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OHLSDORF - Zeitschrift für Trauerkultur

200. Todestag von Philipp Otto Runge

Autor/in: Peter Schulze
Ausgabe Nr. 111, IV, 2010 - Oktober 2010

Am 2. Dezember 2010 jährt sich zum zweihundertsten Male der Tag, an dem der Maler Philipp Otto Runge in Hamburg im Alter von nur 33 Jahren an einem Lungenleiden gestorben ist.

Runge gilt neben Caspar David Friedrich als der bedeutendste Maler der norddeutschen Romantik. Er wurde am 23.7.1777 in Wolgast im damals schwedischen Vorpommern als neuntes von elf Kindern des Kaufmanns und Reeders Daniel Nicolaus Runge und seiner Frau Magdalena Dorothea geboren. Bereits früh erkrankte er an Lungentuberkulose. Obwohl sein Vater auch für ihn eine kaufmännische Laufbahn vorgesehen hatte, setzte er sich mit seinem Wunsch, Maler zu werden, durch. 1795 kam er nach Hamburg, wo er zunächst in die zwei Jahre zuvor gegründete Speditionshandlung seines Bruders Daniel in der Straße Bei den Mühren eintrat. Doch schon bald erkannte Daniel, dass sein Bruder nicht zum Handlungsgehilfen geeignet war. Mit seiner Unterstützung konnte Philipp Otto ab 1797 Zeichenunterricht bei Heinrich Joachim Herterich und Gerdt Hardorff d. Ä. in Hamburg nehmen und von 1799 bis 1801 Malerei an der königlichen Akademie in Kopenhagen sowie von 1801 bis 1804 an der Kunstakademie von Dresden studieren.1 Während seines Studiums in Dresden lernte Philipp Otto Runge im Hause seines Lehrers Anton Graff die fünfzehnjährige Pauline Susanna Bassenge kennen und lieben. Der Vater, ein Dresdener Handschuhfabrikant, lehnte seinen Heiratsantrag ab, weil Pauline erst 15 Jahre alt war, die Mutter aber begünstigte die Liebenden, und am 3. April 1804 durfte der Maler seine nun 18jährige Braut, die ihm auch mehrfach als Modell gedient hatte, heiraten.

Runge
Philipp Otto Runge, Selbstbildnis um 1805. Kunsthalle Hamburg

In Dresden kam Runge in Kontakt mit dem Dichter Ludwig Tieck, der ihn mit der mystischen Literatur des frommen Philosophen Jakob Böhme und der romantischen Dichtung und der Philosophie der Zeit bekannt machte. Auf einer Reise nach Weimar lernte er Johann Wolfgang von Goethe kennen, mit dem er einen intensiven Gedankenaustausch über die Farbenlehre führte. Runge entwarf das erste dreidimensionale Farbmodell, eine Farbenkugel mit den Polen Weiß und Schwarz.

Nach der Heirat in Dresden ließen sich die Runges in Hamburg nieder. Aus der Ehe gingen drei Söhne und eine Tochter hervor. Runges Schwiegermutter, Frau M. F. Bassenge, stellte sich regelmäßig in Hamburg ein, wann immer Nachwuchs eintraf. 1809, zur Geburt des dritten Enkels, hat Runge ein Porträt von ihr gemalt. Als sie im nächsten Jahr wieder nach Hamburg kam, war der dreiunddreißigjährige Maler eben gestorben, einen Tag vor der Geburt des vierten Kindes. Mutter Bassenge holte Pauline und die Enkelkinder zurück nach Dresden.

Beeinflusst durch die romantische Dichtung und Philosophie seiner Zeit erstrebte Runge eine ursprüngliche Naivität im Sinne der Romantik auch in der künstlerischen Darstellung. Die "Vier Zeiten", Symbole für die vier Tageszeiten Morgen, Tag, Abend und Nacht, gelten als sein Hauptwerk, sind aber unvollendet geblieben und nur zum Teil als Kupferstichvorlagen und Skizzen überliefert. Ausgeführt als Gemälde wurde "Der Morgen". Dieses Gemälde ist im Besitz der Hamburger Kunsthalle ebenso wie der gesamte zeichnerische Nachlass des Künstlers und mehrere meisterliche Kinder- und Familienporträts, wie zum Beispiel "Die Hülsenbeckschen Kinder" und "Die Eltern".

Bei kaum einem anderen Künstler hat sich so deutlich gezeigt, wie sehr Not und Elend seine Schaffenskraft beflügeln können. Denn es war die Zeit der Kontinentalsperre und der Besetzung Hamburgs durch französische Truppen, in der diese bedeutendsten Werke der deutschen Romantik entstanden. Einen Brief an ihren Vater in Dresden beendet Pauline mit dem Satz: "Otto thut so was er kann bringt alles in ordnung und wen er Zeit übrig hat und nichts anderes thun kann so zeignet er."

Weniger bekannt ist, dass Philipp Otto Runge auch Gedichte geschrieben hat und Märchen verfasste. Er schrieb in pommerscher Mundart die beiden Märchen "Von dem Machandelboom" und "Von dem Fischer un syner Fru". Über Achim von Arnim und Clemens von Brentano gelangten diese Märchen an die Gebrüder Grimm, die beide Stücke 1812 in den erstmalig herausgegebenen "Kinder- und Hausmärchen" veröffentlichten.2

Rungegrab
Grabstein für Philipp Otto Runge auf dem Althamburgischen Gedächtnisfriedhof in Hamburg-Ohlsdorf. Foto: J. Meinert

Ende März 1810 zeigten sich bei Philipp Otto Runge deutlich die ersten Symptome einer Lungenschwindsucht, der er am 2. Dezember desselben Jahres erlag. Drei Tage später wurde er im Erbbegräbnis des Buchhändlers Friedrich Perthes auf dem St. Petri-Begräbnisplatz vor dem Dammtor beigesetzt. Seine Frau Pauline starb am 26. April 1881 im Alter von 96 Jahren in Hamburg. Sie hat ihren Mann somit um mehr als 70 Jahre überlebt. Wegen der Aufhebung der Dammtorfriedhöfe erfolgte im Jahre 1935 die Umbettung nach Ohlsdorf. Die sterblichen Reste Runges, seiner Frau und deren Angehörigen, wie es in den Aufzeichnungen des Chronisten und Rechtsanwalts Hans W. Hertz heißt, ruhen seitdem in einem Ehrengrab an exponierter Stelle auf dem Althamburgischen Gedächtnisfriedhof in Hamburg-Ohlsdorf (Grablage P 6, Grab Nr. 15). Die dort befindliche Stele, die mit einem kreisförmigen Porträt-Relief nach einem Selbstbildnis Runges das Andenken an den berühmten Maler wachhält, wurde in den Jahren 1953/54 von dem Wedeler Bildhauer Egon Lissow (1926-1990) geschaffen, der seinerzeit auch Leiter des Hamburger Friedhofskulturdienstes war. Im Stadtteil Barmbek-Nord erinnern die Namen Rungestraße und Rungestieg seit 1929 bzw. 1930 an den Künstler.

Die Hamburger Kunsthalle plant als bedeutendstes Ausstellungsvorhaben des Jahres 2010 eine umfassende Werkschau anlässlich des 200. Todestages von Philipp Otto Runge. Die Ausstellung wird am 2. Dezember 2010, also dem Jahrestag von Runges Tod, eröffnet und läuft bis zum 27. März 2011. Sie wird eine Reihe wichtiger Aktivitäten der letzten Jahre beschließen, die auf diesen Künstler bezogen waren. So wurde 2003 im Beisein des gleichnamigen Philipp Otto Runge, geboren 1944, eines Ur-Ur-Urenkels des Malers, die Philipp Otto Runge Stiftung eingerichtet, die sich der Pflege und Erforschung von dessen Werk annimmt.

1 Hans und Edith Meier: Unser ganz persönlicher Ohlsdorf-Führer, Hamburg 1990.
2 Das Rungehaus, Museum im Geburtshaus Philipp Otto Runges in Wolgast

Auflistung alle Artikel aus dem Themenheft Memorials auf Friedhöfen (Oktober 2010).
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