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OHLSDORF - Zeitschrift für Trauerkultur

Dendrologischer Spaziergang über den Ohlsdorfer Friedhof

Diesmal wird ein Spaziergang auf dem sog. Stillen Weg beschrieben.

Er ist besonders in der Maienzeit zu empfehlen, wenn das Blätterdach der Gehölze noch licht ist und die Wildkräuter unter ihnen mit ihrem zurückhaltenden Blütenflor auf sich aufmerksam machen. Am Ende der Talstraße umrahmen mehrere Eichen mit ihren hohen Kronen wie ein Tor den Beginn des Spaziergangs. Es sind Vertreter unserer heimischen Stieleiche, auch Sommereiche oder Deutsche Eiche genannt. Ihren Namen hat sie von den langen Stielen an denen die Eicheln sitzen. Wir werden ältere Exemplare mit ihrer knorrigen Krone noch öfters begegnen, denn der Stille Weg führt entlang der ehemaligen Gemarkungsgrenze zwischen Ohlsdorf und Klein Borstel. Sie war mit einem Eichenknick markiert und Reste davon sind noch erhalten geblieben.

Gleich links an der Brücke steht die Spätblühende Traubenkirsche, auffallend durch ihre überhängenden Seitentriebe an denen ab Ende Mai bis zu 15 cm lange, walzenförmige, weiße Blütentrauben sich ebenfalls nach unten neigen.

Wenige Schritte weiter auf der rechten Seite hinter den dunklen Eiben streckt sich der tiefrissige Stamm einer Robinie oder Scheinakazie empor. Sie treibt mit ihren hellgrünen Blättern sehr spät aus und erinnert mit ihrer Blattform an eine Akazie. Wie die Robinie, so gehört auch der Lederhülsenbaum zu den Schmetterlingsblütlern. Ein noch junges Exemplar steht an der linksseitigen Anhöhung. Wegen seiner braunen bis zu dreiteiligen Dornen an den Zweigen wird er auch „Christusdorn“ genannt.

Nahe am Weg und zwischen den Grabplatten Kolmitz und Wolfram wächst ein sommergrüner Nadelbaum mit einem bis zur Spitze durchgehenden Stamm. Es ist der Urweltmammutbaum, ein Relikt aus der Vorzeit das erst 1947 zufällig in Südchina entdeckt wurde. Dieser Exot kam damals alsbald weltweit in den Handel. Vermutlich in 60er Jahren hielt er als modisches Gehölz auch seinen Einzug auf dem Friedhof.

Kurz vor der Straße fallen rechts zwei Gehölze auf, zunächst die Papierbirke mit ihrer leuchtend weißen Rinde, die sich in breiten Stücken ablöst, und die Blutpflaume mit dunkelroter bis schwarzer Rinde. Ebenfalls schwarzrot und metallisch glänzend sind ihre Blätter. Mit dem Blattaustrieb Ende April entfaltet die Kirschpflaume, so ihr weiterer Name, ihre zahlreichen rosa Blüten.

Die Straße überquerend führt der Weg alsbald nach rechts wendend zu einer feuchten Bodensenke. Gleich rechts nach dem hohen Grabmal steht abseits des Wegs ein großer breiter Strauch, der zunächst an einen Haselbusch denken lässt. In Wirklichkeit ist er ein Prachtexemplar der Kleinblütigen Zaubernuß, die bereits von Januar bis März unauffällig und gelblich blüht.

Direkt am Weg präsentiert sich der Götterbaum. Seine langen Fiederblätter ähneln denen der Esche, sind aber wesentlich größer und können bis zu 60 cm lang werden. Nach dem Einbiegen in den nach links führenden Weg sollte man einen Blick zurück auf das hohe säulenförmige Grabmal richten. Es wird gerahmt, aber auch schon verdeckt von den breiten Kronen dreier mächtiger Bäume. An der weißlich-grauen Borke, die in großen Stücken abblättert, erkennt man den Bergahorn, eine Ahornart, die nicht häufig auf dem Friedhof zu sehen ist.

Verengt sich der Weg durch hohe Rhododendronbüsche, so erblickt man gerade aus neben dem Grab Krause ein junges Exemplar des Mammutbaumes. Bis zu 2 cm lange schuppenförmige und immergrüne Nadeln lassen die Triebe leicht überhängen. Er kann im Alter bis zu 40 m hoch werden. Erscheint rechts der Nordteich, so ist ein Abstecher zum Sitzplatz zu empfehlen. An seiner Ecke steht ein sommergrüner Nadelbaum, die Sumpfzypresse. Wie der Urwelt-Mammutbaum hat auch sie einen bis zur Spitze durchgehenden Stamm, jedoch wechselständige Blätter und bleibt dagegen im Alter schlank.

Am gegenüberliegenden Ufer ist ein gestützter, waagerecht wachsender Baum auszumachen. Trotz seiner ungewöhnlichen Stellung drückt sein aufrecht strebendes Geäst eine ungebremste Vitalität aus. Die Einzigartigkeit einer Gelblühenden Magnolie auf dem Friedhof war es den Gärtnern Wert, sie auf diese Weise zu unterstützen. Sie zeigt im Mai ihre hellgelben, glockigen Blüten.

Der Spaziergang führt weiterhin am Wasserlauf entlang. Vor der Brücke rechterhand stehen wie zum Vergleichen zu ihren beiden Seiten je eine Stieleiche und eine Amerikanische Roteiche. Sieht man einmal von den Rhododendron an der linken Seite des Weges ab, so sind zwischen und hinter den Gräber noch Reste ursprünglichen Gehölzbestandes zu erkennen. Wer weiß schon, dass hier einmal ein Wasserlauf sich dahinschlängelte und vor etwa 40 Jahren zugeschüttet wurde. Die stattlichen Haselsträucher, aber auch die fünfstämmige Weißbuche hinter dem Grabmal Schwarz weisen noch darauf hin. Der Zufall will es, dass beide Gehölzarten zur gleichen Pflanzenfamilie gehören, nämlich zu den Haselnußgewächsen. Auch die prachtvolle Sommerlinde, ein paar Schritte weiter auf der rechten Seite, stammt aus alter Zeit. Vermutlich stammt sie noch aus der Vorzeit des Friedhofs. An den weit herabhängenden Äste lassen sich die unterseits weichbehaarten Blätter betrachten, ihr unverkennbares Erkennungszeichen, dazu gehören auch die meist nur 3-blütigen Stände, die Ende Juni erscheinen.

Der beschriebene Spaziergang endet an der alleinstehenden Blutbuche, hinter der man in der Ferne die Kapelle II erkennen kann. Die Blutbuche ist eine Kulturform unserer allbekannten Rotbuche. Bei ihren Namensgebungen steht im ersten Fall die dunkelrote Färbung der Blätter Pate und im zweiten Fall die rötliche Zeichnung in ihrem Holz, im Gegensatz zur Hain- oder Weißbuche, deren Holz weißlich ist.

Auflistung alle Artikel aus dem Themenheft Gemeinschaftsgrabstätten (Mai 2000).
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