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OHLSDORF - Zeitschrift für Trauerkultur

Dagmar Hänel: Bestatter im 20. Jahrhundert. Zur kulturellen Bedeutung eines tabuisierten Berufs

Münster 2003 (Waxmann Verlag), 387 Seiten mit Abbildungen

Dagmar Hänel hat sich in ihrer Doktorarbeit die Frage gestellt, wie die Angehörigen eines Berufes, die Tag für Tag mit Toten zu tun haben, mit dieser gesellschaftlich tabuisierten Tätigkeit umgehen und welche Rollenkonzepte sie für sich entwickeln. Für ihre ausführliche Antwort hat sie sich besonders auf die Auswertung der wichtigsten Verbandszeitschrift der Bestatter gestützt, die auf ein fast hundertjähriges Erscheinen zurückblicken kann. Parallel dazu hat sie sowohl die Adressbücher zweier Städte, wie die darin enthaltenen Werbeanzeigen ausgewertet und Interviews mit Bestattern in beiden Städten geführt. Mit ausführlichen Zitaten belegt sie, wie die Definition der gesellschaftlichen Rolle des Bestatters sich im Laufe des 20. Jahrhunderts gewandelt hat, und dass die Selbstdarstellung der Angehörigen dieses Berufes meist den vom Berufsverband vorgegebenen Idealbildern nacheiferte.

Sie unterscheidet dabei eine erste Phase von 1913 bis 1941, in welcher der wirtschaftlich erfolgreiche Gewerbetreibende, also der Händler mit Särgen und Bestattungszubehör, der nebenher auch Dienstleistungen anbot, das Ideal darstellte, während sich nach dem Zweiten Weltkrieg das Bild deutlich veränderte und die ethische Verantwortung des Bestatters betont wurde, der den erschütterten Angehörigen seine Hilfe anbot. Dabei verschwanden aus den Anzeigen die sprachliche und bildliche Konfrontation mit dem Tod und aus den Schaufenstern wurden die Särge entfernt. Schon in den 60er-Jahren des 20. Jahrhunderts setzte dann eine Versachlichung ein, die zu einer zunehmenden Verwissenschaftlichung und Professionalisierung des Berufsbildes führte, wobei sich inzwischen die Vorstellung des Bestatters vom "sachlich-distanzierten Fachmann für Bestattungsfragen zum Trauertherapeuten" wandelt.

Leider stützt die Autorin sich bei ihren interessanten Ausführungen weitgehend auf die oben genannten Quellen und zieht den gesamtgesellschaftlichen Wandel der Einstellungen zum Tod – immerhin fanden in ihrem Untersuchungszeitraum der Erste und der Zweite Weltkrieg statt und brachten den Menschen sowohl die Erfahrung des ersten Krieges mit industriell hergestellten Vernichtungswaffen und wie die eines Krieges, der nicht mehr nur an der Front, sondern überall im Land seine Opfer forderte – für ihre Untersuchungen heran, so dass ihre Schlussfolgerung etwas zu sehr von der Verbandspresse bestimmt wirken. Hier hätte man sich eine größere Untersuchungsbreite gewünscht, während das Quellenmaterial an manchen Stellen so detailliert zitiert wird, dass eine Zusammenfassung in prägnanter Form aussagekräftiger gewesen wäre. Insgesamt aber wurde eine umfangreiche Sammlung von Aussagen zu bestimmten Themenkomplexen des Berufsbildes vorgelegt, die auf jeden Fall als Quellen für weitere Untersuchungen von großem Wert sind.

Auflistung alle Artikel aus dem Themenheft Maritime Gedenkkultur (November 2005).
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