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OHLSDORF - Zeitschrift für Trauerkultur

Friedhof der Namenlosen: Zwei Schauplätze des maritimen Todes in Cuxhaven

An der Nordseeküste und auf den Inseln gibt es eine Reihe von so genannten Namenlosen-Friedhöfen. Zu den bekanntesten zählen die Begräbnisstätten von Westerland auf Sylt, Nebel auf Amrum sowie jene auf den Inseln Spiekeroog, Neuwerk und Pellworm. Fast unbekannt sind hingegen zwei kleine Anlagen in Cuxhaven.

Eine dieser beiden Anlagen, ein Friedhof für Namenlose und Tote von Quarantäneschiffen, ist schon seit langem verschwunden. Es handelte sich um den inoffiziell so genannten "Paul-Ahrens-Kirchhof". Er lag auf einer Wurt im Hafengebiet und wurde nach dem Quarantänewächter Paul Ahrens benannt. Im 19. Jahrhundert diente dieser Paul-Ahrens-Kirchhof sowohl der Beerdigung der Toten aus dem Cuxhavener Quarantänehafen als auch der Beerdigung von unbekannten Strandleichen aus der Elbe. Im Zuge der Hafenerweiterungsbauten und des Baues der östlichen Hafenböschung zwischen 1860 und 1870 wurde die Begräbnisanlage beseitigt (nach Karl B. Kühne: Cuxhaven. Der lange Weg zum Universalhafen. 1610-1992. Cuxhaven 1993, S. 53-55).

Hingegen ist ein weiterer Schauplatz des maritimen Todes bis heute als Begräbnis- und Gedenkort erhalten geblieben: das Grab für einen unbekannten Seemann. Allerdings liegt es völlig im Verborgenen auf einem Anwesen in Arensch, einem Dorf der so genannten Cuxhavener Küstenheide. Kein Schild weist den Weg vom nahen, vielgenutzten Wander- und Radweg, der sich zwischen dem Arenscher Außendeich und der Ortslage Arensch an der Küste entlang zieht. Der Blick nach Westen zeigt die weiten Außendeichsflächen und das Sahlenburger Watt, am Horizont ragt die Insel Neuwerk mit ihrem historischen Leuchtturm auf. Auf der anderen, östlichen Seite der Wanderroute führt ein kaum erkennbarer Pfad in ein undurchdringlich wirkendes, von dichtem Busch- und Baumbestand geprägtes Areal. Durchs Unterholz schlängelt sich dieser Pfad dann weiter Richtung Norden. Nach kurzer Zeit stößt man hier auf einen verwunschenen Platz mit einem Findling, der die Inschrift trägt: "Hier ruhet ein unbekannter Seemann. 1864." Die weitere Inschrift ist großenteils verwittert und daher kaum noch entzifferbar, nur halbwegs lesbar sind noch die Worte "Sucht ihr … " und "im Himmel". Umrahmt ist die Stätte von kopfüber eingegrabenen grünen Flaschen.

Recherchen im Stadtarchiv Cuxhaven ergaben erste Hinweise auf die Geschichte dieses heute fast völlig vergessenen Begräbnis- und Gedenkortes. In der Hofchronik der Arenscher Bauernfamilie Thalmann, verfasst von einer Nachfahrin, findet sich folgende, hier auszugsweise zitierte Passage: "Am Dünenrand war ein kleiner Friedhof der Heimatlosen. Am 8.5.1864 war eine Seemannsleiche durch die Fluten angespült. Onkel Klaus und mein Großvater hatten sie gefunden. Da sich von den Angehörigen aber niemand meldete, konnten unsere Vorfahren sie dort beerdigen. Sie setzten ihm einen schönen Findling … Tante Wilhelmine übernahm die Pflege der kleinen Grabstätte. … Hübsche Tannen zieren das Grab" (Chronik der Thalmänner zu Arensch 1803-1926, Stadtarchiv Cuxhaven, Signatur B-5106). Übrigens erwähnt auch der Schriftsteller Joachim Ringelnatz, der während seines Militärdienstes in der Nähe stationiert war und dem in Cuxhaven ein Museum gewidmet ist, die Anlage in seinem 1928 erschienenen Werk "Als Mariner im Krieg".

Memorial
Memorial für einen unbekannten Seemann in Arensch / Cuxhavener Küstenheide. Foto: N. Fischer

Arensch, Berensch und die anderen Dörfer der südlich von Cuxhaven gelegenen Küstenheide bilden bis heute eine Welt für sich. Sie zählen zu jenen raren Regionen an der deutschen Nordseeküste, wo Geest-, Heide- und Moorflächen direkt an die Küstenlinie heranreichen. Es war früher eine eher ärmliche Gegend, nur wenige Landwirte gab es in den Dörfern der Küstenheide. In Arensch verfügte die Hofbesitzer-Familie Thalmann über einen relativ großen Besitz. Einige der Familienmitglieder zählten, wie die Quellen im Stadtarchiv Cuxhaven dokumentieren, zu den einflussreichen Persönlichkeiten in den Dörfern der Küstenheide. Nachfahren der Hofbesitzer-Familie Thalmann haben nachweislich bis zum Jahr 2002 noch die maritime Begräbnis- und Gedenkstätte in Arensch gepflegt.

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Auflistung alle Artikel aus dem Themenheft Gruftbestattungen (August 2013).
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