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OHLSDORF - Zeitschrift für Trauerkultur

Grabstein für Domenica Niehoff im "Garten der Frauen"

Autor/in: Dr. Rita Bake
Ausgabe Nr. 106, III, 2009 - August 2009

Am 2. Juli 2009 wurde auf dem Ohlsdorfer Friedhof der Grabstein für Domenica Niehoff im Garten der Frauen für die Presse enthüllt.

Die offizielle Einweihung für die Öffentlichkeit erfolgte anlässlich der achten Geburtstagsfeier des Gartens der Frauen am 5. Juli 2009. Domenica Anita Niehoff (geboren am 3. August 1945 in Köln, gestorben am 12. Februar 2009 in Hamburg-Altona) wurde im März 2009 im Garten der Frauen bestattet und zwar im Rosenbeet, wo 2003 auch Gerda Gmelin, Prinzipalin des Theaters im Zimmer, beigesetzt wurde.

Grabstein für Domenica
Der Grabstein für Domenica Niehoff
Foto: P. Schulze

Domenica Niehoff, Tochter einer deutschen Mutter und eines italienischen Vaters, wuchs bis zu ihrem 14. Lebensjahr zusammen mit ihrem Bruder in einem katholischen Waisenhaus auf. Nach einer Ausbildung als Buchhalterin heiratete sie 1962 einen Bordellbesitzer. 1972 begann sie, in der Herbertstraße auf St. Pauli als Prostituierte zu arbeiten. Sie war Inspiration und Muse für viele Künstler. Anfang der 80er Jahre erlangte Domenica bundesweit Berühmtheit, weil sie sich öffentlich als Hure bekannte und sich als eine der Ersten für die Legalisierung der Prostitution engagierte. Ihre Berühmtheit nutzten viele so genannte Prominente zur eigenen Selbstdarstellung. 1990 stieg sie endgültig aus der Prostitution aus. Obwohl sie sich für die Akzeptanz der Huren stark machte, sah sie klarsichtig die menschenverachtenden Arbeitsbedingungen und Ausbeutungsverhältnisse in der Prostitution.

"Sie war wütend auf diejenigen, die die Prostitution glorifizierten", so der Photograph Günter Zint, mit dem Domenica eng befreundet war.

1991 begann Domenica, als Streetworkerin in Hamburg-St. Georg zu arbeiten. Sie war Mitinitiatorin des Hilfsprojektes "Ragazza e.V." und betreute bis 1997 drogenabhängige Mädchen auf dem Straßenstrich. 1998 eröffnete sie eine Kneipe am Hamburger Fischmarkt, die sie bis zum Jahr 2000 betrieb. Nach dem Tod ihres Bruders 2001 lebte sie in dessen Haus in Boos in der Eifel, bevor sie 2008 wieder auf den Hamburger Kiez zurückkehrte. Dort wohnte sie in der Talstraße und war bis zu ihrem Tod immer wieder Anlaufstelle für Bedürftige. Sie starb an einem Lungenleiden.

Es ist dem Verein Garten der Frauen Verpflichtung, Grabsteine für verstorbene Frauen, die ihren letzten Platz im Garten der Frauen erhalten haben, so zu gestalten, dass sie dem Wunsch der Verstorben entsprechen bzw. ihnen gerecht werden. Die eigene künstlerische Selbstdarstellung sollte dabei in den Hintergrund treten, so dass die Berühmtheit der Verstorbenen nicht benutzt wird zur eigenen öffentlichen Präsentation. Die Gestaltung des Grabsteins für Domenica Niehoff übernahm deshalb unser Mitglied und Steinmetz Bert Ulrich Beppler, der den Stein spendete.

Der Verein Garten der Frauen hat sich für einen Grabstein entschieden, der das Portrait von Domenica trägt. Damit meinen wir, Domenica gerecht geworden zu sein und ihrem Wunsche entsprochen zu haben, denn Domenica hatte einmal auf die Frage, wie sie gerne abgebildet sein möchte, geantwortet: Im Rathaus und hochgeschlossen. Nun, das Rathaus können wir ihr nicht bieten. Aber so wie im Hamburger Rathaus Portraits von Hamburger Senatoren, Bürgermeistern, bedeutenden Männern der Stadt und einigen wenigen bedeutenden Frauen verewigt sind, so erinnern wir im Garten der Frauen mit Grab- und Erinnerungssteinen an für uns bedeutende Frauen Hamburgs. Domenica war eine Kämpferin für die Rechte der Huren und bis zu ihrem Tod immer wieder Anlaufstelle für Bedürftige. Das machte sie bedeutend. Und dafür braucht man Herz und Verstand. Dies ist ein weiterer Grund, warum Domenicas Portrait auf ihrem Grabstein abgebildet ist.

Auf dem abgeschrägten oberen Abschluss des Grabsteins liegt ein aus Stein geformtes Akanthusblatt, seit der Antike das Symbol dafür, dass eine schwere Arbeit vollbracht wurde. Und es war schwere Arbeit, die Domenica zu ihren Lebzeiten geleistet hat. Schließlich verläuft um den Stein in Höhe des Portraits von Domenica ein Band aus kleinen roten Herzen, das versinnbildlichen soll, dass Domenica von einem Großteil der Bevölkerung und ihren Freundinnen und Freunden als das Herz von St. Pauli empfunden wurde.

Der Künstler Tomi Ungerer hat unaufgefordert einen Entwurf für einen Grabstein präsentiert, der Domenica Niehoffs Bedeutung auf die Darstellung zweier übergroßer Brüste reduzierte. Der Garten der Frauen hat diesen Entwurf nicht angenommen. Die Hamburger Morgenpost griff dies auf und präsentierte als Schlagzeile auf dem Titelblatt "Friedhof verbietet Grabstein von Domenica". Die Friedhofsverwaltung hat mit dieser Sache überhaupt nichts zu tun gehabt. Ihr wurde der Entwurf gar nicht vorgelegt. Warum auch! Der Verein Garten der Frauen entscheidet selbst darüber, was er in den Garten der Frauen aufstellt und wie er den Garten gestaltet. Von einem Verbot kann also gar keine Rede sein, auch schon deshalb nicht, weil es gar keinen Grabstein gibt, den Tomi Ungerer geschaffen hat. Es gibt lediglich einen Entwurf von Tomi Ungerer, den der Verein Garten der Frauen beim Künstler weder in Auftrag gegeben noch angefordert hatte. Der Verein Garten der Frauen hat in diesem Fall so gehandelt wie jede Garten- bzw. Grabplatzbesitzerin handeln würde, wenn ein fremder Mensch auf sie zukommen würde und ihr einen Entwurf einer Skulptur bzw. eines Grabsteins präsentiert mit der Aufforderung, eine solche Skulptur oder einen solchen Grabstein herzustellen und diese in ihrem Garten bzw. auf ihrem Familiengrab aufzustellen. Entweder hat die Besitzerin Bedarf und findet die Idee gut oder – wie in diesem Fall – sie lehnt dankend ab.

Auflistung alle Artikel aus dem Themenheft Friedhofsführer (August 2009).
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