine Erdbestattung.

In der Landwirtschaft werden in Schnellkompostern biologische Bestandteile zusammen mit einem Kompostierungs-Beschleuniger in einen abgeschlossenen Kompostbehälter gegeben, in dem diverse Mikroorganismen dafür sorgen, dass aus dem Biomaterial Kompost-Erde wird. Das Verfahren funktioniert auch für Tiere, gleich welcher Größe, und soll gut erprobt sein. Die US-Firma Recompose verspricht, dass in der Prozessröhre in dem o.g. Verfahren von einem Menschen innerhalb von 30 Tagen nur noch Kompost übrig bleibt (wie so ein Behälter aussehen könnte, kann man gut in dem Video beim Tagesspiegel sehen: https://video.tagesspiegel.de/oko-bestattung-leichen-als-kompost.html). Dies sei deutlich naturverträglicher als die Kremation und auch verträglicher als die Erdbeisetzung.

Die zweite Behauptung möchte ich ausdrücklich dahingestellt sein lassen. Warum sollen über einem Transformationsprozess, der über 20 Jahre anhält, andere Schadstoffe entstehen bzw. übrigbleiben, als wenn man die Prozesszeit ohne chemische Zusatzstoffe und bindende Ausfällungen auf 30 Tage begrenzt.

Wenn die Vordenker neuer Bestattungsformen auf die Idee kommen sollten, aufgrund der neuen Verfahren, die bisher gesetzlich vorgeschriebene Ruhezeit von 20 oder 25 Jahren aufzuheben oder stark zu verkürzen, dann sollte man sich auch vor Augen führen, dass ein Bestattungsplatz, also eine Grabstätte, auf einem Friedhof auch ein Trauerort und Gesprächsort für die Trauernden ist. Solche Trauerorte sollten für die Hinterbliebenen und Freunde einige Jahre als Anlaufstelle bestehen bleiben, weil wir wissen, wie wichtig konkrete und individuelle Trauerstellen sind. Bedenklich ist allerdings, dass die Gemeinde Olching in Bayern schon jetzt die Ruhezeit im Urnengrab auf zwei Jahre beschränkt und damit vor dem Bundesverwaltungsgericht Recht bekommen hat.

Wenn man andererseits bedenkt, dass die katholische Kirche fast 100 Jahre gebraucht hat, um im Zweiten Vatikanischen Konzil die Feuerbestattung als eine Bestattungsart für Katholiken zu genehmigen, kann man wohl jetzt schon sicher sein, dass die Amtskirchen viele Argumente finden werden, warum die Kompost-Bestattung nicht zu den tradierten und gut begründeten Bestattungsformen gehört und deshalb nicht erlaubt werden sollte. Auch in Hamburg ist rund die Hälfte aller Friedhöfe unter konfessioneller Trägerschaft geführt. Nach derzeitig gültiger Gesetzeslage in den Bestattungsgesetzen der Bundesländer ist eine Kompost-Bestattung auf jeden Fall nicht genehmigungsfähig.

Auflistung alle Artikel aus dem Themenheft Kunst in Hamburg (November 2019).
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