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OHLSDORF - Zeitschrift für Trauerkultur

Reisebericht – Exkursion des Förderkreises nach Göttingen und Kassel vom 2. bis 4. Oktober 2015

Unter der Leitung von Dr. Reinhard Behrens und Dr. Christine Behrens und gemeinsam mit Holger Andresen, Helmut Schoenfeld und Dr. Hans-Jörg Mauss begann die dreitägige Exkursion am 2. Oktober 2015 nach Göttingen und Kassel für 23 Mitglieder und Freunde des FOF frühmorgens vor der Ohlsdorfer Friedhofsverwaltung.

Zunächst fuhren wir nach Göttingen zum Stadtfriedhof. Der Leiter der Göttinger städtischen Friedhöfe Wolfgang Gieße zeigte uns den 1881 eröffneten Friedhof mit insgesamt 36 ha. Als zusätzlicher Friedhof entstand 1975 im Norden von Göttingen der Parkfriedhof Junkersberg in Verbindung mit einem Krematorium. Auf dem Stadtfriedhof werden seit 2005 nur noch Urnen beigesetzt, teilweise in Form von Urnengemeinschaftsgräbern. Eine große Besonderheit hat dieser Friedhof durch die Geschichte Göttingens als Universitätsstadt. Von den 44 Nobelpreisträgern, die mit Göttingen verbunden sind, wurden acht Chemie- und Physik-Preisträger auf diesem Friedhof am Teich beigesetzt. Dazu gehören: Max Planck (1918) und Otto Hahn (1944). Ein Nobel-Rondell in Form des Gauß‘schen Siebzehnecks aus rotem Granit würdigt diese Wissenschaftler.

Gruppenfoto
Gruppenfoto auf der Terrasse des Sepulkralmuseums in Kassel, vorn in der Mitte Dagmar Kuhle vom Sepulkralmuseum. Foto: R. Behrens

Vom Mittagessen im Alten Rathaus gestärkt und beeindruckt von dem Anblick der von Doktoranden geliebten und geküssten Gänseliesel auf dem Marktplatz dieser jung gebliebenen Universitätsstadt, ging es zum 50 km entfernten Museum für Sepulkralkultur in Kassel, das 1992 in dem ehemaligen und erweiterten Kutscherhaus der Familie Henschel eröffnet worden war. Die Landschaftsplanerin Dagmar Kuhle erläuterte uns die Aufgaben dieses Museums – Bildung + Forschung + Beratung – und zeigte uns die Dauerausstellung mit Exponaten sowohl aus alter und wie auch aus ganz aktueller Zeit. Auch für das Sepulkralmuseum sind die derzeitigen Diskussionen um die Verkleinerung der Friedhofsflächen und um alternative Bestattungsformen wichtige Themen, die maßgeblich auch unsere große Gesprächsrunde bestimmten.

Bode-Grab
Auf dem Hauptfriedhof in Kassel vor dem Grab des Documenta-Begründers Arnold Bode. Foto: R. Behrens

Am zweiten Tag besuchten wir zunächst den Hauptfriedhof in der Kasseler Nordstadt. Jürgen Rehs, der Leiter der Kasseler Friedhöfe, zeigte uns mehrere Besonderheiten. In Kassel gibt es keine kommunalen Friedhöfe. Die 13 Friedhöfe unterstehen dem Ev. Stadtkirchenkreis, jedoch ohne Restriktionen für Kasseler Bewohner, die nicht evangelisch sind. Der ca. 40 ha große Hauptfriedhof wurde 1843 als Nachfolger des in der heutigen Innenstadt gelegenen Altstädter Friedhofs aus dem 16. Jahrhundert angelegt. Dort hatten im selben Jahr die letzten Beisetzungen stattgefunden. Die Fläche in der Altstadt wurde jedoch nicht umgewandelt zu Bauland, sondern zu der Parkanlage Lutherplatz. In dem Park um die Lutherkirche befinden sich daher noch heute zahlreiche historische Grabdenkmäler.

Mehrere Prominentengräber befinden sich auf dem Hauptfriedhof. Der Komponist Louis Spohr (1822–1859), der dritte Bruder der Brüder Grimm, der Maler Ludwig Emil Grimm, die Industriellenfamilie Henschel, der Jagdpilot und Flugzeugbauer Gerhard Fieseler, der Maler und Documenta-Gründer Arnold Bode und viele wichtige Kasseler Bürger. Auch Philipp Scheidemann ist dort begraben. Von besonderem Interesse für uns waren die drei Lapidarien in den Abteilungen 3, 14 und 34. Historische sowie gestalterisch und zeittypisch wichtige Grabmale aus dem 19. und 20. Jahrhundert wurden von aufgelassenen Gräbern dort neu aufgestellt, so dass sie als Denkmale erhalten bleiben. Auch wurden Urnengemeinschaftsgräber als "Urnenkulturgräber" auf aufgelassenen großen Familiengrabstätten eingerichtet, um die erhaltenswerten Grabmale stehen zu lassen. An einigen durch die großen Bäume geprägten Stellen wurden Friedpark-Bestattungen ermöglicht.

Inzwischen gibt es in Kassel ca. 65 % Urnenbeisetzungen. Auch muslimische Bestattungen werden hier ermöglicht. Die regelmäßigen Themenführungen zur Geschichte des Friedhofs und zu dort beerdigten prominenten Kasseler Bürgern, zur Grabmalgestaltung und zu Flora und Fauna werden in Kassel gut besucht.

Es schloss sich eine interessante Stadtführung an, die uns klarmachte, wie groß 1943 auch in Kassel die Kriegszerstörungen waren. Nicht nur die Rüstungsbetriebe wurden getroffen, sondern auch ca. 80 % der Wohnhäuser. Das ist an der großflächigen Nachkriegsbebauung gut zu erkennen. Nur wenige Spuren der Altstadt sind stehen geblieben. Umso deutlicher sind die teilweise phantasievollen und frechen Spuren, die jede der inzwischen 13 Documenta-Ausstellungen für zeitgenössische Kunst in der Stadt hinterlassen hat.

Der Termin unserer Exkursion ermöglichte uns, eine weitere Kasseler Besonderheit mitzuerleben: die Wasserspiele von Bad Wilhelmshöhe, die seit 23. Juni 2013 mit dem gesamten Bergpark zum UNESCO-Weltkulturerbe gehören. Es handelt sich um ein über 200 Jahre altes Gartenkunstwerk, das den Bergpark quasi in Bewegung versetzt. Das ohne Pumpen aufgestaute Wasser wird auf kunstvolle Art nach einem genauen Zeitplan ab 14.30 Uhr unterhalb der großen Herkules-Figur über Kaskaden und raffiniert angelegte Schluchten in mehreren Etappen den Berg hinuntergeleitet und findet seinen Höhepunkt in einer großen Fontaine um 15.45 Uhr. Tausende von Menschen begleiteten das Wasser auf seinem Weg zum Schloss Wilhelmshöhe.

Nekropole
Die Wandergruppe der Exkursionsteilnehmer am Eingang zur Documenta-Nekropole. Foto: R. Behrens

Am dritten Tag besuchten wir die Gemäldegalerie im Schloss Wilhelmshöhe mit ihrer sehr wertvollen Sammlung Alter Meister und der aktuellen Cranach-Ausstellung. Zusätzlich fuhren wir zu einer weiteren Kasseler Besonderheit: Die Künstler-Nekropole entsteht seit 1992 auf Initiative und durch die Stiftung des Aktionskünstlers und Kunstprofessors Harry Kramer für Documenta-Künstler in einem buchenbestandenen aufgelassenem Basalt-Steinbruch am „Blauen See“. Künstler de Documenta können dort zu Lebzeiten ihr eigenes Grabmonument gestalten. Zehn ganz unterschiedliche, auf keinem anderen Friedhof zulässige Grabmäler sind im Wald oder auf einer Lichtung bereits fertiggestellt und durch einen Rundwanderweg zu erreichen.

Kassel lohnt einen weiteren Besuch, denn wir konzentrierten uns auf die Friedhofsthemen. Die 14. Documenta wird 2017 stattfinden, das Deutsche Tapetenmuseum wird wohl 2016 nach seiner Renovierung wieder eröffnet werden und schon jetzt ist der Besuch in dem gerade eröffneten Museum für die Brüder Grimm möglich und soll mit neuartigen Präsentationsmethoden sehr interessant sein.

Die Planung der Exkursion durch Herrn Dr. Behrens war perfekt – inhaltlich und zeitlich, wie auch finanziell.

Auflistung alle Artikel aus dem Themenheft Insel, Tod und Trauer (November 2015).
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