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OHLSDORF - Zeitschrift für Trauerkultur

Der Friedhof Ochsenwerder und seine Ehrenmahnmale für gefallene Soldaten

Friedhofskultur ist in Hamburg seit mehr als einem Jahrhundert mit Ohlsdorf unabdingbar verbunden. Der Friedhof Ohlsdorf ist der größte Parkfriedhof der Welt, und er erstreckt sich über umgerechnet 950 Fußballfelder.

Ohlsdorf hat sich aufgrund seiner Einzigartigkeit und Schönheit seit seinem Bestehen einen weit über die Grenzen Hamburgs hinausgehenden Ruf erworben. Viele kleinere Friedhöfe in Hamburg bleiben in der öffentlichen Wahrnehmung daher oft im Hintergrund. Eine dieser im städtischen Blickfeld eher unbekannten Ruhestätten ist der Friedhof der Evangelisch-Lutherischen Kirchengemeinde St. Pancratius in Hamburg-Ochsenwerder im Südosten Hamburgs.

Ochsenwerder, in den Vier- und Marschlanden gelegen, kam am 23. April 1395 zu Hamburg, weil der Graf von Holstein als damaliger Landesherr aufgrund der durch Sturmfluten und große Überschwemmungen verursachten Schäden nicht mehr bereit war, diese Kosten zu übernehmen. Aber auch Hamburg konnte trotz umfangreicher Sicherungsmaßnahmen es nicht verhindern, dass zwischen 1660 und 1861 elf Sturmfluten das Land immer wieder zerstörten. Bei der großen Flutkatastrophe in Hamburg (vom 16. auf den 17. Februar 1962) aber blieben die Deiche in Ochsenwerder stabil.

Politisch hat Ochsenwerder eine bewegte Geschichte. Im 17. Jahrhundert war es zeitweilig unter schwedischer und dann unter Celler Besatzung. Während der Franzosenzeit zu Beginn des 19. Jahrhunderts war Ochsenwerder Kampfgebiet; das brachte eine große Verarmung der Bevölkerung mit sich, von der sich die Menschen nur langsam erholten. Heute ist Ochsenwerder mit seinen 3200 Einwohnern durch Getreide-, Gemüse- und Blumenanbau besonders landwirtschaftlich geprägt; man nennt es aufgrund des äußerst fruchtbaren Bodens auch gern den "Gemüsegarten Hamburgs".

Zentrum des Kirchspiels Ochsenwerder, das die Orte Ochsenwerder, Tatenberg, Spadenland und Moorwerder umfasst, ist die jetzige, denkmalgeschützte St. Pancratius-Kirche. Sie ist nach dem heiligen Pankratius benannt, der im 3. Jahrhundert n. Chr. in Phrygien und Rom lebte und als römischer Märtyrer der frühen christlichen Kirche den Tod fand. Pancratius ist eine latinisierte Fassung aus dem Altgriechischen und bedeutet, wenn es übersetzt wird, "der alles Besiegende".

St. Pancratius ist die dritte Kirche Ochsenwerders und stammt aus dem Jahre 1673/74. Erwähnenswert sind der farbenprächtige Altar von Hein Baxmann aus dem Jahre 1633, die Kanzel, die ihm auch zugeschrieben wird, und vor allem die berühmte Orgel von 1708, ein Werk des Orgelbaumeisters Arp Schnittger. Wer sich mit dem Auto der Kirche nähert, findet Kirche, Pastorat und davorliegenden Brack als ein malerisches Ensemble vor. Die erste Kirche, erstmals 1254 erwähnt, befand sich noch an anderer Stelle und fiel den Fluten zum Opfer. Die zweite Kirche wurde 1332 errichtet. Der erste Pfarrer an der dortigen Kirche ist im Jahre 1244 urkundlich erwähnt; das war dreihundert Jahre vor der Reformation Martin Luthers.

Ochsenwerder
Gedenkstätte für die Gefallenen des Ersten Weltkriegs in Ochsenwerder
Foto: J. Wachsmann

Schon vor dem Betreten des Friedhofes fällt der Blick des Besuchers auf den kleinen Obelisken, der auf einem Sockel mit Tafeln aus weißem Marmor steht. Auf der Vorderseite findet sich die Inschrift: "Zur Erinnerung an den ruhmreichen Feldzug von 1870/71 – Es nahmen aus dem Kirchspiel Ochsenwärder an dem Feldzuge teil". Die Namen aber fehlen dann. Auf dem Sockel steht: "Gewidmet von dem Kirchspiel Ochsenwerder 1872". Auf der linken Seite das Datum der Errichtung des Obelisken "1872" und auf der rechten Seite "Renoviert 1896 – 1913 – 1993".

Ochsenwerder
Grabmal für einen Gefallenen des Ersten Weltkriegs auf dem Kirchhof Ochsenwerder
Foto: P. Schulze

Die Gedenkstätte für die Gefallenen des Ersten Weltkrieges (1914/18) "Den Opfern des Weltkrieges, die dankbare Kirchengemeinde" liegt östlich der Kirche. Es ist eine von einer Lebensbaumhecke umgebene Anlage. An der Kopfseite findet sich ein großes Steinkreuz, stehend auf einem Sockel mit eingemeißelter Inschrift. Auf dem Sockel sind Bronzetafeln mit den Namen von Gefallenen angebracht; sie sind so angeordnet, dass vorn die Toten aus Ochsenwerder und Tatenberg, links die Toten aus Spadenland, rechts die aus Moorwerder liegen. In der Mitte der Anlage steht eine von einem Gitterzaun umgebene Eiche. An deren Umzäunung ist ein gesondertes Grabschild angebracht. Sie ist von Dr. med. Haupt, einem damaligen Arzt aus Ochsenwerder verfasst worden und enthält die folgende Erinnerung: "Als Knabe zogst Du diesen Baum, im Kinderspiel dem Schicksal dienend. Nun steht er hier, träumt Deinen Traum von Deutschlands Ruhm, der Zukunft grünend. Georg Haupt, * 21. Nov. 1897, Abiturient (stud. med.), † 15. Aug. 1917, Res.Inf.-Regt. 262, für das Vaterland bei Langemarck als Krankenträger. Zum Gedächtnis." Ist diese Eiche für uns heute nicht Mahnung und Auftrag für eine friedenstiftende Politik? Entlang der Umfassunghecke finden sich hierher versetzte individuelle Grabsteine von Gefallenen. Diese 35 Gräber auf dem kleinen quadratischen Platz sind Zeugen des 20. Jahrhunderts der wilhelminischen Ära, in der so viele junge Männer schon im Ersten Weltkrieg ihr Leben verloren. "Hier ruhet unser Stolz und unsere Hoffnung unser einziger Sohn und Bruder..."

Gedenktafel
Gedenktafel für den Gefallenen Georg Haupt an der alten Eiche auf dem Kirchhof Ochsenwerder
Foto: P. Schulze

Weiter östlich findet man das Ehrenmal der Gefallenen des Zweiten Weltkriegs (1939-1945). Die Anlage ist von Birken und einer Buchenhecke umgeben und symmetrisch gestaltet. An der Vorderseite stehen drei große Holzkreuze hinter einem Steinsockel. Auf dessen Vorderseite die Inschrift: "Zum ehrenden Gedenken den Opfern des II. Weltkrieges: Boben dat Leben steiht de Dood, ober boben den Dood steiht wedder dat Leben" (Über dem Leben steht der Tod, aber über dem Tod steht wieder das Leben). Rechts und links entlang der Hecke finden sich zwölf steinerne Tafeln mit den Namen der Gefallenen und Getöteten unter den jeweiligen Überschriften "Gefallene u. Gestorbene", "Vermißte u. Verschollene", "Bombenopfer".

Blickt man über den Friedhof gen Westen, so fällt besonders in der kalten Jahreszeit der Blick auf eine Eibe (Taxus baccata). Sie ist eintausend Jahre alt. Ihr Wuchs ist mit ihrer großen Ausschlagskraft einzigartig. Seit 1870 hat man den Baum so beschnitten, dass seine Stämme vom Erdboden an waagerecht wachsen. Die Eibe kann für den Betrachter Sinnbild für die Vergänglichkeit der Menschen und die sich immer wieder erneuernde und unvergängliche Schöpfung Gottes sein. "Denn tausend Jahre sind vor dir wie der Tag, der gestern vergangen ist, und wie eine Nachtwache. Du lässest sie dahinfahren wie einen Strom, sie sind wie ein Schlaf, wie ein Gras, das am Morgen blüht und sprosst und des Abends welkt und verdorrt." (Psalm 90, Verse 4 – 6).

Auflistung alle Artikel aus dem Themenheft Porträts auf Grabmälern (Mai 2010).
Erkunden Sie auch die Inhalte der bisherigen Themenhefte (1999-2024).