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OHLSDORF - Zeitschrift für Trauerkultur

FÖRDERKREIS OHLSDORFER FRIEDHOF E.V.

Verein für Kultur und Denkmalpflege

Eine Grabmal-Patenschaft für Johann Reimer (1847-1917), den engagierten Steinmetz aus dem Karolinenviertel

Johann Reimer kam 1869 als 22-Jähriger nach Hamburg und gründete hier seinen Steinmetzbetrieb. Er wohnte im Karolinenviertel, Marktstraße 119.

Beruflich engagierte er sich im Steinmetzverband und im "Gewerbebund vor dem Holstentor", aber auch in der Kirchengemeinde der Gnadenkirche zu St. Pauli und seit 1892 sogar in der Hamburgischen Bürgerschaft. Hinzu kamen seine Mitgliedschaften in verschiedenen politischen Gremien, u. a. auch in der "Baupflegekommission", die in Hamburg seit 1912 durch Gesetz eingeführt worden war "gegen die Verunstaltung des Stadtbildes".

Reimergrab
Familiengrab Reimer auf dem Friedhof Ohlsdorf (Lage: V 8)
Foto: Hella Häussler

Für die Handwerkskammer Hamburg ist das politische und soziale Engagement von Johann Reimer unvergesslich. In einer flammenden Rede setzte er sich am 12. Juli 1912 in der Bürgerschaft dafür ein, dass das "Gewerbehaus" der damaligen Gewerbekammer entstehen konnte. Nach der Entscheidung von Senat und Bürgerschaft stellte die Stadt neben dem Grundstück in der Baulücke am Holstenwall auch die Baukosten in Höhe von 911.300 Mark zur Verfügung. Von Fritz Schumacher, dem damaligen Leiter des Hochbauamtes der Baubehörde, stammte der Entwurf für einen "wahren Zauberkasten der verschiedenen Säle und Bürokomplexe" (aus Fritz Schumacher "Stufen des Lebens"), dem Gebäude und Sitz der heutigen Handwerkskammer.

Reimer
Büste des Johann Reimer in der Handwerkskammer
Foto: Hella Häussler

Eine Büste von Johann Reimer steht im Treppenhaus des Kammergebäudes. Sie wurde von Friedrich Bursch geschaffen, der in Hamburg bekannt ist für die Steinmetzarbeiten am Ehrenmal auf dem Rathausmarkt mit dem ursprünglichen Barlach-Relief von 1931 und seiner Rekonstruktion 1949. Johann Reimer muss als Steinmetz sehr erfolgreich gewesen sein. Die Auftragslage für Bausteinmetze war damals in der Gründerzeit und in der Zeit vor der Erfindung des Stahlbetons vermutlich sehr gut gewesen, denn es wurde viel Naturstein im Hochbau verarbeitet.

Familiär hatte er jedoch schwere Schicksalsschläge zu verkraften. Seine einzigen beiden Kinder starben im Alter von nur zwei und vier Jahren. 1878, im Jahr nach der Einweihung des Ohlsdorfer Friedhofs, war die kleine Magdalene gestorben. Für den Steinmetzmeister war es selbstverständlich, dass sie in Ohlsdorf beerdigt wurde. Er kaufte das Grab in der Nähe von Kapelle 1 "auf Friedhofsdauer". Der sehr frühe Grabbrief Nr. 278 für die Grablage V 8 ist noch erhalten. Der zweite Schicksalsschlag war der Tod des Sohnes Johannes mit nur vier Jahren.

Seniorenpark
Inschrift am heutigen "Seniorenpark der Handwerkskammer"
Foto: Hella Häussler

In ihrem Testament verfügten Johann Reimer und seine Frau Pauline daraufhin die Gründung einer Stiftung. Der größte Teil des Vermögens, nämlich 600.000 Mark, wurde zur Errichtung und Unterhaltung eines "Altersheims für bedürftige selbständige Handwerker" vorgesehen. Nach Johann Reimer’s Tod am 30. Januar 1917 vergingen noch zwölf Jahre bis 1929 in Fuhlsbüttel am Ratsmühlendamm der erste Bauabschnitt des Altersheims fertig gestellt werden konnte. Im heutigen "Seniorenpark der Handwerkskammer" mit ca. 200 Wohnungen wohnen nach wie vor Handwerker und Handwerkerinnen.

Grabplatte
Grabplatte
Foto: Hella Häussler

Durch die Novellierung des Bestattungs- und Friedhofsgesetzes verlor die Grabstätte von Familie Reimer den Status "auf Friedhofsdauer". Dank des Förderkreises Ohlsdorfer Friedhof, der das Grabmal als erhaltenswert eingestuft hatte, wurde das Grab nicht eingeebnet. Im Rahmen einer Grabmal-Patenschaft sieht sich die Handwerkskammer Hamburg verpflichtet, das Grab der Familie Johann Reimer als Ort des Gedenkens und des Dankes langfristig zu erhalten. Der Patenschaftsvertrag steht kurz vor dem Abschluss.

Auflistung alle Artikel aus dem Themenheft Grabmalinschriften (März 2010).
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