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OHLSDORF - Zeitschrift für Trauerkultur

Ohlsdorfer Begegnungen - Totensonntag 2003

Am 23. November 2003 gab es verschiedene Veranstaltungen auf dem Friedhof Ohlsdorf.

Kurz erwähnt seien hier die Führungen zum Mausoleum Riedemann und die dortige Präsentation des Kurzfilmes „Wille” von Janine L. Thun und Martina Rentzsch. Bei der Ehrenanlage für die Feuerwehr Hamburg fand die traditionelle Gedenkfeier statt. Blasmusik lockte die Gäste zum Mausoleum Carstens. Das Verwaltungsgebäude war geöffnet, dort konnten sich die Besucher über Grab und Bestattung informieren.

Totensonntag war auch der letzte Öffnungstag der Sonderausstellung „game_over” im Museum Friedhof Ohlsdorf. Noch einmal kamen 119 Besucher, insgesamt wurde diese Ausstellung zum Thema „Spiele, Tod und Jenseits” an 20 Öffnungstagen von 1060 Personen sehr interessiert angenommen.

Herma Koehn
Schauspielerin Herma Koehn als Zitronenjette (Foto: Scheer)

Im Garten der Frauen wurde ein von dem Steinmetz und Bildhauer Bert Ulrich Beppler geschaffener Erinnerungsstein für die Hamburger Originale Zitronenjette und Vogeljette eingeweiht. Auf dem Stein liegen in realistischer Weise eine Zitrone und ein toter Vogel, dadurch fällt dieser Stein in der bisherigen schlichten Gestaltung der begonnenen Erinnerungsspirale besonders auf. Viele Besucherinnen und Besucher erlebten die Schauspielerin Herma Koehn, die als Zitronenjette eine plattdeutsche Szene aus dem Theaterstück spielte. Auch ein Fernsehteam des NDR filmte dabei für das Regionalprogramm.

Erinnerungsstein
Erinnerungsstein für Zitronenjette und Vogeljette (Foto: Scheer)

Die nachfolgenden Berichte über das Leben der beiden Frauen sind der Internetseite www.garten-der-frauen.de mit freundlicher Genehmigung des Vereins entnommen.

Vogeljette (Lydia Adelheid Hellenbrecht),
13.12.1844 Hamburg – 30.1.1920 Hamburg

Gewandet in einem langen schwarzen Kleid, das Gesicht durch einen hauteng getragenen weißen Schleier fast verdeckt, auf dem Kopf ein Häubchen, traf man Vogeljette auf St. Georgs Plätzen an, wo sie die Vögel mit Brotwürfeln fütterte, die sie zuvor in einen mitgebrachten, mit Wasser gefüllten kleinen Eimer gestippt hatte. Viele empfanden Vogeljettes Verhalten als verrückt und meinten, Vogeljette glaube, ihr verstorbener Mann sei als Spatz wiedergeboren worden. Im Alter von 30 Jahren hatte Vogeljette den 20 Jahre älteren Schreiber Johann Hellenbrecht geheiratet. Neun Jahre später starb er an der Cholera. Seitdem ging Vogeljette in Trauerkleidung und fütterte die Vögel aus Tierliebe. Damit glaubte sie, dem Andenken ihres verstorbenen Mannes gerecht zu werden, da auch er sehr tierlieb gewesen war. Sie kannte die Nachrede der Leute, ließ sich aber nicht beirren.

Zitronenjette (Johanne Henriette Marie Müller),
18.7.1841 Dessau – 8.7.1916 Hamburg

Mit einem Korb voller Zitronen zog Zitronenjette durch Hamburgs Straßen und Kneipen. Sie war arm und lebte vom Verdienst ihrer verkauften Zitronen. Viele ihrer Kundinnen und Kunden hauten beim Bezahlen der Ware Zitronenjette übers Ohr. Und auch nur wenige dachten daran, was man ihr seelisch antat, wenn sie zum Gespött der Straßenjugend wurde, die grölend hinter ihr herlief. Verkaufte Zitronenjette abends in den Kneipen ihre Zitronen, machten sich die Kneipenbesucher einen Spaß daraus, ihr ein großes Glas Schnaps zu spendieren. Die Folge war: Zitronenjette wurde alkoholkrank. 1894 wurde sie von der Polizei in die „Irrenanstalt Friedrichsberg“ eingeliefert, wo sie bis zu ihrem Tode lebte. Ihr Leiden gab Stoff für eine Lokalposse, die 1900, noch zu Zitronenjettes Lebzeiten, aufgeführt wurde. Erst in Paul Möhrings 1940 verfasstem feinfühligen Theaterstück wurde ihrer angemessen gedacht.

Auflistung alle Artikel aus dem Themenheft Baumbestattungen (Februar 2004).
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