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OHLSDORF - Zeitschrift für Trauerkultur

Cees Nooteboom / Simone Sassen: Tumbas. Gräber von Dichtern und Denkern

München 2006 (Schirmer/Mosel-Verlag). 256 Seiten, 135 Abbildungen, davon 19 in Farbe

Auch wenn man es angesichts des Titels "Tumbas. Gräber von Dichtern und Denkern" vielleicht zunächst vermuten könnte, kommt hier kein weiterer Friedhofsführer, sondern viel eher ein Literaturführer. Denn im Fokus von Nootebooms Texten geht es weniger um Grabmalkunst als um die hinterlassenenen Schriften der dahingeschiedenen Poeten und Philosophen. Cees Nooteboom ist einer der bedeutendsten niederländischen Schriftsteller der Gegenwart, und als solcher kennt er sich aus in der Welt der verstorbenen Dichter und Denker. Zusammen mit seiner Frau, der Fotografin Simone Sassen, hat er auf Reisen durch die Kontinente die literarische Welt durchwandert und allenthalben seine "geliebten Toten" besucht, zum Beispiel Pablo Neruda in Chile, Robert L. Stevenson in Samoa, Keats und Shelly auf dem Cimitero Acattolico in Rom, wo auch Goethes Sohn August und einer der Söhne Wilhelm von Humboldts liegen, Thomas Mann, James Joyce und Elias Canetti in Zürich, Balzac und Proust auf dem Pariser Friedhof Père Lachaise.

Der opulente Bildband mit insgesamt 135 Bildern von Dichtergrabstätten, den der Schirmer/Mosel-Verlag in exzellenter Druckqualität herausgebracht hat, ist nicht nur ein Fest fürs Auge, sondern anregende Lektüre durch die Gedanken, die sich Nooteboom angesichts der verschiedenartigen letzten Ruhestätten berühmter Schriftsteller, Dichter und Philosophen macht. Er schreibt: "Wenn wir an ihren Grabstätten stehen, sind ihre Worte um uns. Die Person gibt es nicht mehr, aber Worte, Gedanken sind geblieben. Man kann zumindest etwas zurückdenken. Jeder Besuch am Grab eines Dichters ist ein Gespräch, bei dem die Antwort früher da ist als alles, was man selbst sagen könnte. Das ist ein Paradox. Etwas ist schon gesagt, aber ohne dass eine Frage gestellt worden wäre. Man war gekommen, um zuzustimmen, um den Worten nahe zu sein, die schon gesagt waren. Der diese Worte geschrieben hat, war tot, aber die Worte selbst lebten noch. Man konnte sie laut sprechen, so als würde jener andere sie sagen. Deshalb war man da: um in der Stille des Todes und trotz des Todes diese Worte zu hören." Nootebooms Erinnerungen an den Grabstätten zusammen mit Zitaten aus den Werken der berühmten Dichter sind köstliche Nahrung für den Lesehunger aller Freunde von Literatur und Poesie.

Auflistung alle Artikel aus dem Themenheft Torhaus und Friedhof (Februar 2007).
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