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OHLSDORF - Zeitschrift für Trauerkultur

Vor 111 Jahren starb...

Vor 111 Jahren starb "Prof. Dr. Julius Bintz, Director des Wilhelm-Gymnasiums, 10. April 1843 - 20. Sept.1891", wie es auf dem Grabstein unserer neuen Anlage rechts der Treppe geschrieben steht. Anlass, sein Leben und seine Person hier kurz zu schildern.

Julius Bintz, am 10. April 1843 von einem katholischen Vater abstammend in Kreuznach bei Koblenz geboren, wird in dem protestantischen Glauben der Mutter erzogen. Durch "scharfen Verstand und untrügliches Gedächtnis" besteht er glänzend die verschiedenen Prüfungen auf dem Gymnasium in Koblenz, dann an der Universität in Bonn (Staatsexamen im Mai 1866). Seine Prüfer staunen über seine umfassende Belesenheit in den alten Schriftstellern sowie in der Literatur des Mittelalters und der modernen Zeit. In Köln beginnt er seine Lehrtätigkeit, wird aber nach wenigen Monaten an das Gymnasium in Wesel bei Düsseldorf berufen, wo er von 1866 bis 1875 bleibt. Von dort besucht er die "Central-Turnanstalt" in Berlin, wo er 1868 die Prüfung als Turnlehrer ablegt.

Ostern 1875 wird Bintz nach Hamburg an das Johanneum berufen, um u. a. den Turnunterricht neu zu organisieren; dort wird er auch Klassenlehrer der Prima und bereitet Generation auf Generation zum Abiturientenexamen vor. Am 23. Januar 1889 wird er zum provisorischen Leiter des Wilhelm-Gymnasiums berufen, ein Jahr später im Januar 1890 zum Direktor erwählt. Seine letzte Tätigkeit kann er nur kurz bis zum Herbst 1891 ausüben, nach wiederholten Operationen stirbt er am 20. September 1891 an einem Magenleiden. Somit verliert die Schule innerhalb der zehn ersten Jahre ihren dritten Schulleiter.

Bei der Beerdigung "auf dem Friedhofe zu Ohlsdorf", nachdem der Sarg der Gruft übergeben war, sprach ein langjähriger Freund diese Abschiedsworte: "Wollen wir nun sein Wesen mit dem kürzesten Worte bezeichnen, so werden wir sagen müssen: es war Kraft und war Gefühl der Kraft. (...) Und dieser Energie gab ein gleich starkes Gefühl der Pflicht die sittliche Form und Fassung. (...) Und diese Pflicht gebot ihm: arbeite mit deiner ganzen Kraft an der geistigen und sittlichen Bildung der dir anvertrauten Jugend!" Was die Person von Julius Bintz angeht, wird auch erzählt, dass er mit einer "unverwüstlichen Kraft, einer bewundernswürdigen Energie und einer beispiellosen Hingebung an seinen Beruf seine verantwortungsreiche Stellung" angetreten hatte. Von sich selbst sagte er bei der Einführung in sein letztes Amt: "Ich habe mich selbst niemals geschont." So wählte der Pastor, der die Gedächtnisrede bei der feierlichen Bestattung am 24. September in der Schule hielt, den Vers aus der Offenbarung Johannes 2, 10 aus: "Sei getreu bis an den Tod, so will ich Dir die Krone des Lebens geben." Dieses Wort kann man auf dem Grabstein lesen, gefolgt von einem: "Gewidmet von den Schülern des Willhelm-Gymnasiums."

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Grabmal Bintz (Foto: Hammond-Norden)

Die Schule hieß aber bei ihrer Gründung zuerst anders: Nach dem Johanneum, das gut 350 Jahre lang die einzige Anstalt dieser Art in Hamburg gewesen war, wurde am 25. April 1881 die "Neue Gelehrtenschule am Holstenthore" feierlich eröffnet. Erst am 21. Februar 1883, zu Ehren Kaiser Wilhelms I., erhält diese Neue Gelehrtenschule den Namen "Wilhelm-Gymnasium", den sie heute noch trägt. Nach vier Jahren Provisorium am Holstentor wird am 21.5.1885 ein neues Schulgebäude auf der Moorweide eingeweiht, wo auch Julius Bintz Direktor gewesen ist, und das erst 1945 den Platz für die Staatsbibliothek räumen musste. Innerhalb ihrer Geschichte hat die Schule übrigens mehrmals ihre Adresse gewechselt, bevor sie 1964 den heutigen Standort am Klosterstieg bekam.

Die genauen Einzelheiten über die Bestattung von Julius Bintz, von der Aufbahrung der Leiche am Abend des 23.9.1891 im Lichthofe des Gymnasiums über den langen Zug der Wagen bis zur letzten Abschiedsrede bei der Gruft in Ohlsdorf kann man aus einer sehr interessanten Schrift "Wilhelm-Gymnasium zu Hamburg - Bericht über das 11. Schuljahr - 1891-1892" entnehmen, die 1892 in Hamburg erschienen ist (in dem Jahr übrigens fiel der Unterricht in der Schule wegen der Cholera-Epidemie aus). So findet man neben einer Arbeit vom Direktor Prof. Dr. J. Bintz mit dem Titel "Der Einfluß der ars poetica des Horaz auf die deutsche Litteratur des XVIII. Jahrhunderts" die folgenden Spalten: Historisches, Statistisches (über Kollegium und Schüler), Lehrwesen, Stiftungen, Schulfeier, Mitteilung an die Eltern, Schüler-Verzeichnis, Adresse der Lehrer. Diese Jahresberichte erschienen von 1882 bis 1916 jedes Jahr zu Ostern. Der erwähnte Bericht, kann im Museum Ohlsdorf eingesehen werden, sowie auch die Festschrift und Dokumentation "Wilhelm-Gymnasium Hamburg. 1881-1981" zum 100. Jubiläum - beides Geschenke von der 1924 gegründeten und regen Vereinigung der Ehemaligen. Die jetzige Schulleiterin des Gymnasiums, Frau Westenhoff, ehrte uns durch ihre Anwesenheit bei der offiziellen Eröffnung der Anlage durch Kultursenatorin Horáková und Staatsrat Behlmer am 21.06.2002.

Auflistung alle Artikel aus dem Themenheft Armenbegräbnisse (November 2002).
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