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OHLSDORF - Zeitschrift für Trauerkultur

Der letzte Garten – historische Grabanlage auf Malta

Versteckt liegt der Msida Bastion Garden of Rest vor den Toren der maltesischen Hauptstadt Valletta.

Er ist der letzte von ehemals vier Friedhöfen dort, der noch erhalten ist, und befindet sich auf der St. Philips Bastion mit wunderschönem Blick auf den weitgezogenen Marsamxett Hafen. Eingerahmt von den Festungsmauern wachsen hohe Pinien, Zypressen und Olivenbäume zwischen den Grabsteinen. Der Friedhof wird von blühenden Pflanzen, wie Hibiskus, Oleander und Petunien umsäumt, die mit Hilfe eines Bewässerungssystems auch in der Hitze gedeihen.

Eingang
Der historische Eingang des Friedhofs. Foto: B. Heitmann
Aussicht
Der Friedhof mit Aussicht auf den Yachthafen. Foto: B. Heitmann

Malta verfügt aufgrund seiner exponierten Mittelmeerlage über eine sehr abwechslungsreiche Geschichte unter verschiedenen Herrschern. Ab 1800 begann die britische Kolonialzeit und dadurch gab es auch zum ersten Mal den Bedarf nach einem protestantischen Friedhof. Das erste nachgewiesene Grabmal auf dem damaligen Msida Bastion Cemetery ist 1806 datiert. Bestattet wurden hauptsächlich Angehörige der protestantischen Gemeinde Maltas, meist Angehörige der britischen Streitkräfte, Zivilangestellte und deren Familien. Aber auch vom aufgelassenen griechisch-orthodoxen Friedhof wurde umgebettet, und es gibt auch weitere nicht protestantische Gräber; die Kirchenzugehörigkeit war kein zwingendes Merkmal. Bis zum Jahr 1850 wurden hier mindestens 530 Personen bestattet, teilweise auch noch später, wenn hier schon ein Familiengrab vorhanden war. Danach wurde dann der größere Friedhof in Ta Braxia genutzt, der heute noch in Betrieb ist. Im Zweiten Weltkrieg wurde Malta von der deutschen und italienischen Luftwaffe schwer bombardiert. Es gab einen Volltreffer auf dem Friedhof. Die Explosion zerstörte viele Grabmale und schleuderte Grabplatten herum, so dass sie zerbrachen. Nach dem Krieg kam es zu weiterer Zerstörung durch Vandalismus, und der Zahn der Zeit nagte an den relativ weichen Kalksteinen.

Manoel
Der Friedhof mit Aussicht auf Fort Manoel. Foto: B. Heitmann

Ab 1988 wurde dann "Din L’-Art Helwa", die maltesische Organisation für Denkmalpflege mit Unterstützung der Regierung tätig. Der Friedhof sollte in einen öffentlichen Garten umgewandelt und die wichtigsten Grabmale restauriert und wieder aufgestellt werden. Gerade die Grabplatten wurden dabei zu einem gigantischen Puzzle-Spiel, und noch immer konnten nicht alle Teile zugeordnet werden. Aber oft waren die Ehrenamtlichen auch erfolgreich. So kann man auf der Marmorplatte für Lucy Rathbone, auf der sie als schöne, engagierte, liebenswerte und fast perfekte Mutter und Ehefrau ausführlich beschrieben wird, die unzähligen Klebestellen gut erkennen.

Kalkstein
Auf dem weichen Kalkstein ist keine Inschrift mehr erkennbar. Foto: B. Heitmann

Sarkophage mit aufwendiger Reliefverzierung waren als Grabmal sehr beliebt. Darauf geschrieben stehen oft Texte über den Beruf, die Eigenschaften und die Vorzüge des Verstorbenen.

Grabmale
Die Grabmale stehen wie aufgereiht. Foto: B. Heitmann
Baker
Todessymbolik am Grab von Hannah Baker. Foto: B. Heitmann

Es wurde auch viel Grabsymbolik verwendet. So befinden sich an dem Grabmal des Navy-Chirurgen Henry Weld neben einem großen Anker auch eine geflügelte Sanduhr und eine Schlange, die sich um einen Ast windet. Sehr beeindruckend ist das Grab von Hannah Baker. Die liegende Figur ist zwar inzwischen kopflos, aber umlaufend finden sich viele Symbole, wie geflügelte Sanduhren, Mohnkapseln, trauernde Kinder und Totenköpfe in der Umzäunung.

Vassalli
Das Grab von Mikiel Vassalli, dem Vater der maltesischen Sprache. Foto: B. Heitmann

Durch die Zerstörungen und mangelnde Dokumentation des historischen Zustands ist die Lage der Gräber nur noch bei den großen massiven Steinen original, andere wurden neu arrangiert. Auch konnten die Platten nicht immer den Steinen zugeordnet werden, überzählige Platten wurden um den Rand herum aufgestellt.

Auf dem Friedhof wurden auch bekannte Persönlichkeiten aus der Geschichte Maltas begraben. Mikiel Anton Vassalli (1764–1829) gilt als Vater der maltesischen Sprache; er veröffentlichte ein erstes Wörterbuch und eine Grammatik. Vassalli durfte nicht auf dem regulären katholischen Friedhof begraben werden, weil er ursprünglich angefangen hatte, die Priesterlaufbahn einzuschlagen und seine spätere Hochzeit deshalb von der Kirche nicht anerkannt wurde, er also in Sünde gelebt hatte. Der nachträglich geschaffene Erinnerungsstein ist sehr schlicht und soll demnächst ausgetauscht werden. Viele Angehörige der Navy und des Foreign Office, die teilweise aus adeligen Familien stammten, verbrachten hier ihren Ruhestand und bestimmten mit ihren Frauen das gesellschaftliche Leben, waren aber auch sehr wohltätig gegenüber Armen und Bedürftigen. Je nach Stellung in der Gesellschaft wurden entsprechend große eingezäunte Grabmale geschaffen und auf die Bedeutung des Verstorbenen hingewiesen.

Rathbone
Eine wahre Puzzlearbeit war die Restaurierung der Platte von Lucy Rathbone. Foto: B. Heitmann

Wer sich dem Friedhof oder Malta besonders verbunden fühlt, kann sich hier neuerdings wieder bestatten lassen. Vor einer Mauer mit historischen Marmorplatten ist Platz für Urnengräber und kleine Grabtafeln.

Frere
Auf dem Grabmal von Susannah Frere steht ein Gedicht, das ihr Bruder für sie geschrieben hat. Foto: B. Heitmann
Anker
Anker und Schlange auf dem Grabstein von Henry Weld. Der Navy-Chirurg schnitt sich bei einer Operation in den Finger und starb später im Alter von nur 24 Jahren an der Infektion. Foto: B. Heitmann
Tafel
Eine Tafel vom griechisch-orthodoxen Friedhof. Foto: B. Heitmann

Der Charakter der Bastion wird auch heute noch durch mächtige Kanonen, die jeweils vier Tonnen wiegen, gezeigt. 1995 konnte der erste Teil des neugestalteten Garden of Rest für die Öffentlichkeit freigegeben werden. 2002 erhielt der Friedhof die Silbermedaille der europäischen nicht-staatlichen Denkmalorganisation "Europa Nostra", und das Magazin "National Geographic" zählte ihn 2014 zu den fünf schönsten Friedhöfen Europas.

Mauern
Hohe Festungsmauern rahmen den Friedhof ein. Foto: B. Heitmann
Baron
Ein russisch-orthodoxes Grab für Baron Schlippenbach, Kapitän der kaiserlich-russischen Marine. Foto: B. Heitmann
Nowell
Der Sarkophag von Elisabeth Nowell hat einige Risse. Foto: B. Heitmann

Die grundsätzliche Sanierung ist inzwischen abgeschlossen. Allerdings ist der weiche Kalkstein sehr anfällig, und so nagt der Zahn der Zeit weiterhin ständig an den gut 200 Jahre alten Grabmalen.

Um die Anlage, die sich auf verschiedenen Ebenen befindet, besser zugänglich zu machen, sollen die Wege jetzt behindertengerecht ausgebaut und ein vorhandener Raum als Museum neu genutzt werden. Dabei gibt es nur minimale Zuschüsse von offizieller Stelle, die Pflege der Gartenanlage und auch die Umbauarbeiten werden durch Spenden und die Arbeiten von Freiwilligen ermöglicht.

Der Friedhof – oder auch Garden of Rest – ist ein wunderschöner geschichtsträchtiger Ort und unbedingt einen Besuch wert. Neben den historischen Gräbern machen ihn aber auch die einmalige Aussicht und die gärtnerische Gestaltung zu einer besonderen Stätte, von der eine ganz eigene Faszination ausgeht.

Msida Bastion Garden of Rest
Triq Vincenzo Dimech
Floriana/Malta
Öffnungszeiten: Dienstag, Donnerstag, Sonnabend und jeden ersten Sonntag im Monat von 9.30 – 12.00 Uhr.

Terrassen
Der Friedhof ist terrassenförmig angelegt. Foto: B. Heitmann
Fragment
Diese einst sicher schöne Frauenstatue ist nur noch als Fragment erhalten. Foto: B. Heitmann
Mein
Eine Messingplatte auf dem Sarkophag von Colonel John Alexander Mein, die einzige Beschriftung dieser Art hier. Foto: B. Heitmann
Pinien
Hohe Pinien, Zypressen und Olivenbäume spenden hier kaum Schatten. Foto: B. Heitmann
Auflistung alle Artikel aus dem Themenheft Tod und Natur (Dezember 2016).
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