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OHLSDORF - Zeitschrift für Trauerkultur

Das Thousla-Kreuz auf der Isle of Man

An dem schmalen Sound, der zwischen der Isle of Man und der kleinen Nachbarinsel Calf of Man liegt, trifft der Besucher auf ein großes hölzernes Kreuz, dessen Inschrift an ein Schiffsunglück von 1858 und den Heroismus der Einwohner der Insel erinnert. Denn sie retteten damals die Besatzung des französischen Schooners "Jeane St. Charles" vor dem sicheren Tod.

Thousla-Kreuz
Das Thousla-Kreuz am Sound auf der Isle of Man. Foto: B. Leisner 2015

Das Küstenschiff war von Pontrieux in Frankreich auf dem Weg nach Londonderry in Irland und hatte Mehl geladen. Seine Besatzung bestand aus sechs Mann. Neben dem Kapitän Joseph Legou, der Steuermann und zwei weitere Seeleute, sowie der dreizehnjährige Bruder des Kapitäns, der seine erste Reise als Schiffsjunge machte, und ein zweiter vierzehnjähriger Schiffsjunge. Ende März waren sie losgefahren. Am 4. April wurden sie in der irischen See von einem Sturm erfasst und mussten beidrehen. Die aufgewühlte See beschädigte das Schiff. Trotz des starken Sturms setzten sie am Nachmittag des 8. April erneut Segel. Gegen zehn Uhr nachts klarte das Wetter kurz auf. Im Westen sahen sie die Lichter des Calf of Man. Sie ließen ihre beiden Buganker herab um dem Sturm zu widerstehen. Doch die Ankerketten rissen und das Schiff begann an der Küste entlang zu treiben. Im Sund setzten sie den letzten Anker, den sie noch hatten. Er hielt gerade lang genug, um ein Langboot zu Wasser zu lassen, auf dem sie das Schiff verließen. Aber Sturm und Strömung waren so stark, dass beide, Schoner wie Langboot, auf den Fels aufliefen. Die sechs Seeleute hielten sich an den gefährlichen Steinen fest. Aber die Wellen schlugen über sie hin und die beiden Jungen verschwanden sofort und wurden in die Tiefe gerissen. Kapitän, Steuermann und die beiden Bootsleute konnten sich am Felsen festkrallen. Die Wellen stürzten über ihnen zusammen und rissen ihnen Kleider und Fleisch vom Körper.

In Port St. Mary, dem nächsten Ort, der immerhin vierzig Kilometer vom Sound entfernt liegt, hörte man von dem Unglück und beschloss den Schiffbrüchigen zur Hilfe zu kommen. Da der Wind die Seefahrt von Port St. Mary aus unmöglich machte, schleppte man ein Ruderboot über den Berg zum Sound. Ein erstes Rettungsboot, mit fünf Männern besetzt, wurde vom Wind und der Strömung an den Schiffbrüchigen vorbei zur Nachbarinsel gefegt. Ein zweites Boot wurde herbeigetragen. Drei Stunden lang ruderte seine Besatzung durch den Sturm, bis sie die schwer verletzten Franzosen erreichte und sie in ihr Boot holen konnte.

Die Geretteten brachte man zuerst zum Leuchtturm auf dem Calf, später zum Arzt in Castletown und danach zu dem französischen Konsul in Liverpool. Augenzeugen sagten, sie hätten niemals so entschlossene Männer gesehen, wie die fünf Retter. Zieht man in Betracht, wie klein und zerbrechlich das Rettungsboot war, wie schwer der Sturm und wie wild die See, zu der noch die gefährliche Strömung kam, die durch den schmalen Kanal zwischen beiden Inseln raste und die Felsen nur zeitweise aus dem Wasser auftauchen ließ, so kann man kaum glauben, dass sie diese Rettungsaktion tatsächlich durchführen konnten. Sie erhielten später im Jahr Silbermedaillen des französischen Staates als Dank und Anerkennung.

Auf dem Felsen wurde ein Jahr nach dem Schiffbruch ein Warnlicht errichtet, das einen Schutzraum für Schiffbrüchige enthielt. Auf dem Warnlicht wurde ein Lothringisches Kreuz – es hat oben einen schmalen Querbalken und darunter einen breiteren – zur Erinnerung an die beiden Schiffsjungen angebracht.

Dieses Kreuz ging 1905 in einem Sturm verloren. An seiner Stelle wurde ein hölzernes Kreuz aufgestellt. 1980 wurde das Kreuz entfernt und durch ein Gaslicht ersetzt, um die Schiffe besser zu warnen. Das Kreuz wurde ein Jahr später am Sound wieder aufgestellt.

Auflistung alle Artikel aus dem Themenheft Insel, Tod und Trauer (November 2015).
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