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OHLSDORF - Zeitschrift für Trauerkultur

Ein Kreuz von Bruno Karberg

Einen "großen" Namen hat Bruno Karberg in der bildenden Kunst sicher nicht gehabt. Aber einige ältere Hamburger mögen sich eventuell seiner erinnern, wenn auch vor allem über die Werke seiner angewandten Kunst.

Mit einem von ihm geschaffenen, eher unscheinbaren Grabmal ist auch er auf dem Hauptfriedhof Ohlsdorf vertreten.

Karberg wurde 1896 in Curslack als Sohn eines Maurers geboren. Der in den Leistungsfächern eher schwache Schüler erregte jedoch schon in jüngsten Jahren mit seinen bildnerischen Darstellungen Aufmerksamkeit. Nach Schulschluss ging er zunächst bei dem Hamburger Kunsthandwerker Georg Hulbe in die Lehre, in der er sich auf den Entwurf von Urkunden und Diplomen spezialisierte. Während seines anschließenden achtjährigen Studiums auf der Kunstgewerbeschule Hamburg verschaffte er sich eine Gesamtübersicht über alle Fächer – in der Tischlerei, in der Druckerei, in der Buchbinderei und in der Metallwerkstatt. Einem anschließenden Aufenthalt mit kunstgewerblichem Schwerpunkt in Lübeck folgte sodann die Selbstständigkeit in Hamburg.

Gleich seinem künstlerischen Weggefährten Alfred Mahlau (1894-1967) aus Lübeck, dessen zeitloses gestalterisches Wirken sich bis heute unter anderem höchst eindrucksvoll auf den Verpackungen des weltbekannten Marzipanhauses Niederegger ausdrückt, widmete sich auch Karberg in Hamburg der angewandten Kunst. Hamburgs Handel und Wandel der gehobeneren Provenienz akzeptierte bald, dass er den Anspruch an seine Kunden stellte, von ihnen in Auftrag gegebene Aussagen der Werbung künstlerisch zu gestalten.

So geriet Bruno Karberg in den 20er Jahren rasch in das Blickfeld des Senats der Freien und Hansestadt Hamburg. Er vertraute ihm die völlige Neugestaltung der gesamten amtlichen Drucksachen, Hoheitszeichen, Siegel, Stempel, Ehrenzeichen und Urkunden an. Auch Repräsentationsgaben “Eines Hohen Senats” – zum Beispiel Ehrenpreise bei überragenden Sportveranstaltungen, vornehmlich Regatten – trugen Karbergs Handschrift. Darüber hinaus modellierte er Mosaikwände für Industrieunternehmen, gestaltete Mengenartikel wie Spardosen, schuf Holzplastiken, Wandgemälde in öffentlichen Einrichtungen, entwarf Plakate und auch Spielzeug.

Zutiefst religiös veranlagt, waren ihm biblische Darstellungen in Schrift und Bild eine Art Ausgleich für das profane Wirken. In der bildenden Kunst war er auf allen Feldern – Öl, Kreide, Aquarell, Holz- und Linolschnitt – ein solider Könner, ein begnadeter Handwerker. Das wohl einzige von ihm gestaltete Grabmal – im Bereich der Kapelle 8 – in Ohlsdorf ist ein schlichtes Kreuz. Karberg schuf es im Schicksalsjahr 1945 für die gestorbene Frau eines Freundes, mit dessen kinderreicher Familie der alleinstehende Künstler verbunden gewesen ist. Die schlichte Gestalt des aus Eiche gefertigten Kreuzes ist gleichsam Sinnbild seines niederdeutsch-künstlerischen Charakters: Klare Aussage, Beschränkung auf das Wesentliche.

Nach zwei weiteren Beisetzungen ist die Familiengrabstätte inzwischen voll belegt. Der Hamburger Bildhauer Oliver Schüler-Lürssen hat nach Vorlage des Karbergschen Kreuzes, das er 1993 auch restauriert hatte, zwei Repliken angefertigt. Damit gibt es in Ohlsdorf ein – eher seltenes – mit hölzernen Kreuzen einheitlich gestaltetes Ensemble neueren Datums.

Bruno Karberg hatte sein Atelier in Bergedorf. 1967 ist er in Reinbeck gestorben – und seither weitgehend vergessen. Sein Name ist nicht einmal im Staatsarchiv, für das er einst repräsentative Bucheinbände entworfen hatte, zu finden. Einzig eine kleine Straße in Nettelnburg erinnert an ihn.

Auflistung alle Artikel aus dem Themenheft Bildhauer und Grabmäler (Mai 2001).
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