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OHLSDORF - Zeitschrift für Trauerkultur

Die Exkursion des Förderkreises nach Wismar

Die diesjährige Exkursion des Förderkreises ging am 2. September 2017 nach Wismar.

Der Besuch des historischen Friedhofs von Wismar war das Hauptziel. Er ist fast 50 Jahre älter als der Ohlsdorfer Friedhof. Dabei lernten wir auch den Freundeskreis des Friedhofs von Wismar kennen (http://www.friedhofsverein-wismar.de/), der uns mit Kaffee und Kuchen im historischen Leichenwärterhaus empfing. Der sehr aktive Verein wurde 2014 gegründet und organisiert Führungen und kulturelle Veranstaltungen, aber auch Gemeinschaftsarbeit auf dem Friedhof.

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Begrüßung der Exkursionsteilnehmer auf dem historischen Friedhof von Wismar. Foto: H. Häussler

Das Leichenwärterhaus entstand 1832, also zum Zeitpunkt der Friedhofsgründung mit dem alten Teil. Aus Angst davor, lebendig begraben zu werden, mussten die Toten bis zur Beerdigung dort aufgebahrt bleiben. Der Leichenwärter wohnte mit seiner Familie unter demselben Dach. Kein Toter ist wieder aufgewacht, aber aus hygienischen Gründen wurde 1910 eine Leichenhalle beim Krankenhaus gebaut. Das Leichenwärterhaus wurde noch bis 1978 bewohnt und diente danach als Lager und als Sargtischlerei. Inzwischen konnte schon einiges repariert werden, insbesondere am Dach. Aber welche neue Nutzung in dieses alte eindrucksvolle Gebäude einziehen wird, steht noch nicht fest.

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Frau Dr. Anja Kretschmer (l) und Frau Grit Schaller-Uhl (r) vom Verein zur Förderung der Friedhofskultur in Wismar. Foto: H. Häussler

Vor unserem Weg durch verschiedene Teile des in vier Abschnitten entstandenen Friedhofs bis hin zur Friedhofskapelle berichteten uns Frau Grit Schaller-Uhl, die Friedhofsleiterin, und Frau Dr. Anja Kretschmer, die Vorsitzende des Friedhofsvereins über die Besonderheiten dieses historisch sehr wertvollen Friedhofs. Bereits 1831 war der Friedhof außerhalb der Stadtmauern angelegt worden und zwar gartenähnlich – wie in Ohlsdorf im "Cordes-Teil". Dies war oberhalb der Stadt jedoch ein historisch belasteter Ort gewesen, nämlich die Hinrichtungsstätte für Straftäter. Der damalige Bürgermeister Johann Friedrich Haupt (1800–1835) ging deshalb mit gutem Beispiel voran und kaufte den Platz für sein eigenes Begräbnis, an der Stelle wo bis 1829 der Galgen gestanden hatte.

Grabmal Hasse
Sella Hasse

Bemerkenswert: Das Grabmal der Künstlerin Sella Hasse auf dem historischen Friedhof in Wismar. Fotos: H. Häussler

Das Interesse der Bürger an diesem neuen Friedhof wurde außerdem dadurch geweckt, dass die zehn schönsten Plätze für die Anlage von privaten Grabkapellen vorgesehen wurden. Diese kleinen und großen Mausoleen sind weitgehend erhalten – mit den damit verbundenen Erhaltungsproblemen, die wir auch von Ohlsdorf kennen. Ausführlich ist dies in einem Artikel von Anja Kretschmer dargestellt, der in unserer Zeitschrift 2011 erschienen ist (http://www.fof-ohlsdorf.de/kulturgeschichte/2011/112s37_wismar). Bis heute wurde die Friedhofsfläche in drei Abschnitten auf 30 ha erweitert. Die Friedhofskapelle im östlichen und letzten Erweiterungsabschnitt wurde von dem Hamburger Architekten Konstanty Gutschow (1902–1978) errichtet. Eine Besonderheit bildet ein großes Rundfenster mit einem Phönix, der sich aus den Flammen zur Sonne erhebt. Ursprünglich sollte das Rundfenster eine weiße Lilie enthalten. Dann bekam der Hamburger Maler Paul Bollmann (1885–1944) den Auftrag einen Phönix zu entwerfen. Jedoch wurde dieser Entwurf von dem Architekten nicht akzeptiert, so dass schließlich der Hamburger Künstler Carl Otto Czeschka (1878–1960) aufgefordert wurde, einen neuen Entwurf für das Rundfenster vorzulegen. Es wurde ein großer adlerähnlicher Vogel, der sich aus den Flammen zur Sonne erhob. In der Nacht zum 25. Juli 1943 verbrannte der Entwurf, der am Tag zuvor genehmigt worden war. Czeschka hat erst nach 1945 einen neuen veränderten Entwurf vorgelegt, den die Berliner Glaskunstfirma Puhl & Wagner realisiert hat. Wir waren beeindruckt über die interessante Geschichte und die wirtschaftliche Bedeutung Wismars, wie sie uns nach dem Friedhofsbesuch von der Stadtführerin Ines Stiller spannend vorgetragen und gezeigt wurde. Wir bewunderten die liebevoll sanierte Altstadt und die großen Kirchenbauten St. Nikolai, St. Marien und St. Georgen. Mit einem Spaziergang durch den Hafen endete unsere Exkursion, und es ging im Bus zurück nach Hamburg.

Auflistung alle Artikel aus dem Themenheft 125 Jahre Feuerbestattung (Oktober 2017).
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