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OHLSDORF - Zeitschrift für Trauerkultur

Bestattungskultur ohne Wandel: CD-Verbot bei Trauerfeiern in Bad Oldesloe – Eine Dokumentation

Anm. d. Red.: In der norddeutschen Presse wurde in den letzten Monaten unter dem Stichwort "CD-Verbot bei Trauerfeiern" ausführlich über Vorgänge auf dem Friedhof Bad Oldesloe berichtet. Dabei wurde Hinterbliebenen das Abspielen der von ihnen gewünschten Musik auf ihren Trauerfeiern verweigert. In einem Fall wurde sogar gegenüber einer todkranken Frau der letzte musikalische Wunsch abgelehnt. Im Brennpunkt stehen die evangelisch-lutherische Kirchengemeinde Bad Oldesloe als Friedhofsträger und ihr Pastor Friedhelm Schark. Im Folgenden werden die Beispiele an Hand von Presseauszügen dokumentiert.

Lübecker Nachrichten vom 6. Februar 2013: "Wie gern hatten Dieter Schack und seine Frau dem Gesang von Ivan Rebroff gelauscht. ... Als Karin Schack vor einigen Wochen nach schwerer Krankheit starb, wollte der Witwer ihr den letzten Wunsch erfüllen und die gemeinsame Lieblingsmusik während der Trauerfeier in Bad Oldesloe spielen. Doch daraus wurde nichts. Der Rat der Evangelisch-Lutherischen Kirchengemeinde Oldesloe lehnte es ab, dass in der Auferstehungskapelle Musik von einer CD erklingt. … Da er [Dieter Schack] auf seinem Wunsch bestand, gab es für ihn nur die Möglichkeit, nach Reinfeld auszuweichen. Die dortige Kirchengemeinde hat gegen das Abspielen von Tonträgern nichts einzuwenden. … Dass die Trauernden zwischen Bad Oldesloe und [dem 10 Kilometer entfernten] Reinfeld hin- und herpendeln mussten, stieß bei vielen auf Kritik. Er wollte den Vorfall nicht auf sich beruhen lassen und wandte sich mit einem Beschwerdebrief an die Kirche. Pastor Diethelm Schark fühlt sich dadurch ungerecht behandelt, … räumt aber ein, dass das CD-Verbot während der Trauerfeiern unumstößlich ist."

Stormarner Tageblatt vom 2. Februar 2013: "Live-Musik gehört zum Charakter einer Trauerfeier. Davon ist man in Bad Oldesloe überzeugt. Jedenfalls hat der Kirchenvorstand sein CD-Verbot vor so langer Zeit beschlossen, dass Vorsitzender Pastor Diethelm Schark sagt, dass sei 'schon immer' so gewesen. Wer aus dem – wie er heute heißt – Kirchengemeinderat, war denn bei dem Beschluss dabei, wer kann sich überhaupt noch daran erinnern? Zeitgemäß mutet es jedenfalls nicht an. Andere Kirchengemeinden haben auch kein Problem damit, dem Verstorbenen und seinen Hinterbliebenen einen letzten Musikwunsch zu erfüllen, auch wenn der nicht live gespielt wird. Wessen Seelenheil möchten die Oldesloer eigentlich schützen? Da bleiben doch nur der Pastor, wenn er die Ansprache hält, und der Mann oder die Frau an der Mini-Orgel. Dass man am CD-Verbot sogar noch festhält, wenn die Orgel defekt ist, das ist eigentlich schon unchristlich."

Lübecker Nachrichten vom 8. Februar 2013: "Das CD-Verbot bei Trauerfeiern … bewegt die Gemüter. Viele Leser haben auf den Beitrag reagiert. Die Kirchengemeinde Bad Oldesloe hatte [Dieter Schack] untersagt, die Lieblingsmusik seiner verstorbenen Frau während der Trauerzeremonie abzuspielen. Das Leser-Echo fällt nicht gerade zugunsten der Kirchengemeinde aus. Die Kommentare reichen von 'unfassbar' … bis hin zu 'Welches Jahrhundert schreibt man dort?'"

Flensburger Tageblatt vom 9. April 2013: "Bad Oldesloe. Heinz-Uwe Goretzki ist tieftraurig und wütend zugleich. Seine Frau Heidemarie (68) liegt im Sterben und die ganze Familie beschäftigt sich deshalb intensiv mit ihrem nahenden Tod. Die sterbenskranke Frau verfasste bereits eine Wunschliste für die Gestaltung und den Ablauf ihrer eigenen Trauerfeier. … Doch die Pastoren der evangelischen Kirchengemeinde in Bad Oldesloe erteilten einem besonderen Musikwunsch jetzt eine Abfuhr. … Seine Frau habe sich das Lied ‚Aber die Liebe bleibt’ von Nana Mouskouri gewünscht. Ihr Lieblingslied sollte während der Trauerfeier von einer CD erklingen. Doch in der Auferstehungskapelle darf nur Live-Musik gespielt werden, entweder auf der kleinen Orgel oder von Musikern mit Instrumenten."

Stormarner Tageblatt vom 10. April 2013, Leserbrief eines emeritierten Pastors: "Manchmal entpuppt sich die 'reine Lehre' als 'reine Leere'. Ein Urteil über die Amtsbrüder maße ich mir nicht an, doch verstehen kann ich sie nicht."

Wedel-Schulauer Tageblatt vom 11. April 2013: "Der letzte Wille des Verstorbenen oder der sehnliche Wunsch von Angehörigen – wenn es bei der Trauerfeier um das Abspielen von Musik-CDs geht, zeigt sich die evangelische Kirchengemeinde Oldesloe hart: Das ist in der Friedhofskapelle verboten. Der jüngste Fall des Ehepaars Heinz-Uwe Goretzki und seiner unheilbar kranken Frau Heidemarie schlägt bundesweit hohe Wellen. Als Vorsitzender des Kirchenvorstands hat Pastor Diethelm Schark jetzt eine schriftliche Erklärung abgegeben. Man nehme mit großem Bedauern zur Kenntnis, welch großes Echo das gefunden hat. Der Beschluss des Kirchengemeinderats sei unter der Fragestellung gefasst worden, wie mit musikalischen Konserven in den Gottesdiensten umzugehen sei. Schark: 'Statt einer Fall-für-Fall-Regelung versuchen wir, eine generelle Entscheidung zu vertreten. Es ist keine Frage, ob etwas modern sei, sondern ob es hilfreich ist.'"

Hamburger Abendblatt vom 15. April 2013: "Der Fall von Heidemarie Goretzki aus Bad Oldesloe sorgt weit über die Stadtgrenzen hinaus für Schlagzeilen und für Diskussionen darüber, ob eine Kirchengemeinde einer sterbenskranken Frau ihren letzten Wunsch verweigern darf. Goretzki hat Krebs im Endstadium und plant bereits ihre Beerdigung. Die Oldesloerin wünscht sich bei der Trauerfeier das Lied 'Aber die Liebe bleibt' von Nana Mouskouri – abgespielt von einer CD. Genau das aber lässt die Gemeinde in Bad Oldesloe nicht zu. Der Kirchengemeinderat der evangelisch-lutherischen Gemeinde hat bestimmt, dass es in Gottesdiensten keine Musik aus der Konserve geben darf. Ausnahmen ausgeschlossen. Über diese Haltung sind nicht nur die Goretzkis empört. Jetzt hat sich die SPD im Landtag in den CD-Streit in Bad Oldesloe eingemischt."

Nachtrag: Wie das "Stormarner Tageblatt" am 20. April 2013 vermeldete, hat sich die Kirchengemeinde inzwischen für eine vorläufige Aussetzung des CD-Verbots entschieden.

Auflistung alle Artikel aus dem Themenheft Weltreligionen und Jenseitsglaube (Mai 2013).
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