Die Region der "Cinque Terre" liegt am Mittelmeer an der "Riviera di Levante", östlich von Genua, und dieses Wanderparadies zwischen Himmel und Meer bildet eine Traumlandschaft. Mit ihren fünf kleinen Orten aus dem 11. und 12. Jh. ist die Gegend UNESCO-Weltkulturerbe seit 1997. Die beeindruckenden Dörfer an der Steilküste sind am besten mit der Regionalbahn zu erreichen – oder per Schiff, bis auf das mittlere Corniglia, das hoch liegt und keinen Hafen besitzt. Diese fünf Orte und deren Friedhöfe erzählen uns einiges über Trauerkultur und Geschichte Nordwestitaliens.
- Todesanzeige in Monterosso. Foto: Behrens
- Listen von Gedenktagen. Foto: Behrens
In Monterosso al Mare, dem nördlichsten, ausgedehntesten und mit fast 2000 Einwohnern größten Ort der Cinque Terre, stößt man auf Todesanzeigen am Badestrand und, in der wunderschönen Kirche San Giovanni Battista der Altstadt, auf Listen von Gedenktagen für Verstorbene. Direkt neben dieser Kirche aus typisch ligurischer Gotik steht eine weitere Kirche aus dem 17. Jahrhundert – die der "Mortis et Orationis Confraternitas" (Bruderschaft des Todes und Gebetes, auch "Oratorio dei Neri" genannt, da deren Brüder eine schwarze Robe trugen), eine von zwei solchen Oratorien in Monterosso.
- Oratorio die Neri, Eingang. Foto: Behrens
- Oratorio die Neri, Schädel und Gebeine. Foto: Behrens
An der Fassade stehen über dem Eingang Namen und Wappen der Bruderschaft mit Schädel und Gebeinen, ganz oben unter dem Kreuz ein plastischer Schädel ebenfalls mit Gebeinen, und im Innenraum barocke Todsymbole, Gerippe und Putti mit Sanduhren. Offenbar wurde die Kirche gebaut, um der zahlreichen Seeleute zu gedenken und Witwen, Waisen, und auch Schiffbrüchigen zu helfen.
- Oratorio die Neri, Gerippe und Putten. Foto: Behrens
Alle Friedhöfe dieser Dörfer liegen an der Steilküste da, wo eine Anlage überhaupt möglich ist, oft in der Höhe inmitten des Terrassen-Weinanbaus und fern der Besiedlung, so bei Manarola und Vernazza.
- Friedhof in Manarola. Foto: Behrens
- Friedhof hoch über Vernazza. Foto: Behrens
Der Friedhof des östlichsten Ortes der Cinque Terre Riomaggiore liegt ebenfalls hoch über dem Dorf, halbwegs in Richtung einer Wallfahrtskirche am 340 m hohen Berg Montenero.
Der Friedhof von Riomaggiore
Wie oft im Mittelmeerraum (so auch auf Ibiza, wie es Olga Diel kürzlich in Heft 132 dieser Zeitschrift beschrieben hat) sind die Toten dieser Gegend in Wänden von drei bis sieben Stockwerken oder mehr, für die man eine Leiter braucht, oberirdisch in Nischengräbern begraben.
- Grabnischen in Riomaggiore: Foto: Behrens
- Aschennischen in Riomaggiore. Foto: Behrens
Andere Farben und Materialien sind gelegentlich vorhanden, auch mehrmals Bronze etwa für die nie fehlenden Leuchten oder Vasen, die meist mit Kunstblumen gefüllt sind. Mit Engelmotiven, Madonna, Christus, Pietá oder Rosen verziert – hier oft serienweise verarbeitet – wird die einzelne Grabnische meist mit einer Leuchte, einer Vase und einem Bild des Verstorbenen dekoriert. Wie in neuerer Zeit im Mittelmeerraum üblich, gibt es allerdings auch kleinere und entsprechend weniger dekorierte Aschennischen.
- Erdbestattungen in Riomaggiore. Foto: Behrens
Wer vom Friedhofseingang im unteren Teil der Anlage die Treppen der schmalen Terrassen nach oben steigt, entdeckt mit Staunen doch einige breitere grüne Streifen für Erdbestattungen – mit kleinen Grabsteinen und Holzkreuzen wie auch zum Beispiel das Mausoleum einer "Familie Vivaldi". Ansonsten sind größere Familienanlagen in Riomaggiore selten, der Platz dafür zu kostbar. Außerdem ist dieser Friedhof anscheinend nicht sehr alt.
- Erinnerungstafel für gefallene Soldaten. Foto: Behrens
Erwähnenswert ist schließlich noch eine Kriegserinnerungstafel 1915–1918 für an Land und auf See gefallene Soldaten.
Der Friedhof von Monterosso al Mare
Über der Stadt in Monterosso stehen die Ruinen einer genuesischen Festung. Das von antiken Mauern umschlossene Gelände wird heute als städtischer Friedhof genutzt.
- Friedhof Monterosso umgeben von alten Festungsmauern. Foto: Behrens
Dieser besitzt bemerkenswerte Mausoleen und Grabstätten des 19. Jh. Gleich nach steilem Aufstieg gegenüber vom Eingang wird der Besucher vom Mausoleum Rossignoli (1888) begrüßt; gekrönt von einer pyramidenartigen Säule mit Portrait, Putti und oben einem sitzenden Engel mit breiten Flügeln und Trompete wirkt diese Grabstätte am Hang noch viel höher als sie tatsächlich ist.
- Monterosso, Mausoleum Grasso. Foto: Behrens
Wunderbar ist das besonders fein in Halbrelief bearbeitete Mausoleum Grasso aus Carrara-Marmor, oben mit Madonna und Kind, unten einer interessanten schmiedeeisernen Tür, links und rechts davon zwei große Engel und überall sehr vielen Blumen. Ebenfalls sehr lebendig sind die beiden Portraits der breiten, schlichten übereinander liegenden Nischen der Grabstätten Benvenutto, Federigi oder Manciamarchi, allerdings hier ganz anders mit Schädel auf vier gekreuzten Kreuzen – alle vier um 1900 entstanden.
- Grabstätte Benvenuto in Monterosso. Foto: Behrens
- Monterosso, Grabstätte Manciamarchi. Foto: Behrens
Diese Beispiele aus Monterosso verdienen übrigens hier den Vergleich mit manchen anderen Kunstwerken im berühmten Staglieno-Friedhof in Genua, deren Bildhauer möglicherweise dieselben oder aus der gleichen Schule waren. Nischengräber sind in Monterosso jedoch viel zahlreicher: einige als Familienanlagen in der Breite, die meisten klein und in der Tiefe – je nach Möglichkeiten der Fläche am Abhang, wobei man selten die alten Mauern der früheren Festung vergisst. Im Gegensatz zu Riomaggiore sind hier nicht nur Kunstblumen oder Immortellen zu sehen, Besucher kamen auch mit frischen Blumen.
- Monterosso, Familiengrabnischen. Foto: Behrens
- Monterosso, ..nicht nur Kunstblumen. Foto: Behrens
- Monterosso, Erdbestattungen ganz oben auf dem Friedhof. Foto: Behrens
Auf dem höchsten Punkt, mit großartigen Ausblicken über die Küste und das Meer, gibt es auch hier wieder Erdbestattungen mit Grabplatten oder Kies, Kreuzen aus Stein oder Holz, ebenfalls einfachen, senkrechten Holzbrettern mit Namen und Foto des Verstorbenen; daneben an der Wand wiederum ein marmornes Portrait von 1886.
- Monterosso, Grabstätte eines Kriegsopfers. Foto: Behrens
- Grabstätte des Opfers eines Luftangriffs. Foto: Behrens
- Monterosso, Foto einer Frau mit Motorrad. Foto: Behrens
Durch genaueres Betrachten der Gräber erfährt man Details einzelner Schicksale in dieser Gegend, zum Beispiel im Zweiten Weltkrieg. Und das Bild einer Frau auf einem Motorrad schließlich erinnert uns daran, dass dieses Verkehrsmittel in Italien sehr verbreitet ist – auch hier mitten in den Bergen.