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OHLSDORF - Zeitschrift für Trauerkultur

Hamburg maritim - Spurensuche nach kaum bekannten Gedenk- und Grabstätten einer Hafenstadt

Wenn in Hamburg von Schifffahrt und Hafen in vergangener Zeit die Rede ist, so sind Museumsschiffe, Windjammer oder die Speicherstadt in aller Munde und vor allem bekannte Namen wie Ballin, Laeisz, Blohm + Voss.

Wer waren jedoch die vielen anderen unbekannten oder vergessenen Menschen, die das Werden der Hafenstadt mitgeprägt haben oder deren Lebenslauf eng mit ihr verbunden war? Der Verfasser ist auf Spurensuche nach Gedenk- und Grabstätten gegangen und berichtet.

Im Jahr 1837 starb der Reeder, Kaufmann und Assekuradeur Peter Heinrich Mohrmann. Er war zeitweise größter Reeder seiner Zeit in Hamburg und hat sich um seine Vaterstadt verdient gemacht. Anlässlich seines Todestages veröffentlichte das Hamburger Abendblatt am 26. Juli 2003 die abgebildete ungewöhnliche Familienanzeige.

Familienanzeige
Familienanzeige Mohrmann (Repro: Schulze)

Kurz darauf folgte in der gleichen Zeitung ein Beitrag von Rainer Horn über Mohrmanns Wirken in Hamburg und seine Verdienste für seine Vaterstadt. Leider sei er vergessen und eine nach ihm benannte Straße oder eine Gedenktafel für ihn suche man vergebens, so das Fazit des Beitrags. Doch wer die Gräberliste des Althamburgischen Gedächtnisfriedhofes auf dem Ohlsdorfer Friedhof kennt, weiß, dass in dieser Anlage sein Grab zu finden ist, ein Grab im öffentlichen Interesse, so die offizielle Bezeichnung. Auf der Sammelgrabstätte Niedergericht und Handelsgericht (Nr.21) ist er beigesetzt, wenn auch ohne Namensnennung auf der Gedenkplatte, zusammen mit den Gebeinen aus der Gruft Wortmann des alten Begräbnisplatzes St. Nikolai, die Anfang des 20. Jahrhunderts nach Ohlsdorf überführt wurden. Dieser Hinweis ist ein kleiner Baustein für eine von seinen Nachkommen beabsichtigte Buchveröffentlichung über den letzten Walfänger Hamburgs.

Fast zu gleicher Zeit wie Mohrmann lebte in der damals selbstständigen Nachbarstadt Altona der Kapitän Jens Jacob Eschels (1757 - 1842). Auch er scheint vergessen zu sein. Doch erinnert auf dem ehemaligen Friedhof Norderreihe in Altona heute noch ein etwa ein Meter hoher Sandsteinblock mit gegiebeltem Aufsatz an seine letzte Ruhestätte. Eschels stammte aus einer mittellosen Föhringer Seemannsfamilie und fuhr bereits mit elf Jahren auf holländischen Walfangschiffen zur See. Nach zehn Jahren wechselte er zur Handelsschifffahrt. Auf zahlreichen Reisen ins Mittelmeer und nach Westindien erwarb er vielfältige Kenntnisse in der Steuermannskunst, so dass er bereits mit 24 Jahren erfolgreich ein Schiff führen durfte. Bekannt wurde Eschels mit seiner Lebensbeschreibung eines alten Seemannes, die er 1835 für seine Kinder und Enkel aufschrieb und später auch als Buch herausgab. Die Schrift hat wegen ihres unvergleichlichen Detailreichtums der damaligen Lebens- und Arbeitsverhältnisse schifffahrtsgeschichtlich auch heute noch einen hohen Quellenwert. Sie ist die früheste deutsche Kapitänsautobiografie überhaupt. Als der strebsame, bescheidene und gottesfürchtige Seemann 1798 als 41-Jähriger die Seefahrt aufgab und sich in Altona u.a. als Tabakfabrikant niederließ, hatte er 17 Jahre lang als Kapitän erfolgreich die Bark Henricus de Vierde geführt, das Schiff seiner Herren Patronen, der Kaufleute und Reeder Van der Smissen. Sie gehörten zu den wichtigsten Unternehmern Altonas. Zusammen mit der Familie Roosen zählten sie zu den ersten Walfangreedereien in Altona. Ihre mächtigen historischen und denkmalgeschützten Grabplatten sind auf dem Mennonitenfriedhof in Bahrenfeld zu finden.

Für das maritime Hamburg in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ist der Name Laeisz ein unverwechselbarer Begriff, dessen Bedeutung nicht weiter erläutert werden muss. Die Grabstätte Laeisz ist die erste große Familiengrabanlage auf dem Friedhof Ohlsdorf. Die bemerkenswerte Anlage wurde 1885 für die verschwägerten und durch den Beruf verbundenen Reeder- und Architektenfamilien Laeisz/Canel/Hanssen/Meerwein eingerichtet. Doch nicht jedes Familienmitglied hat sich mit der Reederei Laeisz identifiziert, sondern ging seine eigenen Wege, so Herbert Ferdinand Laeisz (1886 - 1918), ein Urenkel des Firmengründers Ferdinand L. Neben der Familiengrabstätte, ein wenig abseits und bald von Rhododendron überwuchert, erinnert an ihn ein etwa 120 cm hoher Gedenkstein, bekrönt mit einem Helm nach antikem Vorbild. Er ist gesetzt "zum Gedächtnis für Herbert Ferdinand Laeisz, gefallen als Leutnant und Kompanieführer des Reserve-Infanterie-Regiments Nr. 267 bei Meteren am 17. April 1918".

Über seine Person ist wenig in Erfahrung zu bringen. Aus Erzählungen innerhalb der Familie ist bekannt, dass Herbert F. sich mit seinem Bruder Erich nicht gut verstand und dass er sich in der Firma Laeisz nicht ernsthaft engagieren wollte. Er zog die militärische Laufbahn vor und verließ Hamburg. Seit 1907 ist sein Aufenthalt auf der Insel Borkum nachzuweisen, insbesondere als Badedirektor der Insel. Im Nachruf der Borkumer Badeverwaltung 1918 heißt es u.a. über sein Wirken auf der Insel: "Viel Gutes hat er unserer Gemeinde getan und manche Not konnte durch seine reichen Spenden gemildert werden. Ganz besonders war ihm die Jugendorganisation ans Herz gewachsen und besonders das Jugendwehrregiment Ostfriesland verdankt ihm seine Entstehung."

Mit der Reederei Laeisz sind auch die Namen ihrer ehemaligen Segelschiffe eng verbunden. Sie begannen alle mit dem Buchstaben "P", die sog. Flying P-Liner. Dazu gehörte auch die Viermastbark Pamir, die 1957 unter tragischen Umständen unterging. Das Segelschulschiff verschwand spurlos am 21. September 1957 auf dem Atlantik im Seegebiet der Azoren. Von Buenos Aires kommend war sie in einen Hurrikan geraten und sank kurz nach dem verzweifelten SOS-Ruf "Kommt schnell - Schiff macht Wasser - wir sinken". 78 Schiffe nahmen an der Rettungsaktion teil. Nur sechs Überlebende konnten drei Tage danach geborgen werden. Tausend Jahre Handelsschifffahrt unter Segeln waren mit dem Untergang der Pamir nun endgültig vorbei.

Und wer weiß schon von der Gedenktafel an die 80 Opfer ihres Untergangs in der hamburgischen Seemannskirche St. Katharinen? Im schlecht beleuchteten und wenig begangenen Turmraum der Kirche hängt die beachtenswerte Tafel. Den Entwurf für die Gedenktafel schuf der Bildhauer Gerhard Marcks: Über der etwa zwei Meter breiten Bronzetafel mit den Namen der Opfer hängt vollplastisch und frei ein bronzener Albatros, die Verkörperung der Seele eines verstorbenen Seemannes, aber auch Abbild für den markantesten Seevogel der südlichen Breiten, dessen erste Begegnung für jeden jungen Seemann ein unvergessliches und hoffnungsvolles Erlebnis darstellt. Er ist gleichzeitig das Zeichen der Kapitänsvereinigung der Kap Horniers. Die letzte Zeile der Gedenktafel lautet: "Wir, so gut es gelang, haben das unsere getan" (Hölderlin). Die Stiftung "Pamir und Passat" gab in Abstimmung mit der Hamburgischen Landeskirche und dem Kirchenvorstand 1958 die Gedenktafel in Auftrag. Die Initiatoren waren sich damals einig, den heute gewählten Standort im Turmraum sowohl wegen der Lichtverhältnisse als auch aus architektonischen Gründen abzulehnen. Wie recht hatten sie doch, derzeit verstellt außerdem ein hölzernes Kassenhäuschen den Blick darauf. Und damit ist die Tafel und sind die Opfer in Vergessenheit geraten.

Auflistung alle Artikel aus dem Themenheft 125 Jahre Krematorien in Deutschland (November 2003).
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