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OHLSDORF - Zeitschrift für Trauerkultur

Das Boot - Symbol der Hoffnung (Neuer Friedhof Finkenwerder)

Auf dem Neuen Friedhof Finkenwerder weisen nur wenige Gedenksteine auf die maritime Vergangenheit der ehemaligen Elbinsel hin.

In der Nordwestecke jedoch zieht ein ungewöhnliches Objekt den Blick auf sich: Kieloben liegt ein Rettungsboot am Rand des Grabfeldes für anonyme Urnenbestattungen. Es ist ein originales, 6 m langes und schwimmfähiges Aluminiumboot eines unter Panama-Flagge gefahrenen deutschen Handelsschiffes. Es bietet seit 1985 den Ort, an dem Blumenschmuck abgelegt wird. Dem unkundigen Betrachter scheint es symbolhaft für die ehemalige Elbinsel Finkenwerder zu stehen, deren Menschen einst eng mit der Seefahrt verbunden waren, und das Boot hier zu ihrem Gedenken dient. Doch weit gefehlt. Dem Künstler Felix Droese, ein Schüler von Joseph Beuys, diente das Alltagsfundstück auf dem Friedhof der überkonfessionell-religiösen Symbolik: der Rettung. Der politisch agierende Künstler betont immer wieder: Man muss die Kunst nutzen, um die großen Fragen der Menschheit im gesellschaftlichen Leben zu lösen.

Hajo Schiff interpretiert in "Kunst im öffentlichen Raum" das Kunstwerk als ein politisches und resultiert: Und so wird der Seelenkahn auch zum politischen Hoffnungsträger der alten Fischerdörfer an der südlichen Elbe, die sich von der verheerenden Flutkatastophe 1962 noch erholt hatten, die aber vom endgültigen, vernichtenden Zugriff der gefräßigen Erweiterung der Hafenindustrie hinweggespült zu werden drohen. 15 Jahre nach der Aufstellung wird die vom Rumpf abblätternde Farbe von Ranken des Efeus überdeckt und wieder schlägt die Industrie zu. Nun sind es Teile des im Westen Finkenwerders gelegenen Naturschutzgebietes Mühlenberger Loch, auf denen bald Superflugzeuge gebaut werden sollen. Es scheint, das Boot verstecke sich von selbst unter Efeuranken und habe die in es gelegte Hoffnung aufgegeben.

Auflistung alle Artikel aus dem Themenheft Bildhauer und Grabmäler (Mai 2001).
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