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OHLSDORF - Zeitschrift für Trauerkultur

Bund Heimat und Umwelt in Deutschland, BHU (Hrsg.): Historische Friedhöfe in Deutschland

Bonn 2007, 216 Seiten, zahlreiche farbige und s/w- Abbildungen

Die vorliegende Publikation knüpft an das 2005 vom BHU herausgegebene "Weißbuch der Gärten und Parks in den neuen Bundesländern" an. Den Beschreibungen vorangestellt sind Grußworte von Dr. Richard von Weizsäcker, Bundespräsident a.D., und Bernd Neumann MdB, Beauftragter der Bundesregierung für Kultur und Medien, der das Projekt finanziell unterstützt und gefördert hat, sowie ein ausführliches Geleitwort von Dr.-Ing. Klaus-Henning v. Krosigk, Gartenbaudirektor und stellv. Landeskonservator von Berlin. Abschließend ergreift Prof. Dr. Reiner Sörries, Arbeitsgemeinschaft Friedhof und Denkmal und Museum für Sepulkralkultur, das Nachwort. Im Anhang sind die Anschriften der 65 Autoren, von 17 Denkmalfachbehörden in den Bundesländern und die des Bundes Heimat und Umwelt mit seinen 18 Landesverbänden listenmäßig erfasst.

Kernstück des Buches sind die Beschreibungen von 96 historischen Friedhöfen der Bundesrepublik Deutschland. Geordnet nach Bundesländern werden in der Regel je Land fünf bis sieben historische Friedhöfe textlich und bildlich vorgestellt, meistens ergänzt mit einem hervorgehobenen Hinweis auf die Anschrift und die Öffnungszeiten des jeweiligen Friedhofs. Auf farbigen Übersichtsplänen mit dem Verkehrsnetz von Autobahnen und Bundesstraßen des Landes sind zur groben Lagebestimmung die Friedhofsorte markiert, auch weitere empfehlenswerte historische Friedhöfe, jedoch ohne Angabe ihrer Anschriften.

Am besten erschließt sich dem Leser das Buch, wenn er mit dem Nachwort beginnt. Hier wird vom in friedhofskulturellen Fragen erfahrenen Autor zunächst aufgezeigt, in welcher Lage sich die historischen Friedhöfe heute befinden, dass sie als Wirtschaftsbetriebe geführt werden müssen, aber die öffentliche Hand sich schwer tut, in Analogie zum „grünpolitischen Wert“ eines Friedhofes, ihm auch einen "kulturpolitischen Wert" beizumessen und dafür Aufwand zu treiben. Damit wäre der Ist-Zustand dem Weiterlesen vorangestellt. Das Geleitwort als wissenschaftliche Betrachtung geschichtlicher und denkmalpflegerischer Aspekte historischer Friedhöfe leitet dann über in die nachfolgende Beschreibung der ausgewählten Objekte. Eine Raffung des fundierten Geleittextes zugunsten des Leseflusses für den Laien wäre wünschenswert.

Nun erst sollte der Leser gezielt das Kernstück des Buches in Augenschein nehmen, um sich über bestimmte Friedhöfe zu informieren. Je nach Interesse wird er dabei sicherlich subjektive Feststellungen treffen und so manchen, ihm bekannten Friedhof vermissen. So fällt einem Norddeutschen auf, dass der kleine sehr unbekannte, aber für die Landeskunde äußerst bedeutsame Nesserländer Friedhof in Emden/Niedersachsen genannt wird, aber nicht der Friedhof in Westeraccum mit seinen Kapitänsgräbern, stellvertretend für das maritime Gedenken an der ostfriesischen Küste. Das Gleiche gilt an der Ostseeküste für den Friedhof Prerow auf Zingst in Mecklenburg-Vorpommern. Und wo bleiben die Privatfriedhöfe, wie z.B. der Försterfriedhof Siehdichum in Brandenburg, südlich Frankfurt/Oder gelegen? Sie sind Beispiele dafür, dass die Liste der Friedhöfe in diesem Buch viel zu kurz ist, aber leider aus Volumensgründen auch bleiben muss. Die vorliegende Auswahl oblag vermutlich den Denkmalämtern selbst.

Eine Definition des Begriffes "historischer Friedhof" ist im Text vergebens aufzuspüren. Wünschenswert wäre eine grundlegende Diskussion über diesen Begriff. Bedarf es verbindlicher Maßstäbe, Zeiträume und Bewertungen oder ist alt gleich historisch zu setzen? Unbeantwortet bleiben damit schon jetzt die Fragen: Gehört z.B. der beschriebene Hauptfriedhof Altona in Hamburg schon oder überhaupt dazu und sind die drei genannten Friedhöfe der Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft aus der Zeit des Zweiten Weltkrieges in Halbe/Brandenburg, Bergen-Belsen/Niedersachsen, im Reichswald bei Kleve/Nordrhein-Westfalen, auch als solche zu bezeichnen?

Vermutlich hat es für das Buch kein inhaltsbezogenes Korrekturlesen gegeben. Wie ist sonst zu erklären, dass in der Beschreibung des Friedhofes Ohlsdorf/Hamburg beide Planer des Friedhofes als Architekten der Hannoverschen Schule bezeichnet werden, für Otto Linne, als Verfechter der Neuen Gartenkunst am Anfang des 20. Jahrhunderts ein Fauxpas sondergleichen. Dass bei den Öffnungszeiten des jüdischen Friedhofs Ohlsdorf mit "feiertags" nur die jüdischen Feiertage gemeint sind, ist nicht zu erkennen. In beiden Fällen kann hier kaum der Druckfehlerteufel sein Unwesen getrieben haben. Anders zu werten ist die Ungenauigkeit beim Friedhof Wulsdorf in Bremerhaven, auf dem nicht ein Grab, sondern nur ein Grabmal an den Petroleumkönig Riedemann erinnert. Er wurde nämlich in Lugano beigesetzt. Es ist zu hoffen, dass sich keine weiteren Fehler in die Beschreibungen eingeschlichen haben und diese trotz der Kürze Eindeutigkeit besitzen. Kundige Leser mögen darauf ein Augenmerk legen.

Schade ist, dass im Anhang nicht auch jene Institutionen genannt werden, die sich ehrenamtlich für den Erhalt von historischer Friedhofssubstanz einsetzen, nämlich die Friedhofsfördervereine. Der Arbeitsgemeinschaft Friedhof und Denkmal sind über 30 Vereine bekannt, die entsprechend der lokalen Gegebenheiten seit Jahrzehnten mit Erfolg wirken, Friedhofsverwaltungen und Denkmalämter unterstützen und Öffentlichkeitsarbeit für die bedrohte Friedhofsart leisten. Sie sind damit untrennbar mit den historischen Friedhöfen verbunden.

Dem Bund Heimat und Umwelt gilt Dank für die Intention, mit dieser kostenlosen Publikation die Bevölkerung auf historische Friedhöfe und deren Bedeutung im Umfeld unseres kulturellen Erbes aufmerksam zu machen. Ihr ist eine weite Verbreitung unter Fachleuten und Laien zu wünschen. Sie möge auch zum Anlass werden, die von der Vernichtung bedrohten Schätze vermehrt zu heben und zu bewahren.

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